Эдгар Аллан По

50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2


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ihm dahin zur weiten See,

      Wie klingt die Flut vor Wanderweh!

      Das Steingenelk, die Königskerzen

      Erblüh'n voll Pracht im heiligen Rund,

      Sie steigen aus gebroch'nen Herzen

      Und jede Blume ist ein Mund.

      O, wie das weint, o, wie das lacht.

      Dem Flüstern horcht die Sommernacht!

      Des Dorfes Abgeschied'ne reden,

      Es reden toter Bursch und Braut,

      Man kennt und nennt im Ringe jeden –

      Da klagt ein Knöspchen frischbetaut:

      ,Wir sind im Thal – nur einer fehlt,

      O, wie sich der in Heimweh quält.'

      Gebräunter Bursch ist fortgezogen.

      Den Mund so rot, den Blick so hell.

      Dahin mit Wellen und mit Wogen

      Gewandert ist der Frohgesell,

      Doch, als er stand an blauer See,

      Da schrie sein Herz nach Berg und Schnee.

      Du armer Knabe! Schlaf am Meere!

      Sieh, Gottes sind so Flut wie Firn,

      Sieh, Gottes sind die Sternenheere,

      Er schickt den Tropfen, der die Stirn

      Mit frischem Gletschergruß umspült,

      Der dir das heiße Heimweh kühlt!«

      Hatte Vroni ihr Kämmerlein aufgesucht, so hörte sie die Mutter noch eine Weile in der Stube hantieren. Das letzte war immer, daß Fränzi die Thüre oder ein Fensterchen öffnete und irgend einen Bissen auf den Tisch stellte. Wenn am Morgen die Kinder kamen, waren die Fenster verschlossen, der Bissen verschwunden. »Wozu das, Mutter?« fragte Vroni ahnungsvoll.

      »Für die armen Seelen, für den Vater, wenn er unter ihnen ist.«

      »Der Vater ist ja mit den heiligen Sakramenten in den Tod gegangen.«

      »Wer ist sicher, daß er an den heligen Wassern nicht doch noch etwas gedacht oder gethan hat, was er büßen muß. Ein Tag hat tausendmal tausend Augenblicke und in jedem können wir zur armen Seele werden. Gäbe es sonst so viele Abgeschiedene, die in die Gletscher eingefroren sind, daß man nicht über das Eis gehen kann, ohne daß man ihnen auf die Häupter tritt? Die Krone ist voll Wehklagen der Frierenden, in den Gletscherspalten hört man sie weinen und diejenigen, die hoch auf den Bergen armen Seelen begegnet sind, werden nimmer froh, sie verlieren das Lachen und die roten Wangen. Ihr habt Abrahämi nicht mehr gekannt. Er war ein Gemsjäger. Einmal, als er hinter einem Felsblock auf eine Gemse lauerte, sah er plötzlich zwei arme Seelen. Die eine kämmte ihr welliges Haar, die andere sang, denn beide waren bald erlöst und freuten sich der warmen Sonne. Es waren vornehme Mailänderinnen, die in ihrem Leben vor vieler Weltfreude vergessen hatten, Armen Gutes zu thun. Sie erzählten Abrahämi ihr verfehltes Leben so beweglich und ihre Schönheit war so groß, daß er vor Mitleid und Liebe fast verging. Sie baten ihn, er möge im Thale nicht erzählen, daß sie so schwer büßen, denn es könnte sonst die Nachricht davon bis nach Mailand zu ihren Verwandten gelangen, und das wäre ihnen nicht lieb. Als aber Abrahämi, der Gemsjäger, ins Thal kam, konnte er es nicht verschweigen. was für schöne Frauen er auf dem Gletscher gesehen habe. Da wurden seine Füße und seine Zunge lahm und viele Jahre saß er so auf dem Dengelstein vor seinem Hause und schaute in Sehnsucht nach den Firnen der Krone, ob er die schönen Frauen nicht erspähen möchte. Eines Tages flogen zwei schneeweiße Tauben über das Thal. Das waren die erlösten Seelen. Abrahämi mochte wieder aufstehen und reden, doch lachen hat er nie mehr mögen, sondern immer gesagt: ›Kränkt keine arme Seele.‹«

      So erzählte Fränzi und in Vroni erklangen die Glocken des Glaubens, daß ihr ganzes Wesen erfüllt würde mit den Ahnungen der Sage. Und war Josi trotzig und finster, so blühte in ihrem frischen, von blondem Haar umspielten Gesicht stillinniges Leben auf.

      Wenn in der Nacht der Wind durch die Felsen weinte, die weißen Nebel am mondbeschienenen Berghang schwebten, dann glaubte auch sie die Züge jener Toten zu sehen, die von den Gletschern ins Thal steigen und es durchwandeln.

      »Mutter, aber haben sie schon am Brot oder an der Milch gerührt?«

      »Nein, Vroni, die armen Seelen essen nicht und trinken nicht; wenn sie nur den guten Willen sehen, so sind sie schon satt und freuen sich, daß sie nicht vergessen sind, denn nichts auf der Welt thut ihnen so weh, wie wenn niemand ihrer gedenkt.«

      Einmal, als Vroni schon schlief, kam über den hohen flimmernden Schnee wahrhaftig eine arme Seele durch die Nacht geschwebt und gewandelt, eine leichte, schlanke Kindergestalt, doch stieg sie nicht den Alpweg herab, sondern huschte herüber von der schlafenden Kirche, die ihren Turm gespenstisch in die nächtliche Winterlandschaft reckte.

      Fränzi erschrak. Wenn man eine arme Seele sieht, soll man nicht neugierig sein, es kann sie kränken. Sie zog sich vor der Wandelnden tief in ihr Stübchen zurück und betete den Segen.

      Da horch! Vor dem Fensterspalt bittet und bettelt ein süßes, seines Stimmchen: »Fränzi, liebe Fränzi. Darf ich zu Euch hereinkommen?«

      Einen Augenblick staunt Fränzi, dann sagt sie überrascht: »Weiß Gott, das ist Binia!« Sie öffnet die Thüre und zieht das schlotternde Kind, das zum Schutz vor der grimmigen Kälte den Kirchenmantel der seligen Beth um die Glieder geschlagen hat, in das Stübchen.

      »Ums Himmels willen, Bini, was willst du bei dem harten Frost und bald um Mitternacht. Hat es im Bären ein Unglück gegeben?«

      Da lächelt Binia leise und schalkhaft, setzt sich dicht zu Fränzi auf die Bank, nimmt mit einer scheuen Liebkosung ihre Hand, schlägt den Blick nieder und sagt: »Nein, im Bären schläft alles, nur ich habe noch gewacht und an mein seliges Mütterchen gedacht. Wie ich den Schlaf nicht habe finden können, bin ich still aufgestanden, die Treppe hinuntergetappt, durch das Fenster des Untergadens hinausgeklettert und bin zu Euch gekommen.«

      »O Gott und alle Heiligen! Nicht einmal recht angezogen bist du, könntest dir ja den Tod holen in dieser Nacht. Warum kommst auch nicht am schönen Tag?«

      Da verzieht sich das Gesichtchen des Kindes schmerzlich, zögernd sagt es: »Ich meine, der Vater hätte es nicht gern, wenn er's wüßte. Und ich weiß nicht, habt Ihr's gern, wenn ich zu Euch komme und Vroni und Josi? Ich habe Euch vieles zu fragen, Fränzi.«

      »Närrchen, du liebes, warum sollten wir uns nicht freuen, wenn du kommst?« Fränzi fuhr dem schüchternen Kinde liebkosend durchs dunkle fliegende Seidenhaar. »Aber wenn's dein Vater nicht gern hat, so ist's doch gescheiter, du gehst gleich wieder heim.«

      Da glitt das Kind hinab von seinem Sitz zu den Füßen Fränzis, umschlang ihre Kniee und flehte weinerlich: »Nein, Fränzi, nein, sterben müßt' ich und den Kopf würde es mir zersprengen, wenn ich jetzt nicht mit Euch reden könnte.«

      »Nun, so laß es heraus, was so in dem armen Köpfchen brennt, daß es gar nicht mehr schlafen kann,« sagte Fränzi mild und zog Binia zu sich empor.

      Es war aber, als blieben die Worte der Kleinen im Halse stecken.

      »Ist's denn etwas so Schreckliches, Bini?«

      »O Fränzi, wie Ihr an der Wassertröstung so ernst mit meinem Vater auf seiner Stube geredet habt, da saß ich auf dem Ofen, ich habe alles gesehen und gehört.«

      Wunderfein erbebte das Stimmchen.

      Nun war's an Franzi, zu erbleichen. Sie sah das Kind nicht mehr, sie sah nur das furchtbare Erlebnis jener Stunde – entgeistert blickte sie vor sich hin. Sie bat: »Kind, armes Unglücksvögelchen, rede, – rede! Gott und die Heiligen mögen mir helfen, daß ich dir recht Antwort stehe. Vielleicht ist's gut, daß du gekommen bist.« Da rann das Geständnis des gepreßten und geklemmten Kinderherzens, erst scheu und zögernd, gleichsam nur in Tropfen