Dietrich Schulze-Marmeling

Guardiola


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Trainer des lokalen Klubs Gimnàstic de Manresa, werden auf sein Talent und seine Leidenschaft aufmerksam und nehmen ihn unter ihre Fittiche. Guardiola: „Ohne sie wäre ich nicht geworden, was ich heute bin.“

      Jahrzehnte später, 2007, wird der Verein seines Geburtsortes, der Club de Futbol Santpedor, einen drei Millionen Euro teuren neuen Sportplatz nach dem größten Sohn des Dorfes benennen. Guardiola kommt zur Einweihung. Und mit ihm eine Reihe von Spielern aus Barças legendärem Dream-Team, das 1992 den Europapokal gewann.

      La Masia

      Im Sommer 1971, dem Geburtsjahr Pep Guardiolas, wird der Niederländer Rinus Michels Trainer des FC Barcelona. Michels gilt als Vater des „Fußball total“, mit dem Ajax Amsterdam Anfang der 1970er Jahre Europa erobert und die niederländische Nationalelf – trainiert von Michels – bei der WM 1974 die Fußballwelt zum Staunen bringt. Michels professionalisiert die Jugendausbildung des FC Barcelona. Schon damals entsteht die Idee einer alle Altersklassen integrierenden einheitlichen Spielphilosophie. Michels ist auch der Erste seiner Zunft, der auf kleinen Spielfeldern und mit Mini-Toren trainieren lässt. Die Spieler sollen lernen, auch unter Druck sauber zu passen und schnell und richtig zu handeln. Außerdem übt Michels das Pressen, die Verengung des Raumes für den ballbesitzenden Gegner.

      Ende der 1970er schlägt Johan Cruyff, der von 1973 bis 1978 für den FC Barcelona spielte, dem Barça-Präsidenten Josep Lluis Núñez den Aufbau einer Jugendakademie nach dem Vorbild von Ajax Amsterdam vor. Hauptquartier wird ein an der Avinguda Joan XXIII bzw. im Schatten des Camp-Nou-Stadions gelegenes altes Landhaus (katalanisch: Masia): La Masia. Neben dem monströsen Betonklotz wirkt das 1702 errichtete Gebäude ziemlich aus der Zeit gefallen.

      Während der Bauphase des am 24. September 1957 eröffneten Camp Nou hatte La Masia den Architekten und Ingenieuren als Büro gedient. Im September 1966 zog die Klubverwaltung in das Landhaus ein, aber mit den Jahren wurde das Gebäude für die wachsende Zahl der Angestellten zu klein. Erster Direktor der Nachwuchsakademie wird Oriol Tort. Im Landhaus sind die auswärtigen Jugendlichen untergebracht, und zu ihnen wird auch Pep gehören.

      Bei Gimnàstic de Manresa ist der schlaksige Junge der Beste in seiner Altersklasse. Er spielt mit dem Team wiederholt gegen Barças Nachwuchsteams und fällt dabei den Scouts auf. Dass er im Alter von elf Jahren erstmals zu einem Sichtungstraining eingeladen wird, hat er allerdings einem Alleingang seines Vaters zu verdanken. Valentí Guardiola entdeckt in einer Sportzeitung ein Anmeldeformular für Jugendliche, die sich beim FC Barcelona zum Probetraining vorstellen möchten. Der Sohn wird ohne sein Wissen vom Vater angemeldet. Erst einige Tage später hört Pep, dass der FC Barcelona ihn sehen möchte.

      Im Sichtungstraining wird Pep Guardiola zunächst als Flügelspieler geprüft, eine Position, für die ihm die Voraussetzungen fehlen und auf der er enttäuscht. Der Kandidat ist langsam und kann weder überdurchschnittlich dribbeln noch schießen. Am dritten Tag erhält Guardiola eine weitere Chance im zentralen Mittelfeld, die er zu nutzen weiß. Barça-Scout Jorge Naval, ein ehemaliger Schiedsrichter, sieht einen Jungen, dessen Spielweise „jener eines Engels“ gleicht. Für Akademieleiter Tort ist „das Geheimnis seines Spiels sein Kopf“.

      So wird Guardiola ein Platz in der La Masia angeboten. Aber Vater Valentí und vor allem Mutter Dolors kommen nach gründlichen Überlegungen zu dem Schluss, dass ihr Sohn für den Umzug in die Großstadt und in das Barça-Internat noch zu jung sei. Deshalb wechselt Guardiola erst zwei Jahre später, 1984, in die La Masia. Als der nun 13-Jährige in Barcelona eintrifft, wird hier schon gute Arbeit geleistet, aber ihren überragenden Ruf erhält die Nachwuchsakademie erst Jahre später.

      La Masia hat vier Schlafräume mit jeweils fünf Etagenbetten. Eines davon teilt sich Pep Guardiola mit dem zwei Jahre älteren Tito Vilanova. Der ist ebenfalls Katalane und stammt aus Bellcaire d’Empordà in der an Frankreich angrenzenden Provinz Girona. Der Ort ist ähnlich katalanistisch geprägt wie Peps Heimatdorf Santpedor.

      Aus dem Fenster ihres Zimmers blicken die beiden auf das gewaltige Camp Nou. Den Rasen dieses Fußball-Heiligtums betritt Guardiola erstmals im April 1986 als 15-Jähriger. Es ist das Halbfinale im Europapokal der Landesmeister, und der FC Barcelona spielt gegen den IFK Göteborg. Das Hinspiel in Schweden endete mit einer peinlichen 0:3-Niederlage. Im Rückspiel gewinnt Barça – dank eines Hattricks von „Pichi“ Alonso – mit dem gleichen Resultat und behält auch im notwendigen Elfmeterschießen die Oberhand. 105.000 Zuschauer feiern den nicht mehr für möglich gehaltenen Einzug ins Finale. Der 15-jährige Pep Guardiola ist an diesem Abend Balljunge und stürmt nach dem Abpfiff auf den Platz. Ein Foto zeigt den englischen Barça-Coach Terry Venables, wie ihn die Spieler über den Platz tragen. Im Hintergrund sieht man Guardiola, wie er ehrfürchtig zum Trainer hochblickt.

      Im Finale trifft Barça auf Steaua Bukarest. In Sevilla sehen 70.000 Zuschauer eines der schwächsten Finals der Europapokalgeschichte. Nach torlosen 120 Minuten kommt es erneut zum Elfmeterschießen. Da Barças Schützen gleich viermal versagen, verlassen die Rumänen als Sieger den Platz. Der Europapokal-Komplex der Katalanen, die bis dahin nur die kleineren europäischen Wettbewerbe, den Messepokal (1958, 1960, 1966) und den Europapokal der Pokalsieger (1979, 1982) gewinnen konnten, ist damit perfekt.

      „Cruyffismo“

      In seinen acht Jahren als Trainer des FC Barcelona wird Cruyff insgesamt 29 Spieler aus dem hauseigenen Nachwuchs in die 1. Mannschaft holen. Der Niederländer sucht seine Spieler in erster Linie „nach der fußballerischen, technischen Qualität“ aus. „Ich will 70 Prozent Technik, 30 Prozent Laufen. Heute wird aber zu viel gerannt, deshalb können kleine Mannschaften gegen große gewinnen, zumal den sogenannten Großen dann auch oft noch die Konzentration fehlt.“ Cruyff bevorzugt einen kleinen Kader, was der Trainer Pep Guardiola später übernehmen wird: „Sechs Spieler für drei Plätze sind zu viele, ideal sind vier, um damit den notwendigen Konkurrenzdruck aufzubauen.“ Guardiola wird in seiner Spielphilosophie nicht nur in diesem Punkt sehr stark von Cruyff geprägt werden, daher lohnt sich an dieser Stelle ein näherer Blick auf die Arbeit des niederländischen Trainers in Barcelona.

      Zu einem Zeitpunkt, da noch viele ihre Defensivabteilung aus Haudegen zusammenstellen und die technisch versiertesten Akteure in den Sturm packen, sucht Cruyff auch in der hintersten Reihe Spieler, die mit dem Ball umgehen können. Cruyff: „99 Prozent der Trainer haben einen Arbeiter im Mittelfeld und einen Techniker vorne. Ich stelle einen Techniker ins Mittelfeld und einen technisch guten Läufer nach vorne. Weil man im Mittelfeld mehr Ballkontakte hat. Und in der Abwehr brauche ich Leute, die Fußball spielen und das Spiel aufbauen können.“

      Cruyff lässt nicht klassisch verteidigen. Es geht nicht nur um die Abwehr eines Angriffs, sondern um Balleroberung und darum, umgehend einen Gegenangriff einzuleiten – nicht mittels wild nach vorne gekloppter Bälle, sondern durch eine Abfolge präziser und schnell gespielter kurzer Pässe. Wenn der Gegner früh und massiv presst, darf auch mal ein langer Pass in die Tiefe gespielt werden – aber präzise muss er sein.