Hans Leip

Die unaufhörliche Gartenlust


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      Hans Leip

      Die unaufhörliche Gartenlust

      Ein Brevier der Hamburger Gartenkultur und Gartenkünste seit Karl dem Großen

      Saga

      Für freundliche Hinweise ist der Verfasser dem Staatsarchiv und der Staats- und Universitätsbibliothek, den Damen Alma de l’Aigle und Irmgard Genthe und den Herren Dr. jur. Erwin Garvens, Louis C. Jakob, Prof. Dr. W. Mevius, Staatssekretär K. Passarge, Gartenbauarchitekt Plomin, Baurat Ramcke und Franz Schilling zu Dank verpflichtet.

      Komm,

      süße

      Gartenlust,

      mit deinen Freuden

      tränk mich, entfremdete Natur!

      *

      Das Wunderbarste

      Alles Wunderbare dieser Welt verblaßt neben dem Vormarsch des Lieblichen, neben der unaufhaltsamen, stillen, gewaltlosen Ausbreitung der Gärten.

      Auch die Technik ist wunderbar, aber sie ist ein Vamp, so blendend als oberflächlich, so kostspielig als gefährlich. Man sagt, die Seele verhungert dabei. Aber die Gärten werden die Seele nähren. Denn die Urspeise der Natur ist den meisten von uns entrückt, so weit wie das Paradies. Und bedeutet Paradies fürs Abendland den himmlischen Garten, so ist der irdische die Vorstufe dazu.

      Die ersten Hamburger Gärtnerinnen

      Die erste gärtnerische Tat zu Hamburg geistert im Nebel der Frühzeit. Als Carolus magnus in den Ring- und Fluchtwall der Gegend, die Hammaburg, Besatzung und Kapelle legte, war den alten Göttern nicht wohl. Die Alfen, die munteren pferdefüßigen Begleiterinnen des Wolkenjägers Wotan, gedachten, den fremden Göttern aus Morgenland Schach zu bieten, und so säten sie auf die Werder zwischen Elbe und Alster die Schachblume. Mag sein, daß darum das Christentum nie recht über die Niederelbe gedrungen ist.

      Die Alfen haben sich danach in die Bäume verzogen. Man klopft heute noch dreimal an Holz, wenn man sie, heidnischerweise, zu Hilfe ruft. Und wenn der Alte sie zur Wintersonnenwende in die Stadt bringt, so merkt man, es hat das Licht vom Baum der Erkenntnis allein nie gereicht in Nordalbingien, die Sonne Jahr für Jahr noch einmal zur Umkehr zu bewegen. Und fragt ein Frommer ein Hamburger Kind: Was hat dir denn heuer das Christkind gebracht? so wird es zumeist antworten: Bei uns kommt nur der Weihnachtsmann.

      Baum

      und Frucht

      und Kerzen:

      Von Urwelt schauern

      die nüchternen Mauern der Stadt.

      *

      Dennoch die Mönche

      Aurelius Augustinus soll an verschiedenen Orten zwischen Karthago und Mailand einen Garten besessen und geliebt haben, der dem fränkischen Hofe vorgeschwebt haben muß, als von dort etwa 785 die berühmte Verordnung für die Meierhöfe und auch geistlichen Gutsbetriebe, das Capitulare de villis, die gärtnerische Entwicklung diesseits der Alpen einleitete. Es war dabei nicht an Ziergärten gedacht. Alle Gärten waren zuerst Arzneigärten, und was uns heute zu seelischer Stärkung erfreut, Rosen, Iris und Lilien, Ringelblume und Gretl im Busch, es gehörte anfangs wie Malve, Veilchen und Mohn, Salbei, Raute, Diptam, Liebstöckel, Majoran, Thymian und Knoblauch in den Bereich der körperlichen Heilspflege.

      Schon um 900 hatten sowohl in St. Gallen als Winchester die Klöster ihr „Sakristansgärtlein“, bei den Karthäusern gab es eigene Zellengärtlein, die Benektiner brauten einen Magentropfen aus neunerlei Kräutern, und von den Mönchen lernten die Schloßfrauen, in einer Ecke des Burghofs die Grundlagen zu ziehen für Salben, Heiltränke und Pflaster, die bei dem robusten Handwerk ihrer Männer unentbehrlich waren.

      Und zu Bingen, um 1150, die Äbtissin Hildegard, die klügste Frau ihres Jahrhunderts und von allen Musen gesegnet, dazu die erste deutsche Naturforscherin und Ärztin, beschrieb in ihrer „Physica“ schon Akelei, Alpenveilchen, Christrose, Königskerze, Lupine, Pfingstrose und Primel.

      In unseren Gefilden aber verzweifelte, hundert Jahre vor ihr, der große Adalbert, der ein Papsttum des Nordens aufzurichten gedachte, am Klima. Er hatte allerdings vor, auf dem Süllberg, dieser alten Meeresdüne zu Blankenese, nicht nur Burg und Kloster, sondern auch einen Rebgarten anzulegen, um den Abendmahlswein selber zu züchten.

      Warum keltern?

      Bis ins neunzehnte Jahrhundert hat man Erzbischof Adalberts Bemühungen in unserer Gegend fortgesetzt, so bei Winsen und bei Hitzacker, wo der Indienfahrer Schultz um 1800 einen Weinberg bestellte, der heute noch so heißt, aber nur Mineralwasser liefert.

      Der Wein, der elblängs gekeltert wurde, war selbst für Altar- und Gemeindekelch zu sauer. Für die Tafel bezog man ihn sowieso von auswärts, gelegentlich sogar aus Brandenburg, lieber aber vom Rhein. Später schätzte der Hamburger von Gewicht den Burgunder am meisten. Bei den Damen aber genoß jahrhundertelang der über England bezogene griechische Malmesy oder Malvasier den Vorzug.

      Noch heute rankt zwischen Lokstedt und Wittenbergen über die Südwand manchen Landhauses echter Wein aus betagten Stöcken, und zumal die Kinder wissen um den Wohlgeschmack der hellen Magdalenentraube. Gärtnerische Züchtung hat auch die sogenannte frühe blaugrüne Leipziger für unsere Luft- und Bodenverhältnisse geeignet gemacht, eine Traube, die bei uns fast ausreift und, von der Hand in den Mund genossen, die Umstände der Winzerei überflüssig macht und dennoch Gaumen und Herz erheitert.

      Wie denn sogar auf der Hamburger Insel Neuwerk in der Elbmündung der Weinstock am Schulhaus seit zwanzig Jahren eine Fülle eßbarer Trauben zeitigt.

      Graf Clancarty

      Auch dort, wo später das berühmte Weinlokal Rainville stand, schräg gegenüber Klopstocks Grab am Altonaer Ufer, befand sich in alter Zeit ein Weinberg. Der Name haftete dem Grundstück noch an, als 1702 der abenteuerliche Earl of Clancarty es für 750 Taler erwarb. Er hatte als Vasall Jakobs II. in den britischen Glaubenskämpfen Vermögen und Freiheit eingebüßt und war zur Emigration begnadigt worden. Er gedachte, mit seiner ihm treu gefolgten schönen Frau, Lady Spenser, am Elbhang Rosen zu züchten.

      Aber bald scheinen ihn die Blumen des Hamburger Berges zu St. Pauli auf Abwege verlockt zu haben. Statt mit den englischen Widersachern schlug er sich nun mit Weinrechnungen und Alimentationsklagen herum, verkaufte den Besitz schon nach einem Jahre und verzog sich in ein abgelegenes dürftiges Haus bei Wittenbergen. Von dort trieb er eine Zeitlang ganz gewöhnliche Strandräuberei, sein Leben zu fristen und auch, weil er viel anderes nicht gelernt hatte.

      Über den Ausgang seines Schicksals ist nichts bekannt. Seine Frau hatte ihn anscheinend verlassen. 1850 sah ein Blankeneser Fischer vom Ufer aus in der Dämmerung einen Fremden an Bord seines Ewers. Er rief ihn an, aber der, altmodisch gekleidet und mit wilden Augen, zückte ein Pistol, sprang von Deck des ankernden Fahrzeugs und kam auf den Erschrockenen zu, Petrus gleich übers Wasser wandelnd, zerging aber, ehe er den Strand erreicht, wie Tabaksqualm.

      Mag sein, daß es der Geist Clancartys war und daß er, von handfesten Wahrern ihres Eigentums erledigt, unter den Hügeln dort verscharrt liegt.

      Wein,

      o Glut

      aus Kelter

      und Keller erquält:

      Süße und Qual einst du im Rausch.

      Maulbeeren

      Ähnlich wie mit dem Wein erging es mit den schwarzen, auch weißen Maulbeeren, die hier so schlecht nicht gediehen. Die Bäume sind als stattliche Exemplare im ganzen Hamburger Gebiet anzutreffen. Aber man wollte Seidenraupen mit den Blättern füttern, und solches wurde noch um 1800 auf den kaufherrlichen Landsitzen in Hamm und Horn und an der Elbe gleich nach dem Frühstück vom Hausherrn als ein Sport betrieben.

      Doch an der Küste wird Seemannsgarn und keine Seide