»Einverstanden«, sagte er dann, und Sujete unterdrückte mühsam ihre Freude.
*
»Verbindung steht!«, rief Prep Ykraus.
Sujete ließ ihren Blick über die Personen wandern, die sich in Ataads Kabine versammelt hatten. Neben Telkoltar stand der Tefroder, der anscheinend nur auf den Befehl wartete, Ataad mit Gewalt mitzunehmen. Für einen Moment fragte sich Sujete, warum die planetare Polizei sich überhaupt auf dieses Gespräch einließ.
Das Bestechungsgeld von Marlh-D4 muss ziemlich groß sein, dachte sie. Zumindest groß genug, um den Haftbefehl durchzusetzen.
Ataad saß bereits an einem Tisch mit den Kommunikationskonsolen.
Der Sicherheitschef der STELLARIS hatte darauf bestanden, ebenfalls anwesend zu sein. Die Arbeitsweise des Barniter-Konsortiums hatten ihn wohl nervös werden lassen.
»Da bist du ja!«, schallte die tiefe Stimme eines Barniters durch den Raum. Über dem Tisch baute sich das Gesicht im Hologramm auf. Marlh-D4 richtete seine wachen Augen auf den Mosaik, der angespannt auf dem Stuhl saß.
»Hallo«, grüßte Ataad.
»Ich habe gehört, dass du mir ein Angebot machen willst«, sagte Marlh-D4. »Hast du eine Erbschaft gemacht und willst dich freikaufen?« Er lachte laut über seinen eigenen Witz und wurde ruhiger, als er merkte, dass niemand mit einfiel. »Was hast du zu sagen?«
Sujete schob sich nach vorne. »Ich habe eine Idee.«
Der Barniter schnaubte. »Wer bist du?«
»Sujete Berhane, Antiquitätenhändlerin, zurzeit Passagierin an Bord der STELLARIS.«
»Und?« Die Stimme des Barniters klang verärgert.
»Du weißt, welchem Volk er angehört?«
Ein schmieriges Lachen drang über Funk zu ihr. »Natürlich, Ataad ist ein Mosaik. Niemand kann meine Planberechnungen so gut durchführen wie er. Positroniken allein schaffen die Berechnungen viel schneller, aber sie sind nicht kreativ, und ein Mosaik bringt Ideen mit hinein. Wie die Posbis oder ein Haluter mit seinem Planhirn, aber die sind verdammt schwer von meinen Aufträgen zu überzeugen.«
Sujete deutete auf Ataad. »In seiner Heimat leben Milliarden von Mosaik. Alle mit den gleichen Fähigkeiten.«
»Und was willst du mir damit sagen?« Ungeduld lag in der Stimme des Barniters. »Nur Ataad hat sich bisher freiwillig in meine Dienste gestellt. Seine Artgenossen wollen ihre Habitate anscheinend nicht so gerne verlassen. Was willst du mir also anbieten?«
Überrascht atmete Sujete tief durch. »Ich kann dir gar nichts anbieten. Aber vielleicht die Mosaik.« Mit diesen Worten drehte sie sich zu Ataad um. »Du hast mir erzählt, dass Teile eines Mosaik sich lösen und eine neue Verbindung schaffen können. Diese neuen Verbindungen könnten deine Aufgabe erfüllen, oder?«
Ataad reagierte nachdenklich. »Ich weiß nicht ...«
Warum spielt er nicht mit?, dachte Sujete verärgert. Es ist seine einzige Chance! »Erzähl ihm von der Schuld«, forderte sie Ataad auf.
Der Mosaik beugte sich vor. »Manche der anderen Mosaik schulden mir ein paar Glieder. Die abgetrennten Glieder können sich wieder vereinigen und als neuer Mosaik in die Galaxis hinausgehen, zu dir. Du erhältst ihre Arbeitsleistung für einen gewissen Zeitraum. Das ist seit Ewigkeiten gängige Praxis bei uns. Wir nennen diese Abgabe von Gliedern die Schuld.«
»Und? Wenn es gut geht, übernimmt ein anderer deinen Vertrag? Den muss ich wieder einarbeiten. Wo ist da mein Vorteil?« Marlh-D4 klang wütend. »Wo ist da mein Gewinn?«
»Ich weiß, dass viele der Mosaik ein paar ihrer Glieder abgeben werden, zumindest für kurze Zeit. Und wenn du nicht auf die ganz langen Verträge bestehst, werden sie für dich arbeiten. Nach einiger Zeit kehren sie zurück. Mit neuen Erfahrungen von anderen Welten.«
»Noch mal: Wo ist da mein Gewinn?«
»Es finden sich mehr Mosaik, die für dich arbeiten. Deine Chance. Mehr Mitarbeiter, mehr Gewinn für dich. Du wirst deine Konkurrenten ganz einfach übertreffen. Wenn du auf deinem Vertrag beharrst, siehst du niemals wieder einen Mosaik.«
Nachdenklich schaute der Barniter Ataad an. »Und du würdest deine Leute davon überzeugen?«
»Das ist mein Angebot!« Ataad trat selbstbewusst auf, und Sujete konnte ein zufriedenes Aufatmen nicht unterdrücken. Marlh-D4s Habgier würde ihm keine andere Wahl lassen.
Ein Lächeln erschien auf den Lippen des Barniters. Sujete war sich nicht sicher, ob es freundlich gemeint war. Marlh-D4 wirkte eher, als ob er einen Weg gefunden hatte, jemanden übers Ohr zu hauen.
»Kläre alle Details mit Telkoltar!«, sagte Marlh-D4. »Er wird dich begleiten, um dieses Geschäft zu organisieren.«
Das Hologramm erlosch, und Schweigen herrschte im Raum.
»Es freut mich, dass ihr einen Kompromiss gefunden habt«, sagte Prep Ykraus nach kurzer Pause. Der Sicherheitschef der STELLARIS nickte Telkoltar zu, der teilnahmslos mitten im Raum stand. Der Gesandte des Barniters rührte sich nicht und gab mit keiner Geste zu verstehen, dass er den Auftrag erledigen würde.
»Oder?«, fragte Prep.
Telkoltar schüttelte den Kopf, als bemerke er da erst, dass er angesprochen worden war. »Ja«, flüsterte er, »ja, ich denke schon.«
Er drehte sich um, warf Ataad einen Blick zu und ging ohne ein weiteres Wort, den Tefroder im Schlepptau. Kurz darauf folgte Prep, sodass sich nur noch Sujete in Ataads Kabine aufhielt.
»Das haben wir doch gut hingekriegt«, sagte Sujete fröhlich. Sie schaute zum Ausgang, aber das Schott hatte sich geschlossen. Sie waren allein.
Ataad lachte. »Die Schuld hat eine lange Tradition bei uns.«
Sujete betrachtete ihren Freund. »Der Barniter wird seinen Gewinn machen.«
»Ich habe jahrelang bei ihm gearbeitet. Aber anscheinend habe ich noch einiges zu lernen, wenn es um Geschäfte geht.«
Nun lachte Sujete auf. »Wenn man mit Antiquitäten handelt, lernt man viel über die Menschen und wie sie sich Vorteile verschaffen wollen.«
*
»Was ist das?«, fragte Sujete. Sie stand auf einem Kiesweg, der von weiten Grasflächen umgeben war. In einiger Entfernung wuchsen Bäume.
Ein leichter Schwindel hatte Sujete erfasst, sodass sie für einen Moment die Augen schloss und still stehen blieb. Die Perspektive verwirrte sie. Die Landschaft wuchs immer weiter in die Höhe, bis sie den Kopf in den Nacken legen musste, um zu sehen, was über ihr geschah. Als befände sie sich in einer gewaltigen, geschlossenen Welt, deren Wände allerdings bedeckt waren von Wäldern und Seen. Sie erwartete jeden Augenblick, dass die Bäume und das Wasser auf sie niederstürzten und sie unter sich begruben, aber nichts geschah. Es wirkte wie ein surreales Bild fern jeder Realität.
Ataad schob ein Gefährt neben sich her, die Hände auf eine Stange gelegt, mit der man den vorderen Reifen lenken konnte. Ein weiteres Rad war hinten angebracht; es hatte eine Kette und Pedale, um es voranzutreiben.
»Ich habe oft davon geträumt, wieder die Runde zu machen«, sprach Ataad mit leiser Stimme. »Endlich kann ich es tun.«
»Und das da?« Sujete deutete auf das Gefährt.
»Ich habe in der Vergangenheit der Menschen recherchiert«, antwortete Ataad. »Auf vielen eurer Welten gibt es diese Konstruktionen. Ihr fahrt damit anscheinend mit reiner Muskelkraft auf Straßen. Wir haben etwas Ähnliches.«
Sujete hatte schon Bilder von solchen Fahrzeugen gesehen. Als Antiquitätenhändlerin waren sie ihr schon häufig in Katalogen begegnet, aber meistens waren sie zu alt, um für sie erschwinglich zu sein. Auf Plophos hatte sie einmal eines mit breiten Reifen während einer Versteigerung gesehen. Der Preis dafür war unglaublich hoch gewesen.