heftiges Blut. Das paßt wohl nicht zusammen.«
»Aber zum Rebellen, der sich in den Bergen herumtreibt, paßt die Rebellin, die aus dem Kloster läuft – – nicht wahr, Garde,« sagte der Presi halb höhnisch, halb lustig.
»Ho!« erwiderte sein Gastfreund, »ich meine, Josi Blatter wäre mir an Eurer Statt so lieb wie Thöni Grieg.«
»Ta-ta-ta, wie kommt Ihr auf Thöni Grieg! Er und Binia verkehren ja wie Hund und Katze. Jetzt will ich aber doch die Vagantin einvernehmen. Bini – Bini!« – Er stand auf und rief es durch die Thüre.
Das Mädchen, das mit seinem Gesang aufgehört hatte, als die beiden Männer laut geworden waren, erschien, nichts ahnend, mit freudestrahlendem Gesicht.
»Da lies diesen Brief,« sagte der Presi streng. Ein Blick Binias in das Schreiben, sie wurde dunkelrot und zitterte.
»Was habt ihr an dem Tag gethan? – rede nur, der Garde darf es auch hören.« Es klang nicht eben bös, wie es der Presi sagte.
Binia stutzte einen Augenblick, ihre Röte ging in Totenblässe über. Sie warf sich vor ihm auf die Kniee, umschlang die seinen und hauchte leise, doch fein und klar: »Vater, ich darf's fast nicht sagen, wie ungehorsam wir gewesen sind. – Josi und ich haben uns – verlobt.«
Der Presi sprang auf, nahm sein Glas und warf es neben die Knieende auf den Boden, daß es in hundert Stücke zersplitterte.
»Und ihr meint, ich sei der Narr im Spiel!« keucht er heiser, taumelt und will mit den Fäusten auf sie los, aber der Garde hält ihn: »Laßt sie ausreden!« und wie der Presi sich nicht setzt, umspannt er ihn mit seinen eisernen Armen und drückt ihn auf den Stuhl. »Hockt ab, Presi, und hört. Dann sprecht!«
Binia wollte sich flüchten. »Bleibe, Kind!« knurrte sie der Garde an.
Der Presi schnaubte und zischte: »Der Hund! der Hund! Wie wagt er sich an dich? He, schöne Augen hast du ihm gemacht, du!«
Wie ein Marmorbild stand Binia mit dem Rücken an der Wand, an die sie hingetaumelt war, nur die wogende Brust und die bebenden Nasenflügel verrieten das pulsierende Leben.
»Vater – tötet mich – aber ich sage es! – Ihr seid mit Fränzi verlobt gewesen. Ihr habt sie ohne Grund verlassen; ich aber muß an Josi gut machen, was Ihr an ihr bös gemacht habt. Das hat mir die selige Mutter eingegeben; ich liebe Josi, Vater, ich kann sterben, aber ich lasse ihn nicht, ich habe alles gehört, was Ihr am Wassertröstungstag mit der Fränzi geredet habt. Da ist mir die Liebe gekommen.«
Wie merkwürdig die feine verhaltene Stimme klang, ein Singen war es, mehr als ein Reden, ein sonderbares Singen, wie wenn der Wind durch die Waldwipfel streift, ein Ton, als flüstere er aus schweigender Höhe.
Die Stimme brach, die Unglückliche schwankte und tappte der Wand entlang gegen die Thüre.
»Du –«
Von schaumbedeckten Lippen zischte das gräßliche Wort, das Wort, das ein reines Mädchen tötet.
»Presi! Ihr habt Euch vergangen!« stößt der Garde mit einem Blick hervor, als wolle er sich auf ihn stürzen.
Der Presi röchelte. Plötzlich schoß er auf und faustete. Dann sank er entkräftet auf einen Stuhl – ächzte – und nach einer Weile stöhnte er wirr: »Jetzt ist es klar. – Fränzi – das hat mich immer gewundert, wohin das Kind an jenem Morgen aus meiner Stube verschwunden ist. – – Bini – Bini. – – Seppi Blatter – Fränzi – ihr seid grausam gegen mich!«
Der Presi schwieg, nur die Lippen zitterten. Erst als seine Wut in eine weinerliche Wehmut überging, die dem gewaltigen Mann fast komisch stand, sagte der Garde feierlich: »Ich will Euch eine Geschichte erzählen, ich habe sie von Fränzi.«
Der Presi krümmte sich unter dem Namen.
»Hört, Presi! Auf der Burg zu Hospel saß ein Ritter. Seine Tochter liebte einen Knappen. Zornig darüber ließ der Vater den Jüngling über den Felsen, auf dem die Burg stand, werfen, die Jungfrau aber stürzte sich aus Verzweiflung in den Strom. Bald darauf machte der Ritter eine Bußfahrt nach Rom. Als er über den Gletscher kam, da standen im Eis weit voneinander die armen Seelen der Liebenden. Sein Töchterlein lächelte. Da fragte der Ritter: ›Warum lächelst du, Kind, während du doch so frierst?‹ Sie antwortete: ›O Vater, siehst du nicht, daß ich und mein Liebster bald beisammen sind?‹ Er sah zwischen ihnen nur das weite harte Eis. Als er aber nach drei Jahren zurückkehrte, da waren die armen Seelen einander so nahe gekommen, daß sie sich mit den Händen erreichten. Bestürzt darüber, daß das Eis barmherziger war als er und nachgab, bereute er seine Härte bitterlich. Da hörte er eines Tages eine Stimme vom Berg: ›Vater, trauere nicht mehr!‹ Da wußte er, daß die große Liebe das Eis ganz überwunden hatte und die armen Seelen dicht beisammen standen.«
»Wozu das?« fragte der Presi dumpf. »An die armen Seelen glaube ich nicht!«
»So – meinetwegen – aber glaubt Ihr, Ihr seid stärker als der Ritter von Hospel? – Ihr seid stärker als der Gletscher?«
Der Presi stöhnte.
»Josi und Binia,« fuhr der Garde mit getragener Stimme fort, »es giebt kein schöneres Paar im Glotterthale, aber auch nicht zwei so wilde Herzen wie sie.«
»Ich mag aber nicht der Narr sein im Spiel,« stöhnte der Presi in wehem Zorn, – »ich will nicht, daß mein Kind nur so über mich hinwegschreitet. – Das verzeihe ich Bini nie!«
»O Presi, das Verzeihen werdet Ihr schon lernen. Ich an Eurer Stelle würde auf ein schönes Alter denken. Wenn Ihr aber den Kopf zu stark setzt, so seht zu! Dann kommt der Tag, wo Ihr auf den Knieen zur Lieben Frau an der Brücke rutschen würdet, wenn Ihr Bini nur Josi geben könntet und sie friedlich wüßtet. Gönnt ihnen beizeiten ein grünes Plätzchen zum Glück, sonst steigen auch sie auf die Berge und halten dort oben wie der Knappe und das Fräulein Hochzeit als schuldige Seelen.«
»Ihr meint an den Weißen Brettern!«
Der Presi sprach es mit stieren Augen. Er zitterte und sein Gesicht hatte sich verzerrt.
»Was sagt Ihr?« fragte der Garde überrascht.
»O Garde – es ist nur ein schrecklicher Traum, aber er ängstigt mich. Ich habe Binia mit blutendem Haupt neben dem jungen Blatter an den Weißen Brettern gesehen.«
»Herrgott im Himmel, was sagt Ihr, Presi? Das herrliche Kind, wie nicht alle hundert Jahre eins im Berglande wächst, stand blutend an den Weißen Brettern?«
»Ja, mein Kind, meine Bini, die ich so unendlich liebe und dies mich so elend macht.«
Und die Wehmut überwog den Zorn.
»Presi! Träume sind Schäume, sagt man, der Traum aber kommt aus dem Gewissen – es steht böse darin – macht Ordnung – an Seppi Blatter, an Fränzi habt Ihr es verbrochen – macht es am Sohn gut – spürt Ihr nicht, wie das Schicksal Josis und Binias Zug um Zug über Euch ist. – Merkt Ihr es nicht, Presi? – Macht Ordnung!«
Wie Hammerschläge fallen die Worte des Garden auf die Brust des Presi. Er bebt, er schwitzt.
»Wohl, ich merk' es – ich merk' es, Garde, sonst hätte mir das meine Binia nicht angethan – ich hätte den Josi Blatter nicht nach Indien gehen lassen sollen. – O Garde! – Mir ist, ich könnte ihn lieb haben.«
Wie aus gebrochenem Leib stöhnte es der Presi.
Schon glaubte der Garde ihn gewonnen zu haben. Da trat Frau Cresenz in die Stube und wischte die Scheiben des zerschmetterten Glases zusammen. Ohne daß sie recht wußte, was vorgefallen war, jammerte sie: »Das Kind ist halt ganz der Vater, das kann man nicht ändern, das sind zwei harte Köpfe.« Und dann wandte sie sich an den Presi und tröstete ihn mit fraulicher Milde, aber mit Worten, die nicht tief geholt waren und nicht tief gingen.
Der Garde hätte viel darum gegeben, die Frau wäre nicht gekommen oder wenigstens rasch wieder gegangen, als sie aber blieb, da wurde er über die Störung wild