Viktor Löwen

Die zwölf Jünger Jesu


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sehr knapp die allgemeine Reaktion des Volkes auf sämtliche Worte Jesu in Mt 5-7 und auf sämtliche Werke Jesu in Mt 8-9 zusammenfassen, ragen somit zwei daran angegliederte Anmerkungen heraus: Das Erstaunen des Volkes wird damit begründet (7,29: γάρ), dass Jesus mit Vollmacht lehrte, anders als ihre Schriftgelehrten (7,29: οὐχ ὡς οἱ γραμματεῖς αὐτῶν). Und das Wundern des Volkes wird mit der Erklärung begründet, dass niemals derartiges in Israel gesehen wurde (9,33c: οὐδέποτε ἐφάνη οὕτως ἐν τῷ Ἰσραήλ). Die unmittelbar folgende Reaktion der Pharisäer bildet einen Gegensatz zur Reaktion des Volkes: Sie unterstellen Jesus, er hätte die Dämonen durch den Obersten der Dämonen ausgetrieben (9,34). Weil die Reaktionen des Volkes wie Zusammenfassungen wirken, gilt dasselbe für die Darstellung der Schriftgelehrten in 7,29 und für die Reaktion der Pharisäer in 9,34. Diese divergierenden Haltungen zu Jesus zeigen den Kontrast zwischen den Volksmengen und ihren Volksanführern. Die kritische Sicht auf die Volksanführer geht einher mit der Hinwendung des Volkes zu Jesus. Diese beiden großen Blöcke 5,1-7,29 und 8,1-9,34 werden durch ein weiteres Summarium in 9,35 abgeschlossen, das fast identisch formuliert ist wie das Summarium in 4,23. Beide Summarien bilden somit eine Inclusio, die alle dazwischen liegenden „Worte“ und „Werke“ Jesu zusammenfassen. 9,35 ist nicht nur der abschließende Rahmenteil der Inclusio, sondern auch ein Scharnierstück: es schließt also nicht nur den großen Block 4,23-9,34 ab, sondern leitet zusammen mit 9,36-38 über in den für uns relevanten Textblock 10,1-42. Zudem ist 9,35 eine Parallele zu 11,1, wo Jesu Handeln ebenfalls sehr knapp umrissen wird. Aufgrund der unmittelbaren Nähe sowie der Scharnierfunktion von 9,35 haben die Verse 9,36-38 ein besonderes Gewicht für die Auslegung von 10,1-42 (dazu s.o. unter Passagenabgrenzung II,1.1.2).

      Der folgende große Textblock 10,1-42, der von der Berufung und Bevollmächtigung der Zwölf berichtet (10,1-5b) und die Aussendungsrede Jesu an die Zwölf (10,5c-42) enthält, stellt sich somit als die Erfüllung des vorangegangenen Gebets um Erntemitarbeiter dar. Die Auslegung von 9,36-10,42 wird zeigen, dass es viele Querverbindungen zum davor Berichteten gibt. Es wäre außerdem zu erwägen, ob 10,1-5a nicht derart den ersten Jüngerberufungen in 4,18-22 entspricht, dass sie den gesamten dazwischenliegenden Block rahmen. Dann läge folgender Chiasmus vor: 4,18-22 = A; Mt 4,23 = B; Mt 5-7 = C; Mt 8-9 = C᾽; 9,35 = B᾽; 9,36-10,5 = A᾽.3 Den Kern würden hierbei Jesu Lehre und Wundertaten bilden, die wiederum ebenfalls chiastisch aufgebaut sein könnten. Ein weiteres wichtiges Strukturmerkmal ist 11,1: Während der erste Teil des Verses (Καὶ ἐγένετο ὅτε ἐτέλεσεν ὁ Ἰησοῦς διατάσσων τοῖς δώδεκα μαθηταῖς αὐτοῦ) eine formelhafte Wendung ist, die alle fünf großen Reden abschließt, so auch hier die Aussendungsrede Mt 10, leitet der zweite Teil des Verses (μετέβη ἐκεῖθεν τοῦ διδάσκειν καὶ κηρύσσειν ἐν ταῖς πόλεσιν αὐτῶν) einen neuen narrativen Block ein. Der zweite Teil des Verses kann mit seinen beiden Verben „lehren“ und „predigen“ als Summarium der Tätigkeit Jesu gelten. Demnach steht 11,1 in einer Linie mit den anderen beiden Summarien in 4,23 und 9,35. Dabei fällt auf, dass Mt nach der Aussendung der Zwölf nicht von der Ausführung des Auftrags berichtet, sondern Jesus als denjenigen vorstellt, der missionarisch aktiv ist, was die Parallelität zum Stoff zwischen 4,23-9,35 verstärkt, wo ebenfalls Jesus der Einzige ist, der die Initiative ergreift und vollmächtig im Volk wirkt.4 Diese „Lücke“ in der Erzählung kann verschiedentlich erklärt werden. Z.B. könnte Matthäus dadurch den Eindruck erwecken wollen, dass dieser Auftrag noch unerledigt sei; und / oder, dass Jesus allein der „Held“ der Erzählung sei und demnach der Dienst der Jünger ein Bestandteil von Jesu Dienst ist. Kurz gesagt: Verbindet man beide Summarien (4,23; 9,35) und das dazwischenliegende Material (4,24-9,34) mit der Bitte um die Erntemitarbeiter (9,37-38) und mit der Berufung und Aussendung der Zwölf (10,1-42), so ergibt sich aus dieser Struktur eine besondere theologische Funktion für die Zwölf: sie sollen Jesus bei seinem Dienst am Volk Israel assistieren.5 Dieser Gedanke wird in der folgenden Auslegung von 9,36ff detaillierter entfaltet werden. Man könnte also 4,17-11,1 folgendermaßen überschreiben: „Jesu Darstellung des Himmelreichs in Wort und Werk und deren Fortführung durch die zwölf Jünger.“

      Der nächste narrative Block Mt 11,2-12,50 gehört nicht zu den mit 4,23-11,1 verknüpften Blöcken. Denn während 4,23-9,35 die Anfangsphase von Jesu Auftreten beschreibt und dabei den inhaltlichen Schwerpunkt darauf legt, Jesu Verständnis des Himmelreichs in Wort und Werk vorzustellen, verlagert sich der inhaltliche Schwerpunkt von 11,2 an darauf, die Reaktionen auf Jesus und seine Botschaft darzustellen. Es gibt zwar insofern eine inhaltliche Kontinuität, als dass wieder Jesus die Initiative ergreift, wie schon zuvor in 4,17-9,38, aber gerade der Umbruch in 11,7-24 von den vorher fast durchgehend positiven Reaktionen des Volkes hin zu ihren negativen Reaktionen, markieren relativ deutlich die Schwerpunktverschiebung (vgl. in 11,2-6 auch den Umbruch bei Johannes dem Täufer hin zum Zweifel an Jesu Person [vgl. v.a. V.6: σκανδαλισθῇ]).6 Daraus folgt: Insgesamt ist der Aufbau des Textes ab 11,2 für das Verständnis von Mt 10 nicht besonders relevant.7

      1.1.4 Kurzer Aufbau

      Formale Marker und inhaltlich-thematische Wechsel legen eine Dreiteilung von Mt 9,35-11,1 nahe: 9,35-10,5b und Mt 11,1 bilden den narrativen Rahmen um die Rede Jesu in 10,5c-42. Der erste narrative Rahmenteil 9,35-10,5b leitet die Rede ein und bereitet sie inhaltlich vor. Der zweite sehr kurze narrative Rahmenteil 11,1 schließt die Rede ab und leitet zu einem neuen großen Block verschiedener Erzählungen über. Sowohl 9,35-10,5b als auch 10,5c-42 lassen sich wiederum in weitere Abschnitte unterteilen:1 9,36; 9,37f; 10,1-5b; 10,5c-8d; 10,8e-10b; 10,11-15; 10,16-23; 10,24f; 10,26-31; 10,32f; 10,34-39 und 10,40-42. Eine detailliertere Unterteilung dieser Abschnitte erfolgt vor der Analyse des jeweiligen Abschnitts.

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