Eugen Reichl

SPACE 2021


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der Transfer der Crew und der Ausrüstung geschieht über das Mini-Gateway.

      Besonders hoch bewertet wurden von der NASA für diesen Entwurf zwei Aspekte, nämlich zum einen, dass der Lander für Astronauten sehr leicht zu verlassen ist, weil die Crew-Kabine sehr tief sitzt. Anders als bei den Entwürfen der Konkurrenten müssen sie sich nicht erst auf eine Klettertour über viele Meter einlassen, bevor sie den Boden erreichen. Der andere Aspekt war, dass sich der Dynetics-Entwurf schnell in einen unbemannten Frachtlander umwandeln lässt. Dynetics baut sein Fahrzeug in Zusammenarbeit mit nicht weniger als 25 anderen Aerospace-Firmen, von denen noch nicht einmal alle aus den USA stammen. Der größte Partner ist die Sierra Nevada Corporation. Sie wird das Besatzungsmodul entwickeln. Hier sollen die Erfahrungen einfließen, die Sierra Nevada gegenwärtig mit der Entwicklung des Dream Chaser-Raumfahrzeugs macht, mit dem ab dem kommenden Jahr Versorgungsflüge zur Internationalen Raumstation durchgeführt werden, und mit dem Lunar Gateway-Habitat, das ebenfalls bei Sierra Nevada entsteht. Andere klangvolle Namen der US-Aerospace-Szene, die mit im Boot sind, sind Maxar oder L3Harris. Im Dynetics-Team mit dabei ist auch – aus europäischer Sicht interessant – Thales Alenia Space. Die Draper Laboratories, die schon Teil des Blue Origin Teams sind, sind auch bei Dynetics mit dabei. Eine gute Strategie von Draper, garantiert zu gewinnen. Pro Mission benötigt Dynetics drei Starts mit der Vulcan von United Launch Alliance. Diese Starts sollen im Abstand von zwei Wochen erfolgen. Die erste Rakete startet ALPACA, die beiden anderen jeweils ein Treibstoffmodul. Alle drei Module werden auf langsamen, indirekten Bahnen (mit einer Flugzeit von bis zu drei Monaten) zum Mond entsendet und treffen erst dort aufeinander, wo sie sich dann automatisch verkoppeln. Vom Zeitpunkt, an dem das erste Vehikel startet bis zum Abschluss einer Mission können so bis zu zehn Monate vergehen. Der eigentliche Aufenthalt auf dem Mond soll dabei anfänglich nicht länger als acht Tage dauern. Bei späteren Missionen kann das bis auf 42 Tage gesteigert werden. Die ALPACA-Kapsel kann für kurzdauernde Aufenthalte zwei Menschen für eine Woche beherbergen. Sollen später dann, wie geplant, vier Personen zur Mondoberfläche absteigen, dann wird es in der Kabine ein wenig zu eng. In diesem Fall müsste eine Unterkunft auf dem Mond errichtet werden. Das ALPACA-Modul ist mehrfach wiederverwendbar. Ist eine Mission abgeschlossen, wartet das Habitat-Modul in der Mondumlaufbahn auf die „Nachlieferung“ neuer Treibstoffmodule von der Erde und kann danach eine weitere Mission durchführen.

      SpaceX

      Das dritte Vehikel, das die NASA auswählte, ist eine Variante des Starships von SpaceX. Es ist der einzige der drei Entwürfe, der nicht nur voll wiederverwendbar sondern auch zusätzlich einstufig ausgelegt ist. Das lunare Starship verfügt gegenüber der Erdorbit-Version über eine Reihe von Modifikationen, mit denen es den Anforderungen der NASA-Ausschreibung angepasst wurde. Direkt am Mond ist diese Variante die Einfachste, benötigt aber in der Flugvorbereitung in der Erdumlaufbahn eine ganze Reihe von Orbitalstarts und ein noch nie zuvor erprobtes Betankungsmanöver, um das Vehikel flugklar zu bekommen. Zunächst starten mehrere Starship-Tanker in die Erdumlaufbahn um ein weiteres Starship, das Depot, zu betanken. Ist das Depot aufgefüllt folgt das bemannbare lunare Starship. Im Erdorbit findet das Rendezvous mit dem Depot statt, das lunare Starship erhält eine volle Ladung Treibstoff, und begibt sich schließlich auf die translunare Transferbahn. Die Treibstoffzuladung ist so groß, dass damit alle Manöver am Mond bewältigt werden können. Vom Einbremsen in die Mondumlaufbahn, der Landung selbst bis zum Rückstart in den Mondorbit. Auch das Starship kann entweder am Orion-Raumfahrzeug oder an das Mini-Gateway anlegen. Wobei es sich bei der immensen Größe dieses Vehikels eher umgekehrt verhält. Das Gateway und/oder die Orion legen am Starship an. Wie seine Erdorbit-Variante vertraut auch das lunare Starship für größere Geschwindigkeitsänderungen (wie den Einschuss in die lunare Transferbahn oder das Bahnmanöver für das Einschwenken in die Mondumlaufbahn) dem Raptor-Triebwerk von SpaceX. Für die Landung gibt es aber spezielle Raketenmotoren, die nahe der Spitze des Raumfahrzeugs angebracht sind. Damit soll die Staubbildung bei der Landung verringert werden, die sich als eines der größeren Probleme bei der Durchführung einer Mondlandung herausgestellt hat. Diese Starship-Variante ist nicht dafür vorgesehen, wieder auf der Erde zu landen. Stattdessen soll sie in einer Mondumlaufbahn bleiben und dort vielfach wiederverwendbar sein. Das Starship übertrifft alle NASA-Anforderungen um ganze Größenordnungen. Unter anderem hat es eine Nutzlastkapazität für die Landung von etwa 100 Tonnen. Das ist mehr als das Fünffache der Mitwettbewerber.

      SpaceX bot der NASA außerdem einen Testplan an, der sich deutlich von dem der anderen Unternehmen unterscheidet. In einem Zeitraum von nur gut zwei Jahren, bis Ende 2022 will SpaceX eine Flugdemonstration des Starship mit seinem Super Heavy-Booster durchführen, die Wiederverwendung eines bereits geflogenen Starship demonstrieren, einen Treibstofftransfer zwischen zwei Starships im Orbit demonstrieren, eine Langzeitmission mit einem Starship durchführen und einen Flug in den cislunaren Raum. All das, bevor dann Ende 2022 oder Anfang 2023 eine lunare Landedemonstration durchgeführt werden soll. Nicht verwunderlich, dass sich die NASA bei diesen Ankündigungen, die direkt einem Science-Fiction Roman entsprungen zu sein scheinen, skeptisch und verhalten zeigte. Es war aber trotzdem mutig von ihr, SpaceX Fördermittel zu gewähren. Die werden aber tatsächlich nur einige wenige Prozent der Gesamtkosten abdecken. Somit ist das eher ein symbolischer Akt der NASA. Noch gar nicht angesprochen ist eine implizite Möglichkeit dieses Missionsdesigns: Im Prinzip braucht es – in einem nur wenig erweiterten Plan – die Orion gar nicht mehr. Die Starship-Crew könnte genauso gut bereits in der Erdumlaufbahn zusteigen oder überhaupt von der Erde aus mit dem Starship starten. Das Einbeziehen einiger zusätzlicher Elemente, wie ein zusätzliches Erdrückkehr-Starship oder auch nur einfach eine Crew-Kapsel von SpaceX könnte das ganze Szenario mit dem superteuren Orion/SLS-System auflösen. Diese Möglichkeit ist sozusagen der „Elefant im Raum“, den bislang von offizieller Seite noch niemand ansprechen mag.

      Der Weg vorwärts

      Sehen wir von derlei Spekulationen einmal ab und halten uns nur an das, was die NASA gegenwärtig plant. Danach soll im Februar 2021 die endgültige Entscheidung über den oder die Lieferanten des HLS fallen. Dann steht ein administrativer Meilenstein an, der als „Continuity Review“ bezeichnet wird. Eines, wahrscheinlich aber eher zwei Unternehmen werden dann ausgewählt, ein Vehikel für die Durchführung einer unbemannten Demo-Mission zu bauen.

      Aus diesen wahrscheinlich zwei Bewerbern wird nach der Demo-Mission ein einzelner Anbieter ausgewählt, der den Mondlander für die ARTEMIS III-Mission im Jahre 2024 bereitstellt. Also genau das Vehikel, welches die Orion-Crew dann verwendet, um damit zur Mondoberfläche abzusteigen, sich dort etwa eine Woche aufzuhalten und wieder in die Mondumlaufbahn zurückzukehren. Insgesamt will die NASA für das komplette Entwicklungsprogramm des Mondlanders bis Ende 2024 18,4 Milliarden Dollar ausgeben.

      Zum Zeitpunkt, an dem diese Zeilen entstehen, wird am Kennedy Space Center eben die erste Orion für die noch unbemannte ARTEMIS I-Mission vorbereitet. Die SLS-Trägerrakete wird gleichzeitig im Stennis Testzentrum der NASA für den entscheidenden Green Run-Test präpariert. Dabei wird die erste Stufe auf dem Prüfstand für achteinhalb Minuten gefeuert. Danach werden die Testdaten ausgewertet und – sollte der Versuch zufriedenstellend verlaufen sein – die Rakete ebenfalls zum Kennedy Space Center transportiert. Der Start in eine weite Mondumlaufbahn ist derzeit für Ende 2021 vorgesehen. Die Mission wird nach derzeitiger Planung etwa 26 Tage dauern.

      Etwa im August 2023 folgt mit ARTEMIS II die erste bemannte Mission des ARTEMIS-Programms. Sie wird nach gegenwärtiger Planung (Stand September 2020) auf einer sogenannten freien Rückkehrbahn zum Mond und zurück fliegen. Dabei werden vier Astronauten an Bord sein und etwa 10 Tage zusammen an Bord der engen Kapsel verbringen müssen. Dann kommt