Perry Rhodan

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)


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gegen ihre Häscher aber nichts ausrichten.

      Der Ara sah wieder in das Aufnahmegerät. »Hast du es dir anders überlegt? Ich kann stundenlang so weitermachen! Meine Leute schaffen schon weitere Gefangene herbei.«

      Die Lippen des Kommandanten bebten, hilfloser Zorn loderte in seinen Augen.

      Hochrat Benert von Bass-Thet hatte jeden Rest von Erhabenheit verloren. Er fuhr sich mit der Hand durchs dunkle Haar. »Das darfst du nicht tun!«

      Was meint er?, fragte sich Meekala. Dass er nicht die Ermordung weiterer Geiseln zulassen darf, oder dass er die Zentrale nicht den Angreifern übergeben darf?

      Der Kommandant rang lange mit sich. Erst, als der Ara die Waffe wieder hob und auf den Kopf der jungen Frau richtete, entschied er sich.

      »Positronik«, flüsterte er tonlos, »öffne alle Personenzugänge der Zentrale!«

      *

      Geräuschlos glitten sämtliche Türen auf.

      Einen Augenblick lang geschah gar nichts.

      Dann traten zwei mit Phantasieuniformen bekleidete Männer durch den Hauptzugang, jeder in beiden Händen entsicherte Kombistrahler, und bauten sich an der Wand rechts und links der Öffnung auf. Was immer ihre Uniform in der unbekannten Gedankenwelt dieser Truppe ausdrücken sollte: Sie waren für Meekala ganz klar Banditen, Verbrecher, Geiselnehmer, Piraten. Abschaum.

      Barbara Meekala warf ihrer Kollegin einen Blick zu. Rohonzori nickte knapp, und sie glitten wie auf ein Kommando von ihren speziell angefertigten Sitzmöbeln unter den Konferenztisch. Die kleinen Stühle zogen sie hinter sich her.

      Von ihrer neuen Position aus hatten sie zwar keine ganz so gute Sicht, doch sie bekamen mit, was geschah. Notfalls konnten sie auf ihre Anzugsysteme zurückgreifen, deren Energieemissionen minimal waren.

      Die beiden Piraten lenkten alle Blicke auf sich, niemand schenkte den anderen Türen Beachtung, und innerhalb von Sekunden strömten zahlreiche Bewaffnete in die Zentrale und besetzten alle strategisch wichtigen Stellen. Sie sicherten die Zugänge, richteten ihre Waffen auf die Ehrengäste in der Nähe des Kommandanten und auf wichtige Arbeitsstationen.

      Sie bedeuteten den Besatzungsmitgliedern, die die Stationen bemannten, sich in der Mitte der Zentrale zu einer Gruppe zusammenzufinden.

      Die Siganesin dachte an die Geiseln, die der Ara, offensichtlich der Anführer der Bande, zusammengetrieben hatte. Es war verabscheuungswürdig, andere Lebewesen als Druckmittel zu missbrauchen. Da ließ sie sich auf keine Diskussionen ein.

      Der Kommandant war dadurch in eine entsetzliche Lage geraten. Nun wagte er sich kaum zu rühren, warf den Eindringlingen lediglich böse Blicke zu.

      Es war totenstill. Niemand sagte etwas.

      Dann erklangen Schritte. Eine einzelne Gestalt betrat die Zentrale, zog alle Blicke auf sich. Sie ging mit äußerst gelenkig wirkenden Beinen und war humanoid. Auch ihr Gesicht wirkte annähernd menschenähnlich, aber irgendwie unfertig und war für die Siganesin kaum zu deuten.

      Die beiden Arme waren hochflexible, extrem starke Tentakel mit veränderlicher Oberfläche. Mit ihrer speziellen Sicht konnte Barbara erkennen, dass sie aus Zehntausenden mikrofeinen Fasern bestanden, die sich wohl unterschiedlich konfigurieren konnten. Die Gestalt trug eine Art Zwangsjacke. Barbara wusste, dass sie Ghyrd genannt wurde.

      Sie hatte von diesen Wesen zwar bereits gehört, aber noch nie eines gesehen.

      Der Anführer der Verbrecherbande war ein Tomopat.

      *

      Neben Barbara Meekala sog Rohonzori zischend die Luft ein.

      Auch sie hatte garantiert schon von Tomopaten gehört, war aber wohl kaum leibhaftig einem begegnet. Dieses Volk war nicht allgemein bekannt und wurde nur selten angetroffen. Angeblich tauchten sie lediglich im Wegasystem hin und wieder auf, um sonderbare Lebensmittel einzukaufen, die sie für die Zubereitung der Speise Caéatan benötigten, welche wiederum für sie überlebenswichtig und für viele andere Völker hochtoxisch war.

      Obwohl so wenig verbreitet, genossen die Tomopaten einen gewissen Ruf – und es war kein guter. Es hieß, sie seien aggressiv und unberechenbar, man flüsterte sich zu, dass ein einzelner Tomopat einen Kampfroboter zerstören konnte und dass ihr Blutrausch vor nichts und niemandem haltmachte. Nur solange sie den Ghyrd trugen, waren sie einigermaßen ... berechenbar.

      Legenden, dachte Barbara. Das ist genau der Stoff, aus dem Legenden sind!

      Sie sah wieder Rohonzori an und legte den Finger auf die Lippen.

      Die Swoon nickte. Sie hatte verstanden.

      Leise schlichen sie unter dem Tisch zu dessen Rand, der einem Zugang am nächsten lag. Noch hatten die Eindringlinge sie nicht bemerkt, und Barbara hoffte inständig, dass das auch so blieb.

      Aber der geöffnete Zugang zur Zentrale, den sie anpeilte, war immer noch stattliche zehn Meter weit entfernt und wurde von zwei dieser Verbrecher bewacht. Wie sollten sie an denen vorbeikommen?

      War es überhaupt ethisch zulässig, einfach zu fliehen und die anderen zurückzulassen?

      Rein praktische Gründe gaben für Meekala den Ausschlag. In der Zentrale konnten zwei Winzlinge nichts gegen die Angreifer unternehmen und schwebten ständig in Gefahr, getötet zu werden. Im Etappenhof jedoch konnten sie aktiv werden, sich mit anderen absprechen und etwas tun.

      Barbara lugte unter dem Tisch hervor.

      Der Tomopat ließ den Blick über die Anwesenden schweifen und trat dann langsam und bedrohlich auf den Kommandanten zu. Er machte keinen überhasteten Schritt, und als er nur noch eine Handspanne von ihm entfernt war, blieb der Tomopat stehen, hob einen Tentakel und fuhr seinem Gegenüber damit über das Gesicht.

      Barbara sah, dass das Greiforgan mit einer Vielzahl weich aussehender dunkler Härchen besetzt war. Die Berührung dürfte nicht unangenehm sein, ganz im Gegenteil sogar.

      »Du bist ter Tupun?«, fragte der Tomopat.

      »Ich bin Kommandant Glosiant ter Tupun«, bestätigte der Akone. »Und ich kann nur wiederholen, was ich gerade gesagt habe. Sicherheitskräfte sind unterwegs und ...«

      Er schrie auf und griff mit der Hand nach seinem Gesicht.

      Der weiche Flaum auf dem Tentakel hatte sich in harte, scharfkantige Dornen verwandelt, die dem Kommandanten eine tiefe Wunde in die Wange gerissen hatten.

      Ter Tupun schrie erneut auf und griff instinktiv mit der anderen Hand nach seinem Gesicht, doch der Tomopat hielt den Unterarm mit dem zweiten Tentakel fest.

      Die Beine des Kommandanten zitterten plötzlich, und Barbara befürchtete schon, dass der Tomopat ihn auf die Knie zwingen würde. Doch dann ließ er den Arm wieder los.

      »Du sprichst nur, wenn du gefragt wirst«, sagte er. »Verstanden?«

      Ter Tupun öffnete den Mund, schloss ihn wieder und nickte heftig.

      »Du darfst mich Ly nennen.«

      Erneut nickte der Kommandant.

      »Und jetzt darfst du mir die Frage stellen, die dir so heiß auf der Seele brennt, dass du ihretwegen dein Leben in Gefahr gebracht hast.«

      Rohonzori stieß Meekala an, und diese drehte sich zögernd zu ihr um. So grausam das Schauspiel vor ihr auch sein mochte, es übte eine gewisse Faszination auf sie aus.

      Durch Druck erzeugte Sympathie mit dem Täter, dachte sie. Kann so etwas derart schnell geschehen?

      »Die Deflektoren«, hauchte die Swoon ihr ins Ohr. »Wozu habe ich uns Deflektoren organisiert?«

      Barbara nickte erleichtert. Wie hatte sie die nur vergessen können? Wahrscheinlich, weil sie sie so gut wie nie benutzte.

      Aber wenn es eine Gelegenheit dafür gab, dann diese.

      Sie griff nach ihrem Armbandgerät und aktivierte den Deflektor.