Christian Montillon

Perry Rhodan 3103: Angriff des Lichtfressers


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dieser Chaoporter und seine Besatzung nicht zulassen, dass jemand Verrat begeht.«

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      Illustration: Dirk Schulz

      »Sie sind also echte Überläufer? Sie kehren den Chaotarchen den Rücken zu?«

      »Hey, ich habe nur mitgeholfen, sie zu retten.« Anzu hob die Schultern. »Die Lage einschätzen, das überlasse ich anderen. Aber ja, ich persönlich glaube ihnen. Was nicht heißt, dass ich vertrauensselig wäre. Ich würde sie keine Sekunde aus den Augen lassen.«

      Rhodan sah zu, wie der ferronische Adler sich wieder erhob, mit wenigen Flügelschlägen dicht über dem Boden dahinraste und in etwa 50 Metern Entfernung niederstieß. Ein kleines, blutiges Pelztier zappelte in seinem Schnabel.

      »Der TLD wacht über sie«, versicherte Rhodan. »Und nicht nur er. Leider ergeben die Verhöre nicht viel. Der Einschätzung der Spezialisten zufolge ist es eine Art Mixtur zwischen Sie wollen nicht mehr sagen und Sie können nicht mehr sagen.«

      »Und was denkst du?«

      Er lächelte. »Ich bin einer dieser Spezialisten. Bei aller Bescheidenheit.« Er deutete in die Steinwüste. »Komm, gehen wir ein Stück!«

      Draußen, außerhalb der Grenzen, traf sie die Hitze dieses besonders heißen Frühlings wie ein Schlag. Hatten sie am Ende der Straße, jenseits des letzten Gebäudes, ein Energiefeld passiert, das die Temperaturen in der Stadt senkte, weil dahinter das Klima gesteuert wurde? Es musste wohl so sein, aber sie hatte nichts davon bemerkt.

      Wie sollen wir das Unbekannte verstehen, wenn wir nicht einmal den Alltag begreifen?, dachte sie und wunderte sich über sich selbst. Eigentlich schätzte sie sich nicht als besonders philosophisch veranlagt ein.

      »Du wirst morgen mit der RAS TSCHUBAI aufbrechen und Cassiopeia ansteuern«, sagte Anzu. »Von allen Orten, die du auf Terra hättest aufsuchen können, bist du ausgerechnet hierhergekommen. In die Ödnis und die Hitze. Warum?«

      »Terrania ist seit Jahrtausenden Heimat für mich«, sagte Rhodan. »Und als alles anfing, damals, gab es keine Klimakontrolle, kein von Menschen und von Technologie gesteuertes bequemes Umfeld. Außerdem will ich mich auch an das Karge erinnern. Das Schwere. Diese weite Steinwüste hat etwas grandios Schönes, findest du nicht? Wenn man nicht wüsste, dass man sich nur umdrehen muss, könnte man meinen, man wäre mitten im Nirgendwo. Sobald ich in der RAS TSCHUBAI sein werde, nehme ich Gedanken mit. Und Erinnerungen. Und Fragen. Zum Beispiel nach den drei Überläufern. Und nach dem angeblich havarierten Chaoporter FENERIK und der Gefahr, die von ihm ausgeht.« Er setzte sich auf einen Stein, groß genug, dass Anzu neben ihm Platz fand.

      Die Hitze des Gesteins drang sofort durch ihre Kleidung. »Noch einmal – ich glaube ihnen. Sie haben alles riskiert, um aus FENERIK zu fliehen.«

      »Du hast mit deiner Paragabe die Öffnung zur Kluft längst gesehen, bevor unsere Technologie darauf aufmerksam geworden ist«, sagte Rhodan.

      Aha, dachte Anzu. Der eigentliche Punkt kommt zur Sprache. Deshalb hat er um dieses Gespräch gebeten.

      »Ich sehe Dinge, die zu weit weg sind, um sie auf natürlichem Weg wahrnehmen zu können«, sagte sie nachdenklich. »Aber unkontrolliert. Mal passiert es, mal nicht. So funktioniert meine Paragabe nun mal, und genauso war es auch in diesem Fall.«

      »Ein Zufall?«, fragte Rhodan.

      Nur diese beiden Worte, nicht mehr. Das war jedoch gar nicht nötig. Er brachte damit die ganzen Zweifel auf den Punkt, die Anzu ohnehin in sich trug.

      »Vielleicht«, sagte sie.

      »Glaubst du es?«

      »Das spielt keine Rolle.«

      »Dann lass mich es mich anders formulieren. Du weißt, dass es kein Zufall war. Irgendetwas an dem Phänomen hat mit deiner Paragabe korrespondiert, hat sie aktiviert ... was auch immer.«

      »Und ehe du fragst, Perry – ja.« Sie stützte beide Ellenbogen auf die Knie und legte das Kinn in die offenen Handflächen. »Ja, ich will wissen, was dahintersteckt. Und ob ich irgendwie auf FENERIK reagieren würde, weil die Kluft zwar von den drei Überläufern, aber mit Technologie des Chaoporters geöffnet worden ist.«

      »Also begleitest du mich an Bord der RAS TSCHUBAI und machst die Reise nach Cassiopeia mit.«

      »Das sagst du so einfach? Du fragst nicht mal?«

      »Muss ich das?«

      Sie dachte nach. »Nein.«

      »Dann sind wir uns einig.«

      »Schon wieder keine Frage.«

      »Manche Dinge sind notwendig.« Er sah sie an. »Es liegt an uns, das Beste daraus zu machen.«

      *

      »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Perihan Leko.

      Anzu schob das halutisch-siganesische Gesöff über den Tisch zu ihr. »Ich glaube, du wolltest mich gerade bitten, dass du einen Schluck ...«

      »Träum weiter«, unterbrach Perihan. »Viel eher ging es darum, dass du gar nicht so übel bist. Also zerstör diesen Eindruck nicht.«

      »Und davor«, meinte Anzu, »hast du von deiner Ortung erzählt. Etwas im freien All, für das es wohl keine passenden Worte gibt.«

      »Ein flüchtiges Phänomen«, sagte die Orterin. »Ich konnte es nicht ganz fassen und rekonstruieren. Ein amorphes Etwas, vage kugelförmig oder ... hm, eher fladenförmig. Oder beides. Die Form hat sich geändert, gut zweihundert Meter im Durchmesser.«

      »Eine Wolke aus interstellarem Staub?«, schlug Anzu vor.

      »Es passte nicht. Einerseits wirkte es wie ein Lebewesen, aber auch wieder nicht.«

      »Ein Lebewesen? Im freien All?«

      »Eben«, sagte Perihan. Sie winkte ab. »Es hat sich verflüchtigt. Jedenfalls konnte ich es nicht mehr orten.« Der Armbandkommunikator der Orterin meldete eine eingehende Anfrage. »Tschuldige«, murmelte sie.

      Ein kleines Holobild formte sich über ihrer Hand. Es zeigte das Gesicht einer Ferronin, mit blauer Haut und tiefbraunen Augen. Anzu sah sie im Profil, sie selbst befand sich außerhalb des Aufnahmebereichs, den der Kommunikator übertrug.

      »Du bist Perihan Leko?«, fragte die Ferronin via Funk.

      »Bin ich.«

      »Wir haben uns noch nicht getroffen. Ich bin Vahma Spoúr, Chefmedikerin an Bord. Es geht um die vage Ortung, die du vor zwei Stunden gemacht hast. Deine Anwesenheit ist in der Hauptmedostation nötig.«

      »Natürlich, aber – wieso? Was könnte ich ...«

      »Ich erkläre es dir vor Ort. Komm sofort!«

      »Ich brauche zehn Minuten, maximal.« Perihan beendete das Funkgespräch, das Holo erlosch. »Tut mir leid, Anzu. Keine Ahnung, worum es geht.«

      »Sie klang jedenfalls besorgt.«

      »Ist mir auch aufgefallen.« Perihan stand auf. »Wir sehen uns.« Sie ging durch den Akustikvorhang.

      Anzu sah ihr nachdenklich hinterher, wie sie sich an den vollbesetzten Tischen vorbeidrückte. Als sie bemerkte, dass der cheborparnische Robotkellner den Weg zum Separee einschlug, verließ Anzu rasch ihren Platz. Sie hatte keine Lust auf eine neue skurrile Unterhaltung.

      Ein wenig neugierig war sie, was die Chefmedikerin wohl an der vagen Ortung interessieren konnte, aber da es sie nichts anging, schob sie die Gedanken daran beiseite. Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Quartier.

      Noch ehe sie dort ankam, schlug ihr Armbandkommunikator an. Sie hob den Arm, nahm das Gespräch an. »Ja?«

      »Du bist Anzu Gotjian?«, fragte die blauhäutige und braunäugige Ferronin, die sie aus dem kleinen Kommunikationsholo anschaute – und Anzu empfand ein nicht gerade