Dietrich Schulze-Marmeling

Guardiola


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meinem Sohn über Franco sprechen würdest, wüsste er nicht, wer das ist.“

      Der langjährige Flügelspieler der 1. Mannschaft spricht Spanisch mit katalanischem Akzent. Wenn Rexach redet, vermischt er das Spanische häufig mit dem Katalanischen. Rexach kam als Zwölfjähriger zum FC Barcelona und ist dort – mit der Ausnahme eines zweijährigen Intermezzos als Trainer in der japanischen J-League – immer geblieben: als Spieler (an der Seite von Cruyff), als Scout, als Co-Trainer (u.a. bei Cruyff) und Chefcoach. Eines Tages wird Rexach beim FC Barcelona wie ein Löwe für die Verpflichtung eines gewissen Lionel Messi kämpfen.

      Seinen Jugendspieler Pep Guardiola nennt Rexach ein „muy poca cosa“ (ganz kleines Ding) – aber intelligent. „Obwohl er wirklich klein und dünn war, spielte er mit nur einem Ballkontakt oder meistens auch zwei Ballkontakten. Dies hob ihn über alle anderen in seiner Altersgruppe.“ Guardiola habe weniger selber gespielt, als dass er durch seine Spielweise andere zum Spielen gebracht habe. Und mental sei er noch schneller gewesen als später sein Nachfolger Xavi Hernandez.

      Ohne Cruyff nur dritte Liga

      Als Guardiola Profi wird, ist er mit etwas über 1,80 Metern für spanische Verhältnisse zwar recht groß, aber er bringt nur 70 Kilo auf die Waage. Er ist ein Schlaks mit dünnen Beinen. Seine Mitspieler können kaum glauben, dass er es schaffen wird. Der damalige Keeper und heutige Barça-Sportdirektor Andoni Zubizarreta: „Es war von ihm viel geredet worden. Doch als ich ihn sah, dünn wie er war, dachte ich: Selbst mit noch so viel Muskelaufbau wird er wenig spielen.“ Und Guillermo Amor, ein weiterer Mitspieler Guardiolas: „Man hatte Zweifel, ob er es körperlich schaffen würde. Aber als Fußballer war er so gut, dass man ihm Zeit zur Entwicklung gab.“

      Für Cruyff ist Guardiolas Physis nicht wichtig. Wesentlich sind ihm dessen Spielintelligenz und Technik: „Er erinnerte mich an mich selbst. Wer physisch schwach ist, muss intelligent sein. Man benötigt jede Menge Technik, man muss den Ball schnell bewegen können und Körperkontakt vermeiden. Um diesen zu vermeiden, benötigt man einen Blick für das Spiel. (…) Guardiola hatte ein gutes Auge und eine phantastische Technik. Einen wie ihn musst du als Trainer speziell vorbereiten. Du musst ihm sagen: Du bist nicht laufstark. Also organisiere dich, damit du nicht so viel rennen musst. Die wichtigsten Spieler sind die, die den Ball gut kontrollieren können.“

      Eines der bekanntesten Cruyff’schen Bonmots lautet: „Jeder Nachteil hat einen Vorteil.“ Im Fall von Guardiola bedeutet dies: Weil er langsam und körperlich schwach ist, muss er schneller handeln als andere. Seine Defizite fördern Spielintelligenz und Technik. So lernt Guardiola, einen Fußball zu spielen, der nur seine Stärken zum Vorschein bringt. Rückblickend schreibt Ronald Reng im Sommer 2008 in der „Frankfurter Rundschau“: „Nur in diesem Verein konnte einer wie Guardiola zum Idol werden. (…) Er triumphierte als Mittelfeldspieler mit den Werten Barças: schneller denken, sauberer passen.“

      Fußballkarrieren basieren nicht selten auch auf Zufällen. In den unteren Klassen des Fußballs trifft man immer wieder auf Spieler, die das Zeug zum Profi gehabt hätten, wären sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Manchmal kommt es auf den unmittelbaren Eindruck eines Trainers an. Er sieht bei einem Spieler gewisse Qualitäten, die er schätzt und für sein Team benötigt. Manche Kollegen würden diesen Spieler nicht berücksichtigen, weil für sie seine Schwächen schwerer wiegen als seine Stärken. Ein Trainer, für den ein Spieler vor allem schnell und physisch stark sein muss, hätte in Guardiola nie einen Kandidaten für die höchste Etage des Profifußballs gesehen.

      Guardiolas Rettung und Glück heißt Johan Cruyff, was seine anhaltende tiefe Dankbarkeit gegenüber dem Niederländer erklärt. Für Guardiola war Cruyff, was der Engländer Vic Buckingham und Rinus Michels einst für den Nachwuchsspieler Cruyff gewesen waren. Ein Trainer, der das Talent des Spielers klar identifiziert. Und sich nicht von leicht korrigierbaren oder kompensierbaren Schwächen, konkret: einem Mangel an Kraft und Tempo, irritieren lässt. Cruyff betrachtet Guardiola als Individuum und perspektivisch. Nicht im Kontext eines zum Erfolg verpflichteten Teams, für das Guardiola zum Zeitpunkt seiner Entdeckung eher ein Risiko darstellt.

      Ohne Cruyff wäre das weitere Leben von Pep Guardiola wohl anders verlaufen. Guardiola: „Cruyff hat mich nicht erfunden. Aber er setzte auf mich, glaubte an mich, deutete mit dem Finger auf mich und sagte: ‚Du bist es, den ich will.‘“ Natürlich hätten ihm die Umstände geholfen, habe er Glück gehabt: „Im Team war ein Loch, das gefüllt werden musste. Koeman war verletzt und Guillermo Amor war gesperrt, weil er zu viele Karten kassiert hatte. Und Milla hatte den Klub verlassen. Aber Cruyff glaubte, dass ich es schaffen könnte, und gab mir die Chance. Ich denke, dass eine Menge talentierter Leute es allein deshalb nicht schaffen, weil man ihnen keine Chance gibt. Ich verdanke meine Chance Cruyff. Ohne Cruyff wäre ich ein durchschnittlicher Drittliga-Spieler geworden.“

      Einen auch jenseits des Fußballs interessierten und gebildeten Spieler wie Guardiola wäre dies womöglich zu wenig gewesen, weshalb er seine Schwerpunkte anders gesetzt hätte. Mit der Folge, dass es auch den Startrainer Guardiola nie gegeben hätte. Barça-Biograf Jimmy Burns: „Guardiola verdankte sein Talent der Straße und seinen Ruhm Johan Cruyff.“ Der Profi Guardiola habe ein Buch mit Cruyff-Weisheiten neben seinem Bett liegen gehabt – wie eine Bibel.

      Der Wissbegierige

      In der Saison 1990/91 ist Pep Guardiola fest im Kader der 1. Mannschaft des FC Barcelona integriert. Sein Kumpel Tito Vilanova indes wird den Sprung aus dem B-Team nicht schaffen. Vilanova wechselt 1990 zum Zweitligisten UE Figueres und spielt anschließend, von 1992 bis 1995, für den Erstligisten Celta Vigo, kommt aber in drei Jahren nur auf 26 Einsätze in der Meisterschaft. Anschließend tritt er noch für den RCD Mallorca, UE Lleida und den FC Elche vor den Ball, aber eine erinnerungswürdige Profikarriere ist ihm nicht beschieden. 1998 wird er für Lleida gegen seinen alten Klub auflaufen. Im katalanischen Pokal gewinnt Barça 2:1, für den Underdog trifft Vilanova.

      Während der Zeit als Spieler von Barça-B hat Guardiola sein Abitur bestanden. Thema seiner Abschlussarbeit war der deutsche Philosoph und Aufklärer Immanuel Kant. Cathrin Gilbert in einem Porträt des „Philosophen“ Guardiola in der „Zeit“: „Er erläuterte, warum ihn die Rolle der Vaterfigur, die von der reinen Vernunft infrage gestellt wird, so sehr interessiere. ‚Sehr gut‘, befanden die Prüfer.“ Anschließend begann Guardiola zunächst, Jura zu studieren: „Ich möchte mein Hirn nicht nur in den Füßen haben.“ Nun aber, als Profi, schmeißt er das Studium.

      Auf Geheiß von Cruyff nimmt Ronald Koeman den Neuling unter seine Fittiche. Koeman: „Als Cruyff Pep in die Mannschaft brachte, sagte er zu mir: ‚Du wirst dich um den Jungen kümmern. Du wirst sein Tutor sein. Du wirst ihn entwickeln und ihm den niederländischen Fußballstil beibringen. Von jetzt an ist er dein Zimmergenosse.‘“ Eine gute Entscheidung, denn Guardiola bewundert den fast acht Jahre älteren Niederländer, der 1988 mit dem PSV Eindhoven den Europapokal der Landesmeister und anschließend mit der Elftal die Europameisterschaft gewonnen hat: „Er war einer der ersten Zentralverteidiger, die mehr als nur Abwehrspieler waren. Und er konnte Finals spielen, als ob es Freundschaftsspiele seien. Er konnte Drucksituationen großartig überwinden.“

      Koeman schwärmt vom Wissensdurst des jungen Mitspielers: „Pep war fantastisch. Er war begierig zu lernen, er wollte alles wissen. Von Anfang an fragte er mich alles über Ajax und die Ajax-Jugendakademie. Er sagte: ‚Ronald, wie trainieren sie? Was machen sie? Wie spielen sie?‘ Er wollte alles über die niederländische Fußballschule wissen. Mehr als irgendein anderer Spieler wollte er über den One-touch-Fußball erfahren und über das Positionsspiel. Er hatte einen unstillbaren Hunger nach Informationen und ein massives Interesse am Spiel. Wir verbrachten viele Stunden damit, über Fußball zu reden.“

      Ähnliche Eindrücke hat Ronald de Boer, der mit Guardiola in Barcelona und in Katar spielte: „Pep liebte den niederländischen Fußball. Er sprach ständig über totaal voetbal, über Angriffspressing, über das, was Johan ihn gelehrt hatte, und über niederländische Spieler.“ Guardiola bekennt später: „Ajax ist das Team gewesen, von dem ich am meisten gelernt habe. Sie spielten großen Fußball im Kollektiv. Ballbesitz war