Will Berthold

Hölle am Himmel


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berufliches Können, und voller durchtriebener Neugier, was seinen Junggesellenstand anbelangte.

      »Wie lange willst du dich denn noch als Vagabund allein in der Welt herumtreiben?« fragte sie ihn immer.

      »Hast du denn eine Braut für mich, Mutschka?«

      »Nein«, erwiderte sie. Es machte einen Teil ihres Charmes aus, daß sie so eine schlechte Lügnerin war. Nach den Gesetzen weiblicher Logik setzte sie auf eine Schwiegertochter – voller Eifersucht, daß es in Martins Leben neben ihr noch eine andere Frau geben könnte. Aber wie sollte sie sonst zu Enkelkindern kommen, von denen sich Romeo und Julia am Schwanz ziehen ließen?

      Jedenfalls durchschaute Martin sie in diesem Punkt völlig, und sie kämpften beide mit List und Liebe.

      Peggy erschien, um den Imbiß zu servieren. Zweimal Kaffee mit reichlich Beilagen für Flugkapitän und Bord-Ingenieur. Der Co-Pilot, der stets mit Übergewicht kämpfte, bekam nur ein Glas Tee. Beim Rückflug war er immer auf Diät gesetzt, denn mit Sicherheit würde ihn die Jet-Air auf die Waage stellen.

      »Darf ich Ihnen etwas Salat bringen, Jim?« schloß Peggy ihren Dauerwitz ab.

      »Laß dir das nicht gefallen, armer Junge«, grinste Martin Nobis und griff nach dem dicksten Schinkenbrot; er sah, wie sein junger Mann an jedem Bissen mitschlang. »Komm«, sagte er und erhob sich. »Zur Entschädigung übergeb’ ich dir den Vogel.«

      Er stellte belustigt fest, daß sein Co-Pilot beim Platzwechsel wesentlich schneller war als er. Jim würde sehr bald schon einen erstklassigen Captain abgeben. Martin Nobis hatte Hunderte von Piloten ausgebildet oder überprüft. Eine einzige Fehlanzeige, und selbst diese nicht in fliegerischer, sondern in menschlicher Hinsicht.

      Die Stewardeß hielt sich noch immer im Cockpit auf.

      »Gibt’s noch was, Peggy?« fragte Nobis.

      »Ja«, begann sie vorsichtig. »Eine Passagierin möchte Sie besuchen.«

      »Die Zeiten sind vorbei.«

      »Es handelt sich um –«

      »Keine Ausnahme.«

      »Und das gilt auch für mich, Martin?« fragte Brenda, die die fünf Meter Niemandsland zwischen Bar und verbotener Zone überschritten hatte.

      Daß er ihre Stimme sofort erkannt hatte, stellte sie fest, als Martin sich ganz langsam – wie in Zeitlupe – umdrehte, in der Art eines Realisten, der seinen Leuten verhehlen möchte, daß er Tagträume hat.

      »Brenda«, sagte er, und seine Augen waren beredter. Einen Moment stand er da, als wisse er nicht, ob er seine Hände in die Taschen stecken oder zärtlich um ihren Kopf legen sollte.

      »Das«, setzte er albern und gedehnt hinzu, »ist aber eine Überraschung.«

      »Du hast dich nicht verändert«, erwiderte Brenda.

      »Aber du bist schöner geworden«, sagte Martin.

      »Oder du kurzsichtig!«

      »Ein Pilot hat scharfe Augen«, entgegnete Martin.

      Er stand auf und geleitete Brenda an die Bar zurück. Sie ließen sich nebeneinander nieder, und in diesem Moment glaubten sie beide, Worte zu hören, die nicht gesagt wurden, obwohl sie stimmen mochten.

      »Warum hast du dich zwei Jahre lang nicht gemeldet?« fragte Brenda.

      »Weil du dich so lange nicht gerührt hast. Außerdem wollte ich deiner Karriere nicht im Wege stehen.«

      »Und ich nicht deiner Flug-Passion«, sagte sie. »Weil wir uns beruflich nichts nehmen wollten, haben wir uns privat den Weg verbaut.«

      Sie sahen sich voll an. Zwei Jahre Einsamkeit, überspielt durch Geschäftigkeit, waren vergessen.

      »Kennst du noch meine New Yorker Wohnung?« fragte Martin.

      »Du wirst lachen«, erwiderte sie, »ich hab’ sogar noch den Schlüssel.«

      »Das Schloß ist seitdem nicht geändert worden«, versetzte er in seiner typischen Art. »Du entschuldigst«, sagte er und ging in das Cockpit zurück, wo man bereits in New Yorker Ortszeit rechnete.

      5

      Der morgendliche Ansturm hatte New York in einen brodelnden Eintopf von Lärm, Hast und Mief verwandelt, aber nach neun Uhr begann die überforderte Millionenstadt auf kleinerer Flamme zu kochen. Die Wolkenkratzer verschluckten Hunderttausende von Menschen, um sie am Abend wieder auszuspucken.

      Der Tag hatte Tritt gefaßt, sechs Stunden hinter Mitteleuropa. Nur in der Zentrale der Jet-Air-Intercontinental in der Nähe des Flugplatzes Idlewild war er vorzeitig gestolpert.

      9 Uhr 33.

      »Spreche ich mit Mr. Lovestone?« fragte eine verzerrte Stimme. »Hören Sie gut zu. Ich erzähle nichts zweimal. Entweder Sie gehen auf meine Bedingung ein«, fuhr der Unbekannte fort, »oder es fliegt wieder eine Maschine in die Luft. Diesmal eine vollbesetzte.« Die Stimme in der Leitung drohte: »Zum Beispiel Ihr neuer Jumbo ›Happy Day‹ mit 366 Passagieren und 16 Mann Besatzung.«

      Mr. Lovestone quollen die Augen aus dem Kopf, und sein rechteckiges Zimmer wurde einen Moment lang rund und drehte sich wie ein Karussell. »Hier ist der Zentralsitz einer Fluglinie«, fuhr Norman dann den Erpresser an. »Und keine Irrenanstalt.«

      Larry Merx lenkte ihn wie der Leitstrahl eine Maschine bei einer Blindfluglandung.

      »Wer sind Sie überhaupt?« schrie der Präsident in die Muschel und steigerte seine Stimme zu dem Organ eines Mannes, der 35111 Mitarbeiter sicher durch die Fährnisse des Geschäftslebens steuert.

      »Ich bin der Bursche, der heute nacht ein kleines Feuerwerk in Ihrem Hangar B veranstaltet hat«, erwiderte eine verzerrte Stimme, die sich jetzt anstrengte, ein wenig langsamer zu sprechen. »Ich will eine Million. Bis heute mittag. Punkt zwölf Uhr. In Hundert-Dollar-Scheinen.«

      Als der Spitzenmanager diese Forderung hörte, nahm er ein Wechselbad von Hitze und Frost. Er hatte die Vermutung des Experten von der Bundespolizei in Washington für übertrieben gehalten. Doch diese Hoffnung war jetzt geplatzt wie ein Reifen. »Sie sind ja wahnsinnig«, stöhnte er auf.

      »Oder Sie«, konterte die blecherne Stimme. »Falls Sie nicht auf mich hören. Oder die Polizei bemühen.« Er lachte heiser. »Denken Sie an Ihre wunderschönen Jets in der Luft«, drohte er. »Denken Sie an die vielen unschuldigen Passagiere an Bord.«

      Larry Merx starrte auf das Zifferblatt: 42 Sekunden. Dann sah er gespannt durch die offene Tür ins Vorzimmer, wo sein Assistent Mike Blower mit den Fahndungs-Trupps der Telefongesellschaft und der New Yorker Kripo in Sprechverbindung stand.

      Der Mann gab das Signal, hob den Arm, und das hieß, daß der Standort des Erpressers mit Erfolg angepeilt worden war. Das hieß, daß in dieser Sekunde Dutzende von Streifenwagen mit Sirenengeheul durch die Weltstadt hetzten. Das hieß, daß Larry eine Chance hatte, einen Mann zu fassen, der ihm den Weg zu der Bande weisen müßte.

      »Und wenn ich bezahle?« fragte der Präsident zögernd.

      »Dann lassen wir Sie in Ruhe.«

      »Und wer garantiert mir das?« fragte Mr. Lovestone.

      »Niemand«, versetzte der Erpresser kalt. »Sie haben keine andere Wahl, als uns Vertrauen und Geld zu geben.«

      Obwohl mit jeder weiteren Sekunde dieses Telefonats die Chance stieg, den Unbekannten zu fassen, rechnete Larry doch nicht mit einem Erfolg. Wenn der Anrufer zu einer Gang gehörte – woran nicht zu zweifeln war –, mußte er ein Fachmann sein und wissen, daß er gefahrlos nicht länger als 40 Sekunden sprechen konnte. Ein Profi würde das Gespräch jetzt abbrechen und von woanders aus fortsetzen.

      Der FBI-Spezialist sah, daß Mr. Jet-Air am Ende war, er schob ihm hastig einen Zettel mit einem Stichwort zu.

      »Und wie sollen wir Ihnen das Geld überhaupt