Dana Lyons

Geheimnisse


Скачать книгу

Martins Namensschild zog. Obwohl sie beinahe jeden Tag sprachen, musste Gregory noch immer das Gesicht mit dem Namen in Einklang bringen. Ich bleibe unsichtbar, dachte er, wie meine Mutter es mich gelehrt hat. Ein Mann ohne Gesicht.

      »Nash, Sie sind heute unten im Loch«, gab Gregory an.

      Martin mochte Gregory, schätzte seine Bemühung ihn beim Namen zu nennen, auch wenn er diesen Namen jeden Tag überprüfen musste. »Jep, runter in’s Loch«, erwiderte er.

      »Weil Sie die Tunnel besser kennen als jeder andere. Ich sag’s Ihnen, wenn ich Sie wäre und ich Ihr Geld und dieses große, alte, abbezahlte Haus hätte,« Gregory blickte sich rasch um und fügte hinzu, »wäre ich hier im Null Komma nichts draußen. Sie sind jung genug. Sie müssen rauskommen und das Leben genießen.«

      »Ich genieße alles, was ich tue«, antwortete Martin. »Und Sie wissen, was man über Müßiggang sagt.« Er winkte Gregory mit seinem Routenpaket zu und ging zu seinem Van hinaus. Er verstaute seinen Henkelmann voller Spezialausrüstung im hinteren Teil und sicherte die Hecktüren. Er rieb seine nicht so müßigen Hände aneinander, ließ den Van an und fuhr vom Parkplatz, lächelte die ganze Strecke über.

       Ich komme nicht wegen Geld hierher.

      Er fuhr zu seiner Route und prüfte nochmals das Navi für die Lage des Kanaldeckels, obwohl er ganz genau wusste, wo dieser war. Gregory hatte Recht, keiner kannte das Tunnelsystem von ober- oder unterhalb besser als er. Nachdem er geparkt hat, zog er die orangefarbenen Kegel heraus und öffnete den Kanaldeckel. Er platzierte das Sicherheitsgeländer und ließ den Belüftungsschlauch in das Loch fallen.

      Bevor er hinunterkletterte, hielt er neben seinem Van mit einem Bild von Haley in seinem Geist inne. Von den Fotografien auf der Dating-Website erinnerte sie ihn so sehr an seine Mutter, sogar noch mehr als Jenny oder Tanya. Aber er musste mehr Informationen haben, bevor sie sich trafen, musste in ihr Leben treten, um festzustellen, ob sie die Eine wäre.

      Eine Stimme im Inneren erhob sich, um zu debattieren.

       Das hast du dir auch von den anderen erhofft und sie haben versagt.

      Er schob die Stimme beiseite. Nichts würde diese Eine ruinieren; er dachte aufrichtig, dass Haley die Eine sein könnte, welche die Worte sagte. Falls nicht, dann würde er weitermachen, denn irgendwo da draußen war sie.

      Etwas rieb gegen seinen Knöchel und er schaute nach unten. Eine herumstreunende Katze hatte ihn mit jemandem verwechselt, den es kümmerte. Er saugte an seinen Zähnen und trat das Vieh in die Rippen, ließ sie zum Gehsteig segeln. Sie landete mit einem schrillen Schrei und flitzte davon.

      Er holte sein liebstes Bild von Haley in seinen Geist zurück, um ihm Gesellschaft zu leisten, bevor er das Loch hinunterkletterte. Seine Kabelwartungs-Route des Tages war klar markiert, alles Teil eines Gebiets, in dem er während des vergangenen Monats gearbeitet hatte. Zum Glück für ihn war Haleys Nachbarschaft ganz in der Nähe. Indem er seine Untergrund-Karte benutzte, machte er die Datenleitung zu ihrem Wohnblock aus.

      Dieser Teil des Informationensammelns schenkte ihm ein Gefühl von Macht. Von hier unten in den Tunneln war er nicht aufspürbar, wahrlich unsichtbar. Mehr als wenn er zufällig in der Menge gegen sie strich. Mehr als wenn er eine Verkleidung anlegte, ihre Leben absteckte und ihre Heime betrat. Mehr als wenn er vor ihnen stand und fragte: »Was siehst du?«

      Er fuhr die kurze Entfernung zu Haleys Wohnblock, parkte und stellte seine Kegel auf, bedacht darauf die Fassade eines ungesehenen Typen eines Versorgungsunternehmens aufrechtzuerhalten. In dem Hauswirtschaftsraum des Blocks wählte er das Kabel, das hineinführte, und suchte die Leitungen aus, die ihrer Apartmentnummer dienten. Innerhalb von Minuten installierte er eine Abzweigung in der Leitung, die es ermöglichte eine Fernzugriff-Schadsoftware in ihren Computer zu schicken.

      »Das sollte reichen. Ich habe jetzt die Kontrolle über deinen Computer und alles, das er berührt.« Er summte, sammelte seine Werkzeuge ein und kehrte zu seiner Untergrund-Route zurück. Er beendete seine Schicht und freute sich darauf, was er heute Abend über Haley erfahren würde.

      Zuhause fuhr er um die Rückseite und in die Kellergarage. Er liebte dieses große alte Haus. Wenn er gewusst hätte, welche Geheimnisse im Keller auf seine Entdeckung warteten, als er es gekauft hatte, hätte er freudig mehr bezahlt.

      Er verschob es den Feed von Haleys Computer zu öffnen, stellte den Moment zurück, um die Aufregung sein Inneres kitzeln zu lassen. Das Abendessen bestand aus einem einfachen Teller mit Pasta und Butter mit einer gegrillten Hähnchenbrust. Er zwang sich langsam zu kauen und seine Mahlzeit zu genießen, wusste, dass das voyeuristische Dessert durch sein Warten umso süßer wäre.

      Die Schadsoftware tat bereits ihre Arbeit. Als er seinen Computer öffnete, war alles, was er tun musste, sich einzuloggen und Haleys Webcam anzuschalten. Mit einem leichten Klopfen war sie da auf seinem Monitor, wie sie sich geschäftig in ihrem Apartment herumbewegte.

      Sein Herz raste von dem Kitzel sie zu sehen. Sie war ein hübsches Mädchen und er wollte, dass sie die Eine war, welche die Worte sagte. »Bald, Haley«, versprach er. »Bald komme ich, um dich zu sehen.«

      Beim FBI, nachdem sie den Tag verbracht hatte, um über Beweise zu gehen und nichts von wert zu produzieren, sehnte sich Dreya verzweifelt nach einem Hinweis. »Komm schon, gib mir etwas«, nuschelte sie. Irgendeine Art von Anhaltspunkt, so dass sie diesen hässlichen Fall aschließen konnten, bevor dieser Killer ein weiteres Leben nahm.

      Unglücklicherweise war der Beweis einfach nicht da.

      »Gar nix. Nada. Null Komma nichts«, beschwerte sie sich. Sie breiteten den Inhalt der zwei Kisten aus und entdeckten, dass die einzigen Indizien, die angesammelt waren, die Geschichte der Opfer und die Notizen der von Haus-zu-Haus-Befragungen waren.

      »Du machst wohl Witze«, sagte sie, während sie durch die Kisten ging.

      Simon lieferte die schlechten Nachrichten. »Keine Witze. Wir haben keine DNS, keinen Zeugen, keine Abdrücke, keine Fasern, keine Knöllchen, keine gekreuzten Wege und keinen mit einem Motiv.«

      Quinn fügte hinzu: »Alle Frauen waren beliebt, ohne Drogen, keine bösen festen Freunde und keine Ex-Männer, die randalieren. Tatsächlich gab es überhaupt keine verdächtigen Freizeitaktivitäten. Also haben wir keine Verbindung zwischen den Opfern irgendeiner Art außer einem Serienmörder.«

      »Abgesehen von ihrem Aussehen haben sie nichts gemeinsam«, sagte Simon. »Ich kann einen genaueren Blick auf ihre Leben werfen, wenn du mir zeigst, woran ich arbeiten soll.«

      Quinn schlug vor: »Diese vier sind in der ersten Hälfte im März passiert. Es muss eine Verbindung geben zu einem mit Datum versehenen Vorfall; ich überprüfe Vergangenheitsdaten.«

      Dreya machte einen Anruf und ließ zwei kleine Schreibtische mit Computern hereinbringen und aufstellen. Das machte ihr Büro überfüllt, aber nicht mehr, als sie es ohnehin gewohnt waren. Wenn sie irgendwo hineingezwängt werden musste, würde sie diese Typen auswählen, um das mit ihnen zu sein. Mit ein wenig technischer Unterstützung vergruben sich Simon und Quinn in ihren Aufgaben.

      Rhys lehnte sich mit seinen Händen in seinen Taschen gegen ihren Schreibtisch – seine Haltung, wie sie gelernt hatte, für tiefe Gedanken. Sie gesellte sich zu ihm an den Schreibtisch, Hüfte berührte Hüfte, dachte über die unentdeckten Geheimnisse von der Tafel nach. »Was denkst du?«

      »Hmpf«, grunzte er und drückte eine Augenbraue hoch. »Dieser Killer ist kein glücklicher Mann. Die Strangulationen werden gewalttätiger.«

      »Warum, glaubst du, nimmt er das Auge? Er mag nicht, was er sieht?«

      Er antwortete langsam, sagte schließlich: »Ich denke, dass er nicht mag, was sie sehen.«

      Sie starrte auf die Tafel, kaute auf ihrer Lippe. »Wenn du Recht hast, was will er, das sie sehen?«

      »Entdecke das und du hast den Schlüssel zu unserem Killer.«

      Ohne