Artur Brausewetter

Dr. Mollinar und seine Schülerin


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Zimmers auf wie das Glitzern eines Leuchtkäfers in der Nacht, und kam näher, lautlos und schnell, auf den erstaunten Doktor zu, der sich jetzt den glänzenden Gegenstand von einem roten Grunde abheben sah, in diesem eine riesengrosse Krawatte erkannte und nun eine kleine Männergestalt erblickte, die sich mit gemessener Grandezza verbeugte.

      „Korelli,“ sagte sie, „Korelli, Madame,“ wiederholte sie gegen Frau Mollinar, die erschreckt ihren Strickstrumpf hatte fallen lassen.

      „Sie werden von mir gehört haben — Korelli, alte Reiterfamilie, auch Direktor Wöhrmann kannte mich längst, augenblicklich beim Zirkus Brotti-Wellhoff. Herr Direktor Wöhrmann, übrigens ein sehr liebenswürdiger Herr, hat mir erzählt, dass der Herr Doktor so gut sein wollen, meine Tochter zu unterrichten —“

      „Ich wollte wenigstens sehen,“ warf der Doktor ein, aber der andere liess ihn nicht zu Worte kommen.

      „Da wollte ich mir erlauben, Ihnen meine Tochter vorzustellen,“ schnitt er ihm das Wort ab, machte einige Schritte rückwärts, öffnete die in den Vorraum führende Tür und schnalzte mit den Fingern.

      „Elli!“ rief er dabei, als wollte er ein Pferd aus dem Marstalle des Zirkus vorführen.

      Eine mächtige Hutfeder wurde in der Tür sichtbar und unter ihr ein feines, etwas bleiches Gesicht, dessen einzelne Züge man in dem Halbdunkel nicht gut unterscheiden konnte, nur ein keckes Stumpfnäschen sah der Doktor und unter kühn geschwungenen Brauen zwei runde braune Augen, durch die ein stilles Feuer glimmte.

      „Meine Tochter,“ stellte der Kunstreiter mit einer gezierten Handbewegung vor, „Miss Ellida, genannt die grösste Parforcereiterin des Kontinents — Elli Korz mit ihrem Geburtsnamen — Herr Doktor Mollinar, Madame Mollinar, wenn ich nicht irre.“

      Fräulein Elli schien von der abgeschmackten Art ihres Vaters wenig erbaut, das Stumpfnäschen rümpfte sich, um die roten Lippen, die sich mit ihren lebhaften Farben von den sammetweichen Linien ihres Antlitzes kräftig abhoben, zuckte es. Sie schob ihren Vater mit einer nicht zu freundlichen Handbewegung beiseite und trat an den Doktor heran.

      „Guten Tag, Herr Mollinar, guten Tag, Madame!“

      Sie reichte dem Doktor die Hand, eine feste, muskulöse und doch feingebildete Frauenhand, deren Wärme ihn seltsam berührte; um ihr starkes Gelenk rankte sich in mehreren Windungen ein goldener, ziselierter Reif; er stellte einen geschuppten Schlangenleib dar; zwei grünlichblaue Saphire glühten dem Doktor über die weisse Handfläche entgegen.

      Frau Mollinar musste sich mit einer Neigung der roten Hutfeder genügen lassen, die dazu noch sehr gemessen war.

      „Wir bitten um Verzeihung, dass wir so spät kommen. Wir werden auch gleich wieder gehen. Papa wollte nur wissen, wann meine Stunden beginnen.“

      Es war kein Zirkuswelsch, das aus ihren Worten klang, es war eine gebildete, fast edle Sprache, die frei von jedem Dialekte war, ihr ganzes Auftreten zeigte freies Selbstbewusstsein.

      „In dieser Woche bin ich beschäftigt,“ erwiderte der Doktor, „wir können mit dem Beginne der nächsten anfangen.“

      „Und wieviel Stunden werde ich wöchentlich haben?“

      „Drei werden wohl nötig sein, wir könnten vielleicht —“

      Herr Korelli, der lange genug geschwiegen hatte, unterbrach ihn:

      „O bitte, das macht ja gar nichts — Sie können sogar vier geben, es kommt uns darauf gar nicht an.“

      Herr Mollinar hatte nicht den Humor, den ein anderer vielleicht an seiner Stelle gezeigt hätte.

      „Aber mir kommt es darauf an, mein Herr; meine Zeit ist sehr gemessen; ich bitte es mir zu überlassen, wieviel Stunden ich geben kann,“ sagte er streng und hart.

      Der Kunstreiter machte ein verblüfftes Gesicht; das stille Feuer aber in Ellidas Augen leuchtete auf.

      „Wir wollen gehen, Papa — wann also wünschen Sie mich, Herr Mollinar?“

      „Montag, um vier Uhr nachmittags,“ sagte er kurz.

      „Ich danke, ich werde kommen.“

      Sie reichte dem Doktor dieses Mal nicht die Hand; sie grüsste ihn und seine Mutter nur flüchtig, als sie sich zum Gehen wandte.

      Herr Korelli folgte ihr verwundert; er hätte sich gern noch ein wenig ausgesprochen, aber er wagte keinen Widerstand.

      In der Tür jedoch drehte er sich noch einmal um.

      „Hätte ich’s beinahe vergessen! Herr Doktor, Madame — Sie gestatten. Zwei Plätze in der Loge, jeden Abend gültig; es wird uns stets eine Ehre sein, wenn Sie kommen.“

      Dabei griff er in die Brusttasche, nahm aus derselben eine Briefhülle und legte sie auf den Tisch.

      Doktor Mollinar trat ihm entgegen.

      „Ich danke Ihnen, mein Herr, aber ich kann von diesen Karten keinen Gebrauch machen. Ich besuche keinen Zirkus, und meine Mutter auch nicht.“

      „Sie besuchen keinen Zirkus?“

      Ein grenzenloses Erstaunen malte sich auf Herrn Korellis Antlitz.

      „Niemals, mein Herr!“

      „Auch nicht, wenn Miss Ellida reitet?! O, Sie werden schon kommen!“

      „Ich bedaure. Ich werde auch dann nicht kommen!“

      In diesem Augenblick trat Ellida an den Tisch.

      „Wir wollen uns den Herrschaften nicht aufdrängen,“ sagte sie und nahm die Karten vom Tische.

      „Servus, meine Herrschaften — Servus!“ rief Herr Korelli.

      Dann war das Paar verschwunden. — — —

      „Was bedeutet das alles?“ fragte Frau Mollinar erst nach einer ganzen Weile, die sie benutzt hatte, um sich von ihrem Erstaunen zu erholen.

      „Dass mir Direktor Wöhrmann heute den Unterricht dieser Kunstreiterin übertragen hat.“

      „Und du hast zugesagt?“

      „Was wollte ich tun? Der Direktor bestand darauf.“

      „Und wo wirst du sie unterrichten?“

      „Nun, hier in meinem Zimmer.“

      „In unser Haus wird sie kommen — in dein Zimmer?! Die Person?!“

      Der Doktor warf durch die dicken Brillengläser einen fragenden Blick auf seine Mutter. Durch ihre Worte klang ein leidenschaftlicher Ton, den er lange nicht von ihr gehört hatte.

      „Du kennst sie doch gar nicht, Mutter,“ erwiderte er mit stillem Vorwurf, aber ohne jede Erregung.

      „Du hast recht, mein Sohn. Wir sollen uns der Verlorenen am meisten annehmen; sie brauchen es nötiger, als die Gerechten, sagte dein Vater.“

      „Zu den Verlorenen wird sie sich nicht gern rechnen lassen.“

      „Aber, Fritz — eine Kunstreiterin! Unser Vater suchte sie auch einmal auf, ich weiss es noch genau. Sie hatten im Dorfe ein grosses Gerüst aufgestellt, und am Abend stürzte ein junges Frauenzimmer. Da ging unser Vater gleich hin, obwohl sie ihn nicht riefen und die strengen Leute in der Gemeinde sogar Anstoss daran nahmen.“

      Fritz lächelte.

      „Nun, Mutter — eine andere Art von Kunstreitern sind diese doch. Wo denkst du hin? Die Mutter soll sogar aus einer vornehmen Familie stammen.“

      „Die arme Frau! Aber sage, Fritz, wenn du dieses Mädchen unterrichtest, dann werde ich wohl dabeisitzen müssen.“

      „Du — dabeisitzen müssen — weshalb?“

      „Schon des Geredes wegen, mein Sohn! Denn reden werden die Leute genug über diese Besuche, verlass dich darauf!“

      Der Doktor wurde nachdenklich.

      „Du