Nataly von Eschstruth

Der Majoratsherr. Band II.


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wo ein weisses Segel langsam durch den Sonnenglanz zog.

      „Jetzt kommen die Herrschaften aber plötzlich im Trabe an!“ rief der Eseltreiber hinter ihnen mit hellem Jauchzer. „Jetzt wittern die Langohren auch schon die Nähe vom Rüdesheimer Stall!“

      Pia atmete auf wie erlöst. Sie wandte sich hastig zurück und schwenkte das Taschentuch durch die Luft.

      Klipp-Klapp! Klipp-Klapp! klang der harte Hufschlag der herantrabenden Eselchen auf der Chaussee und Hans und Grete machten fröhlich Halt und begrüssten die nahenden Kollegen mit kräftiger Stimme.

      „Werden Sie die Güte haben, mich Ihren Verwandten vorzustellen?“ bat der Assessor. „Wir haben uns so oft bei den Minuten verzählt, dass wir noch einmal von vorn anfangen müssen!“

      Pia nickte fröhlich. Die Nähe ihrer Angehörigen gab ihr die alte Sicherheit und Ruhe wieder und sie hatte keine Zeit, über das Seltsame nachzudenken.

      Ja, sie, die spröde, abweisende Pia, fand es plötzlich ganz selbstverständlich, dass dieser fremde Assessor mit den Ihren bekannt werde und sich bis Rüdesheim zu ihnen geselle.

      „Aber, Lilian, was sind denn das für alberne Witze, die du mit deinem verrückten Hans machst?“ rief Fränzchen schon aus der Ferne und hob drohend die derbe Faust. „Ich sage es ja, Esel bleibt Esel! Ein dämlicheres Vieh giebt es auf Gottes weiter Welt nicht!“

      Überrascht blickte der Assessor auf die Sprecherin, und Pia, welche ihn mit schnellem Seitenblick beobachtete, konnte kaum das Lachen unterdrücken.

      „Ihr Fräulein Cousine?“ flüsterte er mit einem Gesichtsausdruck, in welchem Amüsement und Betroffenheit um die Oberhand stritten.

      Das junge Mädchen nickte. „Machen Sie sich auf alles gefasst, Fräulein Fränzchen ist ein Original!“

      Das schien in der That so.

      Ihr Grauchen machte neben dem treuen Hans Halt, und die junge Gräfin schwang sich mit der Grazie eines Kartoffelsackes mit beiden Füssen zugleich auf die Erde, versetzte dem armen Esel noch einen Gertenhieb auf seinen nicht gerade edelsten Körperteil und wandte sich dann mit ausgebreiteten Armen zu Pia, um sie vor unbändiger Wiedersehensfreude zu umarmen. Dann traf ihr Blick in stummer, aber sehr energischer Sprache den Fremden.

      „Wen hast du dir denn da angebändigt, Lilian?“

      „Darf ich bitten, gnädiges Fräulein, mich der jungen Dame bekannt zu machen?“

      „Liebe Franziska, gestatte, Herr Forstassessor Hellwaldt!“ —

      „Hellmuth — wenn ich bitten darf!“ lächelte der Vorgestellte höflich.

      Fränzchen machte einen unbegreiflich spasshaften Diener, mehr vornüber wie nach unten, so dass es aussah, als persifliere sie das Kompliment des jungen Mannes.

      „Muth oder Waldt, das ist ganz Wurscht, wenn’s man bloss helle ist!“ lächelte sie herablassend und belachte dann selber ihren Witz recht herzlich. „Haben Sie das Biest da vielleicht aufgehalten, als es an Ihnen vorbeipreschen wollte?“ Sie versetzte zur näheren Bezeichnung dem guten Hans einen Nasenstüber, dass er mit klappernden Hufen zurückprallte.

      „Der Herr Assessor hat noch mehr gethan“, sagte Pia mit mühsam erkämpftem Ernst, „er hat mir das Leben gerettet und mich rechtzeitig aufgefangen, als mein Durchgänger mich zu Boden schleudern wollte!“

      In Fränzchens Gesicht spiegelte sich momentan ein hohes Entsetzen, sie fasste den Arm der Cousine so ungestüm, als wolle sie selber jetzt noch rettend zugreifen, dann hob ein tiefer Atemzug ihre Brust, und mit treuherzigstem Gesicht, welches in Dankbarkeit erstrahlte, streckte sie dem Assessor die grosse, derbknochige Hand entgegen.

      „Sie sind ein Prachtkerl, ich danke Ihnen! Sie haben das Beste und Edelste gethan, was je ein Mensch thun konnte und was ich Ihnen immer neiden werde!“

      Der Assessor lachte: „Sie beschämen mich, mein gnädigstes Fräulein, und beloben etwas Selbstverständliches über Gebühr! Dennoch hoffe ich, dass Ihre so wohlwollenden Gesinnungen unsere flüchtige Bekanntschaft zu einer dauernden gestalten werden!“

      Fränzchen nickte sehr gönnerhaft und schüttelte die Hand des jungen Forstmannes, dass die Gelenke knackten. „Verlassen Sie sich darauf“, sagte sie pathetisch, „Sie sollen sich nicht in mir getäuscht haben!“ —

      Abermals klang Hufschlag neben ihnen; Graf Willibald gelangte zwar später, wie seine Tochter, aber doch glücklich und wohlbehalten neben dem „durchgebrannten“ Pflegekind an.

      XVI.

      Lauten klangen! Buben sangen, wunderbare Fröhlichkeit!

      Und der Himmel wurde blauer und die Seele wurde weit!

      Märchenhaft vorüber zogen Berg und Burgen, Wald und Au; —

      Und das alles sah ich glänzen in dem Aug’ der schönsten Frau!

      Der Assessor zog abermals den Hut und wandte sich mit bittendem Blick zu Pia und diese begegnete seinem Wunsch mit dem liebenswürdigsten Lächeln. Diesmal nannte sie seinen Namen ganz richtig, ja, sie sagte sogar mit einer gewissen Betonung „Herr Forstassessor Karl Hellmuth!“

      Er bemerkte es, sein Blick leuchtete auf. Onkel Willibald grüsste in bester Laune von seinem Maultier herab.

      „Freut mich sehr, Verehrtester! Habe den Vorzug, mich Ihnen ebenfalls bekannt zu machen, Mr. Reginald Luxor! Schwergeprüfter Vater jener schönen Ausreisserin — —“

      „Pflegevater meinst du, Onkelchen! Offiziell denkst du dich wirklich nicht mit falschen Federn zu schmücken!“

      Der Graf lachte ein wenig betroffen, fasste sich aber schnell: „Hexe du, wollte gern ein wenig mit der grossen Tochter renommieren! Na, ‚Onkel‘ ist auch eine schöne Würde, nicht wahr, mein bester Assessor? Sie tauschten gewiss sofort mit mir! Aber nun bitte ich dringend, Kinder, helft mir von diesem elenden Marterrosse hier herab. Ich fühle kaum noch meine Knochen, so hat der Schinder mich durcheinander geschüttelt! Ah, Gott sei Dank, wieder festen Boden unter den Füssen, und Rüdesheim glücklicherweise in Sicht, na, da soll mich Gott bewahren, dass ich noch einmal aufsteige! Vorwärts, ihr Mädels, jetzt wollen wir stolz zu Fuss gehen, und Sie, mein verehrtester Herr Assessor, nehmen Sie nochmals besten Dank, dass Sie sich unserer Lilian so gütig angenommen haben! War ja eine ganz romantische Geschichte mit dem Hans, und ein Desertieren aus Liebe darf nicht bestraft werden. Aber die arme Lilian hat keinen üblen Zauberritt gemacht, kam wohl ganz desolat bei Ihnen an, was?“

      „Na, das siehst du doch schon an ihrem Haar!“ unterbrach Fränzchen. „Übrigens musst du meinem Freund Hellmuth noch viel inniger danken, denn wenn er unsere Amazone nicht rechtzeitig aufgefangen hätte, hätte Lilian recht unliebsam am Chausseestaub gerochen!“

      „Was der Tausend?!“ erschrak der Pseudo-Mr. Luxor, mit etwas steifen Beinen an Hellmuths Seite weiter humpelnd und ihn in seiner jovialen Weise schnell in ein Gespräch verwickelnd, während Fränzchen sich abermals an Pias Arm hüngte und gemächlich mit ihr den Herren folgte. —

      Sie zog die Cousine näher an sich und blickte mit grossen, lebhaften Augen zu ihr empor.

      „Wie viel Rangen hat er denn?“ fragte sie.

      „Rangen? ... Wer?!“ —

      „Na, da vorne dein Beschützer im Jägerhut!“

      „Rangen ... was meinst du damit?“ stammelte Pia betroffen.

      „Na, junge Hunde nicht, sondern Kinder! Kinder, wie sie eben alle Familienväter mehr oder weniger aufzuzählen haben!“ —

      Fräulein von Nördlingen blickte starr zu der Sprecherin herab. „Der Assessor ... verheiratet?!“ —

      „Na natürlich, hat er es etwa verheimlicht?“ fuhr Fränzchen mit flimmernden Äuglein auf.

      „Nein .... gewiss nicht ... im Gegenteil ....“ stotterte Pia vorsichtig.