Will Berthold

Hölle am Himmel


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sind auch keine Fragen«, versetzte Brenda trocken.

      Bevor sie weiterging, drehte sie sich noch einmal nach Martin um. Er fing Brendas Blick auf und erwiderte ihn rasch. Nur Larry Merx, der gekommen war, um den Freund in Empfang zu nehmen, bemerkte es.

      »Gratuliere zu deinem Geschmack«, sagte er und begrüßte Martin in spröder Männerart. »Damit endet leider auch der heitere Teil dieses Tages.«

      Sie stiegen in den Wagen des FBI-Mannes.

      »Du hast es ja ganz schön eilig«, sagte der Chefpilot. »Darf ich mir nicht einmal die Hände waschen?«

      »Wir werden sowieso noch genug Dreck anfassen«, erwiderte Larry und informierte in knappen Worten den Freund über den Erpressungsversuch.

      »Wir müssen diese Burschen in die Falle locken. Mr. Lovestone hat sich vor den Abhör-Mikrofonen mit seinem Vorstand eine erbitterte Redeschlacht geliefert. Mit knapper Mehrheit wurde entschieden, daß das Lösegeld bezahlt wird. Spätestens über das Telefon, das sie angezapft haben, erfuhren unsere Gegenspieler, daß das Geld in den gewünschten Hundert-Dollar-Noten tatsächlich von der Bank geholt wurde, verpackt in ein braunes Paket.«

      Sie hatten die Jet-Air-Basis erreicht, aber Larry blieb noch einen Moment im Wagen sitzen. »Nun hör gut zu, mein Junge«, fuhr er fort. »Das echte Paket liegt im Tresor. Ich habe ein zweites nachbauen lassen. Mit Papierschnipseln und Mini-Sendern; sie strahlen Signale aus, die wir mühelos verfolgen können. Kapiert?«

      »Ja«, erwiderte Martin. »Ganz schönes Risiko!«

      »Ohne Schweiß kein Preis«, alberte Larry, obwohl ihm nicht danach zumute war. »Außerdem«, erklärte er noch, »wissen nur Mr. Lovestone, du und ich, daß wir diesen Gangstern das Geld nicht aushändigen werden.«

      Martin wollte aussteigen. »Wart’ noch einen Moment«, bat Larry. »Was war mit Tony Forthman los?«

      »Warum?« wich der Freund aus.

      »Ich will kein Salz in deine Wunden streuen, aber …«

      »Er war mein junger Mann«, erklärte der Chefpilot, »eine echte Begabung. Einer, der mit Verstand und Gefühl fliegt.«

      »Und?«

      »Keine Disziplin. Leider. Es begann mit Weibergeschichten. Ich hab’ sie eine Weile übersehen. Dann fing Tony mit dem Saufen an. Da gab’s dann kein Pardon mehr.«

      Larry hörte aus der Stimme seines Freundes ein Bedauern heraus.

      »Vor fünf Monaten mußte ich ihn auf die Straße setzen.«

      »Und wo ist er jetzt?«

      »Keine Ahnung«, erwiderte Martin.

      Es war 11 Uhr 02. Das Paket für die Erpresser wurde – wie gefordert – zum Hauptportal gebracht. Die Verfolger hatten in abenteuerlichen Vehikeln Stellung bezogen: in einem Milchauto, einem Müllwagen, einem Lieferauto für Kartoffel-Chips, einem Oldtimer und einem italienischen Sportflitzer. Alle Wagen verfügten über Empfangsantennen und waren mit Fahndungsspezialisten besetzt.

      12 Uhr. Die Spannung wuchs. Sobald die Täter das Paket in Empfang genommen hatten, sollte auch ein neutral aufgemachter Polizei-Hubschrauber zur Verfolgung starten.

      12 Uhr 30. Noch immer wartete Larrys ›Falschgeld‹ auf den Adressaten. Es war klar, daß Unpünktlichkeit eine der Waffen seiner Gegenspieler war.

      Um 13 Uhr gab der FBI-Spezialist für Luftpiraterie Martin einen Wink, über die hauseigene Radiofrequenz wohl besser die Jet-Air-Flugkapitäne in aller Welt vorsichtig zu warnen. Der Chefpilot hielt nicht viel davon. Die Fehler werden auf der Erde gemacht, nicht in der Luft. Schließlich rief er seine Piloten. »Hier sind ein paar Spinner am Werk«, sagte er, »aber seid trotzdem vorsichtig, Jungs. Ende.«

      Wenn es in New York 15 Uhr ist, zeigt die Kirchturmuhr in dem fränkischen Weinort Klingenberg die neunte Stunde des Abends an, und Martins Mutter würde erst zu Bett gehen, wenn er ihr die glückliche Landung in New York bestätigt hatte.

      Er griff nach dem Telefon, wählte durch. Sein Gesicht entspannte sich, wirkte weich, verjüngt.

      »Herrlicher Flug, Mutschka«, sagte er. »Ein reiner Genuß.«

      »Schön, Martin«, antwortete Maria Nobis. »Aber stell’ dir vor, ich hab’ tatsächlich den Marmorkuchen beim Abflug vergessen.«

      »Es gibt Schlimmeres«, erwiderte Martin lachend.

      »Kurz vor Klingenberg ist es mir eingefallen«, sagte sie. »Ich bin noch einmal umgekehrt. Ich hab’ ihn einer Stewardeß von der Panam in die Hand gedrückt. Sie wird ihn noch heute bei dir abliefern.«

      »Vielen Dank«, sagte Martin und lächelte. »Ich werde ihn heute noch aufessen. Auf einen Sitz. Und dann schlaf gut, Mutschka.« Er legte auf und stellte sich vor, wie kritisch sein Freund Larry das Hausgebäck untersuchen würde. Mindestens zweimal in der Woche ließ ihm Mutschka die Produkte ihres Herdes auf dem Luftwege zukommen. Die Zöllner grinsten schon. Nur ein Anfänger hatte sich die Kuchen-Luftbrücke nicht erklären können und den Gugelhupf auf der Suche nach Haschisch in winzige Portionen zerstückelt und sich dann unter dem Gelächter seiner Kollegen bei Martin stotternd entschuldigt.

      Um 15 Uhr 18 steckte sich Larry Merx nach siebenmonatiger Entwöhnung die erste Zigarette an, warf sie angewidert weg und griff nach der nächsten. Das Paket lag noch immer unbeachtet in der Portier-Loge. Viel Zeit blieb nicht mehr; die Batterien der Mini-Sender würden bald erlahmen.

      Gegen 17 Uhr begann Larry zu fürchten, daß die Gangster nie erscheinen würden. Und nach 18 Uhr gestand er seinen Mitwissern den Fehlschlag ein.

      »Es gibt doch nur eine Erklärung dafür«, erwiderte Martin giftig. »Verrat.« An den Gesichtern seiner Zuhörer sah er, daß er nur das aussprach, was sie dachten. »Und das heißt, Sie, Norman, ich oder Larry stecken mit den Gangstern unter einer Decke!«

      »Hör auf mit dem Unsinn«, fuhr ihn Larry gereizt an.

      »Aber er hat doch ganz recht«, schaltete sich Präsident Lovestone ein.

      19 Uhr. Noch immer kein Abholer. Kein weiterer Anruf. Keine neue Weisung.

      Kurze Zeit später meldete sich Mike Blower, Larrys Assistent aus der FBI-Zentrale in Washington. »Vielleicht haben Sie einen Toten aufgeweckt, Chef«, begann er. »Ich bin hier auf einen Italo-Amerikaner gestoßen, der mit Rachen-R spricht: Jack Dossola.«

      Agent Blower konnte sich weitere Erklärungen sparen. Der Mann, Anführer eines Cosa-Nostra-Ablegers, war vor einem Jahr aus den USA ausgewiesen worden und hatte seitdem als verschollen gegolten.

      »Gut, Mike«, erwiderte Larry. »Bringen Sie die Akten mit. Versetzen Sie unser Krisenkommando in Alarmbereitschaft und kommen Sie so rasch wie möglich zurück.« Er legte auf. Sein Gesicht wirkte wölfisch, gejagt von der Frage: ›Warum hat die Falle versagt?‹

      7

      Die Villa war ein altes Patrizierhaus an der Sutton-Place, einer exklusiven Sackgasse, die abseits vom Lärm und Staub Manhattans lag. Der Hausherr hatte die Jalousien heruntergelassen, im Dämmerlicht wirkte er wie ein alter Mann. Doch war er weder so alt wie er wirkte, noch würde er an einem Tag wie heute schlafen.

      »Hangar B war gut«, sagte er zu seinem Besucher. »Was hinterher kam, war Stümperei.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Ich hätte nicht verreisen sollen.«

      »Sie haben uns befohlen, die Jet-Air unter Druck zu setzen«, erwiderte der Besucher. »Das haben wir getan. Nicht ohne Erfolg. Wir brauchen nur noch zu kassieren. Die Jet-Air zahlt eine Million.«

      »Nonsense«, erwiderte der Mann, den nur zwei Bandenmitglieder je zu Gesicht bekommen hatten. Die anderen wußten nicht einmal, daß es ihn gab. Der unbekannte Boß verfügte über einen bürgerlichen Namen und einen guten Ruf in der City. Als Finanzmann war er der Freund hoher Politiker und saß im Kirchenvorstand.