von der sie bereits wusste, dass sie sich einstellen würde, sobald sie den Flughafen in Deutschland verlassen hatte und mit der Planung begann.
Aber eine Sache gab es noch, die sie vorhatte, mitzunehmen. Und war es nicht ein Glück, dass sie sich gerade richtig zum Laternenfest in der Stadt befand? Zwei Wochen nach dem chinesischen Neujahr erstrahlte der Liebes-Fluss in unzähligen Farben. Lichter spiegelten sich im Wasser. Mit Lichterketten geschmückte Boote glitten anmutig durch das dunkle Nass.
»Brautpaare und Familien«, raunte eine Stimme in ihrem Rücken, als sie das Schauspiel gebannt betrachtete. Sie ließ sich nichts anmerken. Es brauchte nicht jeder zu wissen, dass es ihr nicht schwergefallen war, die Sprache zu lernen. Leichter als ihrem Bruder, mit dem sie geübt und den sie regelmäßig abgefragt hatte. Sprachen waren ihr Steckenpferd, sie liebte es, eine neue für sich zu entdecken.
Dass die Boote von Liebespaaren besetzt waren, hörte sie allerdings zum ersten Mal. Doch während sie eines der Pärchen betrachtete, ergab die Tatsache sogar Sinn. Hatte sie nicht auch gelesen, dass das Laternenfest etwas mit Ehestiftung oder Brautschau zu tun hatte? Sie malte sich aus, wie die geschmückte Braut in alter Zeit am Bug ihres durch bunte Laternen erleuchteten Schiffes stand und wusste, dass sie am Ende ihrer Reise über das dunkle Wasser ihrem Liebsten begegnen würde. Es war ein märchenhafter Gedanke und er passte in diese Welt der Farben und Düfte, der hellen Verkaufsstände, der lachenden Gesichter und der riesigen Tierkreiszeichen, die überall ausgestellt waren.
»Probieren Sie Tangyuan. Es ist Sitte, an diesem Tag süße Klöße zu verzehren.« Es war dieselbe Stimme wie zuvor, doch diesmal sprach der Mann in beinahe akzentfreiem Deutsch. Sie drehte sich um und vor einem rosa und grün erleuchteten Stand mit dampfenden Speisen stand ein schlanker Mann, nicht viel größer, als sie es war. Das dunkle, glatte Haar fiel ihm in die Stirn und in seinen schmalen Augen funkelte es belustigt. Er hielt einen Papierteller und darauf wohl die besagten süßen Klöße.
»Tatsächlich?«, entgegnete sie und verschränkte die Arme. So leicht würde sie es ihm sicherlich nicht machen.
»Mein Name ist Nian.« Er verbeugte sich höflich und zwinkerte ihr dann zu. »In meiner Kultur bringt es Glück, am Tag des Laternenfestes und am Ufer des Liebesflusses ein Mahl mit einer wunderschönen Fremden zu teilen.«
Mona hob die Augenbrauen. »Tatsächlich«, wiederholte sie und musste dann doch lachen.
»War das zu viel?«, erkundigte Nian sich und sie nickte. »Viel zu viel«, erklärte sie dann. »Aber der Gedanke zählt. Und ich denke, dass ich von diesen Klößchen bereits gehört habe.«
»Die sind wirklich Tradition«, erklärte Nian, während sie kostete.
»Sie schmecken himmlisch.«
Mona hatte nicht bemerkt, dass sie hungrig war. Vor lauter Bewunderung für die Schönheit des Abends war es ihr bislang noch nicht in den Sinn gekommen, sich für eine der vielen angebotenen Mahlzeiten zu entscheiden. Nian lächelte und füllte ihre Schale nach. Mona genoss auch diese Portion und als sie sich die Lippen leckte, fühlte sie Nians Blick auf ihrem Mund.
Sie schluckte und räusperte sich, während sie ihm das Geschirr zurückgab.
»Was kostet das?«, fragte sie und hätte sich gleich darauf am liebsten für die Antwort geohrfeigt. Denn Nians eben noch so offen und freundlicher Gesichtsausdruck verwandelte sich. Mit einem Mal wirkte er abweisend und fast ein wenig verletzt. Sie räusperte sich erneut.
»Du … Sie verkaufen doch hier, oder nicht?« Verunsichert biss sie sich auf die Unterlippe.
Nian sah sie an und die eben noch zusammengepressten Lippen öffneten sich. Der Anflug eines Lächelns erschien.
Er sah wirklich gut aus. Nicht zu muskulös, eher feingliedrig, aber zugleich sehnig und maskulin erinnerte er sie an zahllose Ninja-Filme, die sie in ihrer Jugend geliebt hatte, aber im Nachhinein nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Nur zu gut konnte sie sich ihn in einem Kostüm vorstellen. Oder auch ohne.
Moment - wohin wanderten ihre Gedanken denn hier? Sie kannte den Mann gar nicht und er beobachtete sie gerade mit ein wenig Verwunderung im Blick. Er hatte wirklich ein sehr ausdrucksvolles Gesicht und sie würde sich nicht wundern, trüge er seine Gefühle stets offen vor sich her.
»Ich meine, habe ich etwas Falsches gesagt?« Und nun brabbelte sie wirklich Unsinn. Das war unhaltbar.
Sein Lächeln wurde breiter. Er deutete auf den Stand, aus dem er getreten war.
»Nicht direkt. Das ist der Stand meines Onkels. Ich vertrete ihn für eine Stunde, besitze aber in einer solchen Nacht die Berechtigung, schöne Mädchen zu einem Imbiss einzuladen.«
Mona errötete. »Wie kann das sein? Und warum sprechen Sie so gut deutsch?«
Er lachte leise. »Ich bin Deutscher. Seit meiner Kindheit lebe ich dort und kehre nur zu Familienfesten zurück. Mein Onkel feiert heute seinen Hochzeitstag.« Er deutete auf eines der Boote, das in ihre Richtung steuerte.
»Allerdings wird er gleich wieder übernehmen wollen.«
»Kein Wunder, wenn Sie seine Waren so großzügig anbieten.«
Nian zuckte mit den Schultern und zwinkerte ihr dann zu.
»Ich werde es ihm nicht verraten.«
Mona kicherte. Sie fühlte sich auf einmal leicht und albern, als wäre sie noch ein Teenager. »Dann werde ich es auch nicht tun.«
Sie lachten zusammen und dann schlug Nian ihr vor, etwas zu trinken. Mona nickte eifrig, hatten die Klößchen bei ihr doch Durst verursacht. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war der Bubble Tea, den er aus der Bude hervorzauberte. Beim besten Willen konnte sie nicht erkennen, woher das Getränk kam.
»Das ist Boba«, erklärte er. »Nicht zu süß, aber belebend.«
Das konnte sie nur bestätigen. Während sie an dem Strohhalm sog und versuchte, die Bubbles zu erwischen, bemühte sie sich gleichzeitig, zu ergründen, aus welchem Material der Strohhalm hergestellt worden war. Es musste sich um eine Art von Papier handeln, aber angenehm stabil.
Nian erzählte, dass er aus Hamburg stammte und Journalismus studierte.
»Ich absolviere viele Praktika«, erklärte er. »Dabei reise ich häufig. Das ist genau das Richtige für mich.«
»Hamburg ist nicht so weit wie Taiwan«, stellte sie fest und fischte nach den letzten Bubbles. Ohne, dass es ihr bewusst geworden wäre, waren sie ein paar Schritte gegangen und standen nun näher am Wasser.
Nian befand sich mit einem Mal nahe bei ihr.
»Das ist wahr«, merkte er an und seine Stimme hatte sich gesenkt.
»Das heißt …«, begann sie und bremste sich sogleich. Was dachte sie sich nur? War das ihre Art? Sie schloss die Augen und fühlte die Wärme auf ihrer Haut, lauschte auf das Plätschern des Wassers. Oh ja, wenn etwas ihre Art war, dann das hier. Es machte überhaupt keinen Sinn, sich zu sträuben. Im Gegenteil, es war dämlich. Sie öffnete die Augen und drehte sich zu ihm um.
»Das ist gut«, sagte sie dann mit fester Stimme. »Sehr gut sogar.« Sie lächelte und er erwiderte das Lächeln. Dann nahm er ihr den Becher aus der Hand und stellte ihn ab, bevor er ihre Hände ergriff.
»Mona«, sagte er. »Ich bin sehr froh, dir begegnet zu sein.«
Ihr Herz klopfte schneller. »Das bin ich auch«, antwortete sie ehrlich. Er küsste sie und seine Lippen waren fest und süß wie ihr Tee. Sie öffnete ihren Mund, er nahm die Einladung an. Seine Zunge erforschte erst ihre Lippen, dann ihre Zähne und begann schließlich mit ihrer Zunge zu spielen.
Atemlos lösten sich ihre Münder voneinander.
»Es ist die Nacht der Liebenden«, sagte er und lächelte.
»Du kannst mir viel erzählen«, kicherte sie und er zog sie an sich. Seine Hände waren unerwartet stark und sein Körper perfekt.
»Du bist wunderschön«,