Paul Oskar Höcker

Don Juans Frau


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Und Wald und See wollte er? Dann müsste doch von vornherein auf die nächsten Vororte verzichtet werden. Aber dachte Haddendahl denn wirklich daran, mit seiner ersten Frau Gemahlin noch silberne und goldene Hochzeit zu feiern? Als Philemon und Baucis? Dieser berüchtigte Don Juan mit der zarten, schonungsbedürftigen Frau Kordula? Ausgeschlossen!

      Hans Kern hätte sich um Frau Haddendahls noch gar nicht greifbaren Bauplan kaum weiter gekümmert, wenn er nicht in ihrem Haus der schönen Fritzi Röggeler wiederbegegnet wäre.

      Gute Freunde, mit denen er in der Hochschulzeit manch lustige Nacht verbummelt hatte, waren es gewesen, die ihn im Sommer zu der Segelfahrt nach Schweden eingeladen hatten. In seiner Erinnerung wurde er das verdammte Gelächter nicht los, das sie anstimmten, als die Rede auf Haddendahls blonde Sekretärin kam. Seit Jahren gelte sie doch für die Lieblingssklavin des berühmten Paschas vom Teltowkanal! Keine Frage, hiess es, dass diese schönste Bildstatue seiner Werkstatt dazu ausersehen sei, auch seinen Namen zu erhalten, sobald er die Fesseln, die ihn jetzt noch drückten, loswerden könnte. Denn das wisse man ja allgemein: Haddendahls Ehe habe doch keinen Bestand!

      Wer das wisse?

      Nun, Fräulein Fritzi auf alle Fälle. Höchstwahrscheinlich wisse es auch Felix. Und wenn es Frau Kordula sich nicht schon selber sagte, dann könnte sie einem leid tun, die Ärmste.

      Nun fuhr Hans Kern also mit dieser Ärmsten ein paarmal in die Havelgegend. Er holte sie in seinem hurtigen kleinen Auto ab oder stieg in ihre vornehmere Limousine mit ein. Und im Gespräch unterwegs ergab sich ein auffallendes Interesse beiderseits für das hübsche Fräulein Fritzi mit dem offenkundig schlechten Ruf.

      Kordula kannte Fräulein Röggeler vom Geschäft her schon seit Jahren. „Aber das war das erstemal, dass ich sie bei mir sah, als sie mir neulich die Medaillons brachte. Wunderschön ist sie doch! Ihr klassischer Kopf, gesund und edel der ganze Mensch, jede Bewegung harmonisch. Und wie klug ist ihr Ausdruck beim Sprechen! Übrigens überragt auch das, was sie sagt, den Durchschnitt. Sie ist belesen, hat Kunstgeschichte betrieben, spricht fremde Sprachen. Ich begreife, dass sie immer wieder als Mittelpunkt für unendliche Klatschereien herhalten muss.“

      Hans Kern schluckte ein paarmal, bevor er entschlossen fragte: „Wer klatscht eigentlich über sie?“

      „Frauen und Mädchen, die ihr die Erfolge missgönnen, ihre Schönheit, ihre angesehene Stellung, ihren Einfluss, ihre ganze Zukunft. Und alle Männer, die sie hat abblitzen lassen; denn natürlich ist ihr viel nachgestellt worden ...“ Kordula schob die Vorderscheibe des Wagens zur Seite, gab dem Fahrer eine neue Richtung an und wandte sich ihrem Begleiter wieder zu. Jetzt leise lächelnd. „Wie oft hat man versucht, mich auf Fräulein Fritzi eifersüchtig zu machen! Tatsächlich. Sogar aus selbstloser Freundschaft!“

      „Fräulein Röggeler besitzt trotzdem Ihr volles Vertrauen?“

      „Sie ist nicht der Typ, der für ihn in Betracht kommt. Wie er nicht für sie. Sie schätzt ihn als Künstler, verehrt ihn, aber als Mensch, als Mann, muss er ihr im Grunde unausstehlich sein. Er ist verschlossen — sie ist offenherzig. Was ihn innerlich bewegt, darf keiner erfahren. Ihr aber presst es das Herz ab, wenn sie schweigen muss über das, was ihr nahegeht. Für einen schöpferischen Mann, der Mitteilung braucht, ein prächtiger Lebensgenosse. Für einen Menschen wie Felix aber wäre sie eine unerträgliche Last. Eine Ehe der beiden hätte zur Hölle werden müssen. Und jeder für sich hat doch tausend gute Eigenschaften.“

      Hans Kern konnte es gar nicht fassen, dass Frau Kordula so ruhig und überlegen, fast abgeklärt, über diese Fritzi sprach, die doch für ihre allergefährlichste Nebenbuhlerin galt. „Und Felix — urteilt nicht anders über sie?“

      „Sie hat so viele Reize — und das Künstlerauge meines Mannes hat sie gewiss schon entdeckt —, dass er selbstverständlich glücklich ist, sie immer noch in seinem Umkreis zu haben. Natürlich hätte sie an jedem Finger zehn verliebte Männer durch einen Lebensfasching schleifen können, wenn ihre Weltauffassung in ein leichtfertiges Künstlermilieu hineingepasst hätte.“ Kordula lächelte spöttisch, fast verächtlich. „Nein: Alle Frauen, die sie bis jetzt bei mir verdächtigt haben, gingen bloss von sich selber aus. In wieviel unsaubere Seelen habe ich sehen müssen!“

      Der Wagen war von der Wannseechaussee abgewichen und in den Fahrweg zum Schwanenwerder eingebogen. Auf dieser Havelinsel, zu der eine Brücke vom hügeligen Festland hinüberführte, sei ein hübsches Grundstück für einen raschen Zugriff erreichbar, hatte Kordula in einer Zeitungsanzeige gelesen.

      Polternd ging es über die Brücke. In mächtigem Halbrund führte die Villenstrasse zwischen alten Gärten um die Insel. Kaum hundert Landhäuser standen hier. Es waren meist schlossartige, türmchenverzierte Gebäude einer überlebten Geschmacksrichtung, die zwischen dem bunten Herbstlaub und dem ernsten Tannengrün auftauchten. Aber einige Gärten waren bis an die Wegegitter hin so dicht mit Bäumen und Buschwerk bepflanzt, dass man überhaupt kein Gebäude gewahrte.

      Eines dieser Grundstücke war verkäuflich. Ein verdriesslicher Alter liess das Paar ein. Er schien ohne weiteres vorauszusetzen, dass es für die Eintretenden nicht in Frage käme.

      Der Garten war gross, seit Jahren ungepflegt, das Sommerhaus klein, wohl ebensolange unbewohnt. Ein leeres Bootshaus lag unten am Strand. Die Wasserfront betrug hundert Meter.

      Die beiden sahen sich schweigend um. Die Lage war herrlich! Der Besitzer war seit Jahren rot. Seine Erbin wollte das Grundstück billig hergeben, wenn man den ganzen Preis bar bezahlte.

      Während sie ein Weilchen allein am Wasser standen, sagte Hans Kern: „Das Haus selbst hat natürlich nur Abbruchswert. Aber der Garten, die Umgebung, der Strand — das alles würde mich reizen, wenn ich überflüssiges Geld hätte. Man brauchte ja einstweilen nur ein Wochenendhäuschen für den Sommer hinzustellen. In fünfundzwanzig Minuten ist man mit dem Auto wieder im Berliner Westen. Für ein Motorboot reicht die Wassertiefe hier am Bootshaus völlig aus. Man müsste noch weiter oben den Baugrund daraufhin untersuchen, ob sich später auch ein richtiges Wohnhaus hersetzen liesse. Zunächst einmal die Papiere und Zeichnungen auf dem Katasteramt nachsehen: Schulden auf dem Grundstück, Hypotheken, besondere Lasten.“

      Kordula liess sich die Karte des Notars geben. „Ich kaufe das Grundstück!“ entschied sie unternehmungslustig. „Und Sie müssen mir fürs nächste Frühjahr ein wunderhübsches Wochenendhäuschen hier aufbauen, Herr Kern!“

      Auf der Rückfahrt sprach sie von ihrem Sommerhäuschen auf Schwanenwerder schon als vollendeter Tatsache. Es sollte eine richtige Überraschung für Felix werden. Wann konnte es fertig sein? Kordula dachte an einen bestimmten Termin, den ihr der Arzt gestellt hatte: Zum Frühjahrsbeginn wollte er sie aus der Schonungskur endlich entlassen ... „Der 21. März ist unser Hochzeitstag. Wir sind dann drei Jahre verheiratet. Wäre es möglich, das kleine Nest dann schon zu beziehen? Immer nur fürs Wochenende, und wenn gut Wetter ist?“

      Hans Kern versprach, ihr die ersten Skizzen schon in den nächsten Tagen zu schicken. Er verschwieg ihr aber nicht, dass er es als ein Wagnis ansähe, einen so eigenwilligen Menschen wie ihren Gatten mit einem Ferienquartier zu überraschen. „Vielleicht hat er da doch persönliche Wünsche verlauten lassen, auch Urteile ausgesprochen über andere Anlagen, die er sah? Man müsste sich vorsichtig umhören.“

      Kordula erklärte sich einverstanden. Sie lächelte verstohlen, denn sie wusste ja jetzt schon, wen er zunächst zu Rate ziehen würde: Fräulein Fritzi natürlich, die diesen neuen Bauherrn oft genug mitten im Arbeitswust seiner bunten Tage hatte studieren können ...

      Noch am gleichen Abend hörte Fritzi am Fernsprecher Frau Kordulas Bericht über das Ergebnis ihrer ersten Fahrt nach Schwanenwerder. Und am andern Morgen rief Hans Kern bei ihr an, um über das Geheimnis seines neuen Bauauftrags mit ihr zu sprechen. Die Bahn für die Wiederannäherung der beiden jungen Menschen schien damit geebnet.

      Kordula musste sich freilich sagen: Die Segelmannschaft, die ihrem Kameraden auf der Schwedenfahrt den Atelierklatsch hinterbracht hatte, würde nun den Argwohn aufbringen, Frau Haddendahl habe ihre Nebenbuhlerin nur dadurch aus dem Wege schaffen können, dass sie schleunigst für deren Verheiratung sorgte ...

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