Paul Oskar Höcker

Don Juans Frau


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spielen hatte, trug er Fräulein Röggeler noch einen besonderen Gruss für Felix Haddendahl auf. „Ich muss ihn doch endlich mal wieder in seiner Werkstatt besuchen!“ sagte er.

      Aber es war Kordula klar, dass es ihn mehr nach einem Wiedersehen mit Fräulein Fritzi Röggeler verlangte ...

      Während der Teetisch abgeräumt wurde, wanderte Kordula mit Fritzi durch die angrenzenden feierlichen Säle, zeigte ihr verschiedene berühmte Gemälde, Museumsstücke und plastische Werke.

      Endlich standen sie in dem einzigen Raum, der eine gewisse Behaglichkeit verriet: Kordulas früherem Mädchenstübchen.

      Eine Weile plätscherte das Gespräch vorsichtig weiter. Ob es denkbar sei, dass ein Mann durch einen gehässigen Klatsch tief genug beeinflusst werden könne, um auf eine ernstlich beabsichtigte Heirat zu verzichten? Kordula meinte, es müsse sich doch ein ehrlicher Mittler finden lassen, der dem Verrannten, Verirrten auf einen guten Weg zurückhülfe.

      Fritzi erwiderte: „Wenn beide stolz und trotzig genug sind, dann werden sie lieber unglücklich fürs Leben, als dass sie sich voreinander für eine halbe Stunde demütigen. Denn in jedem Ehestreit hiesse es hernach: Ich hatte schon auf dich verzichtet — aber du hast mich ja mit allen Mitteln zurückgeholt!“

      Kordula führte ihre Besucherin durch die feierlichen Prunkräume und Sammlungen, die um den „Schlosshof“ herumlagen, zum Musiksaal und zum Balkon zurück. Hier musste Fräulein Röggeler noch einmal Platz nehmen, auch noch eine Zigarette rauchen.

      „Ein Wort noch über eine Wendung, die mir nicht aus dem Gedächtnis will, Fräulein Röggeler!“ sagte Kordula, als ob sich’s nur um die Fortsetzung einer theoretischen Erörterung handle. „Sie würden sich als Ehefrau überflüssig vorkommen, meinten Sie, wenn Sie an der Berufsarbeit Ihres Mannes keinen Anteil hätten ... So war es doch?“

      „Ich arbeite nun schon seit sieben Jahren mit Männern zusammen, die an der Spitze grosser Betriebe stehen. Von allen bedeutsamen Plänen höre ich immer als die erste Fremde. Ich sehe die Entschlüsse wachsen, reif werden. Gestalt annehmen. Dann kann ich sie von der Person, die sie gefasst hat, gar nicht mehr trennen.“

      Nach einigem Überlegen sagte die Hausfrau: „Hans Kern ist Architekt. Er hat an dem grossen Industriehaus in Moabit mitgearbeitet, an den Kühl- und Lagerhäusern, und soviel ich weiss, war ihm damals ganz allein die schwere statische Berechnung übertragen. Hätten Sie sich auch da hineingefunden?“

      „Das war eine Ausnahmearbeit, gnädige Frau. Kern hat mir gestanden, dass er sie selbst ganz unerträglich fand.“

      „Aber sie hat ihn stark gefördert.“

      „Gewiss. Gegenwärtig ist er ja mit Privataufträgen überhäuft. Einzelvillen sind ihm übertragen, grosse und kleine Landhäuser. Ich wäre glücklich gewesen, wenn ich da als seine Frau mit auf den Bauplatz gedurft hätte, wenigstens, um den zu sehen; ich hätte dann von seinen Plänen erfahren, ihm meine eigenen Einfälle verraten können ... Vom Laien lernt der Fachmann ja immer wieder ganz gern ...“

      „Nicht übel, Fräulein Röggeler. Es gibt freilich auch Fachleute, die sich selbst von den klügsten Laien nicht in ihre Fachgeheimnisse blicken lassen wollen.“ Forschend sah sie ihr in die hübschen Augen. „Es wäre jammerschade, liebes Fräulein Röggeler, wenn Hans Kern Sie nicht zur Frau bekäme. Falls Sie sich nicht mit Händen und Füssen dagegen sträuben, dann will ich versuchen, ein bisschen Vorsehung für Sie zu spielen. Sie lieben ihn wirklich — das steht doch fest?“ Es war, als unterdrücke sie die Frage: Lieben Sie nur ihn allein? „Ich weiss selber noch nicht, wie ich’s anfangen werde, mich einzumischen, ohne dass jemand etwas merkt. Vorläufig. Aber später: Wird nicht das ganze Haus Haddendahl Sie schmerzlich vermissen, wenn Sie dort Ihre Ämter niederlegen? Auch mein Mann?“

      Fritzi drückte die Zigarette im Aschenbecher aus; sie brauchte ein ganzes Weilchen dazu. „Es wird ihm sicher leid tun. Ebenso leid wie mir. Aber mein Leben wird doch viel leichter werden. Wenn ich ihn nicht mehr jeden Arbeitstag von neuem in seiner Zerrissenheit sehe, in seinen Kämpfen, dann vergesse ich wohl allmählich doch die ganze Zeit bei ihm. Vergesse ihn.“

      Sie liebt ihn insgeheim viel stärker, als sie selber es ahnt! sagte sich Kordula, als der aussergewöhnliche Besuch gegangen war.

      In keinem ihrer Räume fand sie heute Ruhe und Sammlung; unaufhörlich durchmass sie die saalähnlichen Zimmer. Viel war auf sie eingestürmt. Dieses Fräulein Fritzi hatte ja wirklich eine grosse Gefahr für sie bedeutet. Und sie hatte nichts davon gewusst. Nein, das war kein leichtes Persönchen, das sich unbedenklich einer Liebschaft hingab. War auch kein raffiniertes Luxusweib. Sondern eine Frau mit bewussten Ansprüchen an Geist, Charakter und Innenleben des Mannes, dem sie ihr Dasein widmen wollte.

      Aber die Überheblichkeit, die sich in Fritzis Worten verraten hatte, peitschte sie nachträglich auf. Sie hätte sie ja ausfragen können: Ob Felix denn je mit einer Silbe ernsthaft um sie geworben hätte? Oder ob sie einen einzigen Menschen auf der Welt wüsste, dem sich Felix ganz und gar offenbarte? Seine Schwester jedenfalls wusste nichts von ihm. Mit seinem Vater hatte er sich nie recht vertragen. Sie nannten es alle ein Wunder, dass er sich verheiratete.

      Im ersten Ehejahr war sie wohl wirklich seine Vertraute gewesen. In seinen Berufssorgen allerdings nicht. Kam er aus seiner Werkstatt, aus dem Geschäft, aus dem Laboratorium, dann wollte er ihr keine zergrübelte Stirn zeigen. Das war ja ihr Glück, dass sie beide so herzlich lachen konnten!

      „In ihrer eigenen Ehe mag sie erst einmal beweisen, dass sie neben ihrem Gatten nicht als überflüssiges Wesen dastehen muss, das keinen Anteil an dem hat, was ihn innerlich bewegt! Sie soll Hans Kerns Frau werden! Und bald! Dafür will ich schon sorgen!“

      Kordula liess sich von Hans Kern ein paar seiner neuen Landhäuser zeigen. Sie passten in die Landschaft, waren schlicht und anheimelnd; auch die Anlage des Gartengrundes bewies Geschmack und Freude an der Natur. Diese Villen waren keine zusammengeschrumpften Schlösser, sondern behagliche Bürgerhäuser, die eher vom niederdeutschen Bauernhof dies und das geerbt zu haben schienen.

      Nach ein paar Fahrten, die sie in den Westen der Grossstadt, ins Gebiet der Havelseen und in den Grunewald geführt hatten, stand ihr Entschluss fest: Er sollte für sie bauen!

      Die Grundstückswahl war allerdings schwer.

      Nicht weit von der Optischen Anstalt, unmittelbar am Teltowkanal, besassen Felix und seine Schwester ein ziemlich grosses Stück Land, als Überbleibsel aus dem Bauernhof eines Grossonkels.

      Lore Höllscher liebäugelte mit dem Gedanken: „Wie schön, wenn wir beiden Geschwister uns draussen ansiedelten und zwischen unsere Landhäuser einen gemeinsamen Garten legten! Das Gelände würde ausreichen für so viel Gemüse- und Obstland, dass beide Familien für immer glänzend versorgt wären!“

      Hernach sagte Felix zu seiner Frau: „Die Vorstellung, vom Hause Höllscher nur durch Spinat, Stachelbeeren und symmetrische Gartenwege getrennt zu sein, bis der Tod uns scheidet, hat für mich etwas Nervenerschütterndes!“ Es funkelte lustig in seinen hellen Augen. „Ich bin stets den Krämpfen nahe, wenn ich länger als zehn Minuten Lores Vorträgen zuhören muss. Wie man bohnert, welche Nusstortenrezepte vorzuziehen sind — man kann von ihr für Jahrhunderte solche Lebensweisheiten lernen. Mir aber macht’s Spass, in den nächsten fünfzig Jahren lieber noch unsagbar viel Dummheiten zu verüben. Um’s Himmels willen, Kordula: Als lebenslängliches Visavis von Lore bin ich durchaus untauglich. Selbstverständlich siedeln wir uns einmal irgendwo an — sagen wir: sobald wir drei Kinder haben. Und dann dicht an Wald und See, wo man sich rasch verstecken kann, wenn die Familie Höllscher erscheint.“

      Seitdem war überhaupt nicht mehr die Rede davon gewesen, dass sie eines Tages die alte Pracht am Tiergarten verlassen könnten. Die erste Voraussetzung fehlte ja. Aber Kordula öffnete sich jetzt weit das Herz, als sie Kerns hübsche Landhäuser sah.

      Hans Kern seinerseits hielt Frau Haddendahls Baugedanken nur für eine vorübergehende Laune. Die sollten zunächst ja auch noch ganz strenges Geheimnis zwischen ihnen bleiben. Als erfahrener Architekt musste er ihr zu bedenken geben, dass ein solches Vorhaben ohne das Einverständnis