Eugen Reichl

SPACE 2021


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derzeit für den Oktober 2024 angesetzt. Sie wird etwa 30 Tage dauern.

      JUICE – Endstation Ganymed

      Von Lampoldshausen ins Mondsystem des Jupiter

      Im Mai 2012 wurde JUICE, der JUpiter ICy Moon Explorer, als erste große Mission im Rahmen des Cosmic Vision Programms der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) ausgewählt. Generelles Ziel des Vorhabens ist Jupiter. Aber nicht nur alleine ihm gilt bei dieser Expedition die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler, mehr noch gilt sie dreien seiner vier großen Monde: Europa, Callisto und vor allen Dingen Ganymed. Aufgabe der Mission ist nichts weniger als die Suche nach einem Ort, an dem in unserem Sonnensystem außerhalb der Erde Leben möglich ist.

      Bereits 2005 wurde der aktuelle Planungszyklus der ESA gestartet, die auf den vorausgegangenen Programmen „Horizon 2000“ (1984 – 1994) und „Horizon 2000 plus“ (1995 – 2004) aufbaut. Nur durch langfristige Planung ist die kontinuierliche Arbeit mit einer großen Anzahl Beteiligter aus den ESA-Mitgliedsstaaten möglich. Das aktuelle Programm trägt den Namen „ESA Cosmic Vision 2015-2025“, und wie seine Vorgänger beschäftigt es sich mit Fragen der Astronomie und Astrophysik, der Erforschung des Sonnensystems und den Grundlagen der Physik. Einer der diesem Programm zugrunde liegenden Gedanken ist es dabei, mit einem Einsatz von nur einem Euro pro Jahr und ESA-Bürger mehr über das Universum zu erfahren und ganz nebenbei die europäische Raumfahrtindustrie auf Weltstandard zu halten. 80 Cent von jedem Euro für dieses Programm gehen dabei an die Industrie. Vier große Fragestellungen bilden die Grundlage der aktuellen Vision: Wie ist das Universum entstanden und woraus besteht es? Welche Rolle spielen dabei die grundlegenden physikalischen Gesetze des Universums? Wie ist unser Sonnensystem aufgebaut? Wie entstehen Planeten und ermöglichen Leben wie wir es kennen?

      Um diesen großen Fragen auf den Grund zu gehen, werden im Cosmic Vision-Programm nach und nach auf der Grundlage von Vorschlägen aus den Mitgliedsstaaten Missionen ausgewählt. Um mit dem diesem Programm zugewiesenen finanziellen Rahmen möglichst viel Wissenschaft betreiben zu können, wechseln sich immer zwei kleine oder mittelgroße mit einer großen Mission ab. Eine kleine Mission ist beispielsweise CHEOPS. Das Akronym steht für CHaracterizing ExOPlanet Satellite und beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit unsere Erde ein typischer Planet ist, oder ob sie vielleicht eine Ausnahme darstellt. Das Antriebssystem für CHEOPS wird übrigens von der ArianeGroup GmbH aus Lampoldshausen geliefert. Eine Mission der mittleren Kategorie ist EUCLID. Auch sie ist mit 20 Newton-Triebwerken aus Lampoldshausen ausgerüstet. Benannt nach dem Mathematiker Euklid von Alexandria wird sich dieses Weltraumteleskop mit der Erforschung von dunkler Energie und Materie befassen. JUICE schließlich ist eine große Mission. Ein Vorhaben, das bei der NASA unter dem Begriff „Flagship-Mission“ laufen würde.

      Die Mission

      Der Jupiter ist der größte Planet unseres Sonnensystems. Ein Gasriese mit fast 80 Monden. Die Erforschung des Jupiters und drei seiner vier großen Monde, nämlich Ganymed, Europa und Callisto wird uns helfen, das komplette System besser zu verstehen. Mit JUICE können wir möglicherweise herausfinden, ob dort einst die Voraussetzungen für das Entstehen von Leben gegeben waren oder vielleicht es sogar heute noch sind. JUICE wird Jupiters große Begleiter miteinander vergleichen und sich gegen Ende seiner Reise insbesondere auf Ganymed konzentrieren. Ganymed ist der größte Mond unseres Sonnensystems. Er ist noch größer als der Planet Merkur. Er verfügt über einen festen und einen flüssigen Kern, ein eigenes Magnetfeld und möglicherweise, aber auch das soll JUICE herausfinden, einen Ozean unter einem etwa 40 Kilometer dicken Eispanzer. JUICE wird das erste Raumfahrzeug überhaupt sein, das auf die Umlaufbahn des Mondes eines anderen Planeten einschwenkt. Eine solche Reise stellt besondere Anforderungen an die Sonde. Vor allem hinsichtlich Energieversorgung, Strahlung, Magnetismus und der „Planetary Protection“. Letztere ist eine Vereinbarung der raumfahrtbetreibenden Nationen, Planeten und Monde, die potentiell Leben tragen könnten, vor biologischer Kontaminierung von der Erde zu schützen.

      JUICE benötigt eine Solarzellenfläche von fast 100 Quadratmetern. Die ist notwendig, um auch am Ende der Mission, weit weg von der Sonne und dem harschen Strahlungsfeld des Jupiters ausgesetzt, noch über genügend Energie zu verfügen. Sie erzeugen auf Höhe der Erdbahn etwa 20 Kilowatt an elektrischer Leistung. In der Umlaufbahn um den Jupiter werden es nur noch 820 Watt sein. Um zum Jupiter zu gelangen, also zu einem der äußeren Planeten unseres Sonnensystems, muss JUICE allerdings zunächst in das innere Sonnensystem fliegen. Es ist nämlich eine Gravitationsunterstützung durch die Planeten Venus, Erde und Mars notwendig. In der Nähe der Venus wird die Sonneneinstrahlung dabei so intensiv, dass die Solarpaneele von unserem Zentralgestirn abgewendet werden müssen, um nicht beschädigt zu werden. Um das hohe Strahlungsniveau im Jupitersystem überleben zu können, werden soweit möglich hoch strahlungsresistente Materialien ausgewählt. Alle sensiblen Bauteile, beispielsweise in der Elektronik, werden mit metallischen Schutzschilden abgeschirmt. Übrigens ist auch eine besondere magnetische Reinheit erforderlich, denn eines der Hauptziele der Mission, die Erforschung der magnetischen Felder im Jupitersystem, kann nur dann erreicht werden, wenn die sensiblen Instrumente nicht durch die eigenen Magnetfelder der Raumsonde gestört werden. Um die möglicherweise „habitablen“ Eismonde vor Viren, Bakterien oder Sporen von der Erde zu schützen erfüllen die Missionspläne die schon erwähnten „Planetary Protection Guidelines“ zu 100 Prozent. Dabei geht es darum, andere Himmelskörper nicht mit biologischem Material von der Erde zu kontaminieren. Wenn wir uns ansehen, welch großen Einfluss vergleichsweise kleine Eingriffe in Ökosysteme auf der Erde haben (denken Sie nur an die ökologischen Schäden die beispielsweise die aus Europa eingeführten Katzen in Australien anrichten, oder die Ziegen auf den Galapagos-Inseln) kann man sich vorstellen, was mit biologischem Material von der Erde auf anderen Planeten und Monden passieren könnte. Dazu kommt, dass künftige Missionen fälschlicherweise Lebensformen finden und dem Planeten (oder in diesem Fall dem Mond) zuordnen könnten, die gar nicht von da stammen, sondern von uns selbst dorthin gebracht wurden. Als wäre das nicht schon Herausforderung genug, spielt auch die Zeit eine entscheidende Rolle. Um die bestmögliche Planetenkonstellation für den Start zu treffen, muss die Mission bereits zehn Jahre nach der Auswahl durch die ESA fliegen. Nur so ist ein maximaler Aufenthalt im Jupitersystem möglich. Für ein derartig großes und komplexes Unterfangen ist das eine enorme Herausforderung. Missionen vergleichbarer Komplexität sind da – angefangen von den ersten Projektstudien bis hin zum Start – durchaus schon mal doppelt so lange in Vorbereitung.

      Die Projektorganisation

      Als Hauptauftragnehmer wählte die ESA für die Realisierung des Projektes Airbus in Toulouse aus, die sich mit ihrem Systemvorschlag gegenüber anderen bedeutenden Mitkonkurrenten durchgesetzt hatte. Der offizielle Programmstart erfolgte im Juli 2015. Danach führte Airbus eine Ausschreibung durch, in dem die Entwicklung und der Bau der Subsysteme ausgeschrieben wurden. Im nachfolgenden Wettbewerb setzten sich neben der ArianeGroup GmbH in Lampoldshausen für das Antriebssystem noch folgende weitere Hauptauftragnehmer durch: Airbus Spanien: Struktur/Abschirmung/Thermal-Design. Airbus in den Niederlanden für die Solargeneratoren. CRISA in Spanien: Elektrik. Antwerp Space: Kommunikation. Airbus Friedrichshafen ist verantwortlich für die Auslegung des elektrischen Systems, die Betreuung der Instrumente und die AIT-Aktivitäten an und mit der Raumsonde (AIT ist die Abkürzung für Assembly Integration & Test).

      Das Angebot der ArianeGroup GmbH in Lampoldshausen für das Antriebs- und Lageregelungssystem wurde vom Hauptauftraggeber am höchsten bewertet. Hier war sicher die jahrzehntelange Expertise in vielen vorangegangenen ESA-Missionen wie Exomars, Herschel/Planck, das Automated Transfer Vehicle (ATV) und das Orion-Antriebsmodul mit ausschlaggebend. Und natürlich das Wissen, dass dort immer ein bisschen mehr möglich gemacht wird als anderswo. Flexibilität ist eine der großen Stärken der Spezialisten im Hardthauser Wald (in dem Lampoldshausen liegt). Somit konnten