Hans Leip

Die unaufhörliche Gartenlust


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wurden vors Tor geschafft und unweit der Bastion Sternschanze in ein Massengrab gehäuft. Auf dem Hügel, der sich darüber wölbte, dem Pestberg, weideten später die Gemsen des Zoologischen Gartens. Und zur Belustigung des Publikums wurde dort ein Ruinenturm errichtet, der an seinem Fuße auch die Bärenzwinger barg. Viele Hamburger Kinder haben dort das Gruseln gelernt, und auch ich. In Mauerlöchern hinter Gittern hockten Uhus und Eulen wie die Seelen derer, die in den unzureichenden Verhältnissen der Stadt umgekommen waren.

      Als der Zoo der Konkurrenz des Tierparks Hagenbeck erlag, wurde die baufällige Eulenburg abgebrochen. Das Gefilde der Planten un Blomen bezog den Hügel in seinen Lustbereich. Es war geplant, dort ein neues Wahrzeichen Hamburgs, eine Ehrensäule probeweise aufzubauen und sie später der Neugestaltung des Jungfemstiegs einzufügen. Der Bildhauer Edwin Scharff, der im Norden heimisch gewordene Schwabe – dem als einzigem aller Siedler zu Kämpen auf Sylt gelang, dem Meerwind einen hübschen Garten abzutrotzen –, hätte auch sicher hier Ungewöhnliches vollbracht. Statt dessen wird ein Reklameturm der Firma Philips den Berg zieren und, ähnlich wie in Barockgärten, der Aussicht über das Gefilde dienen. Seine pagodischen Licht-Etagen atmen wiederum den Hauch Fernost, der Europa befruchtet. Und es paßt dazu, daß Alfred Koehn, der zu Kioto zum Blumenzauberer geweihte Deutsche, und der Japaner Yuji Yoshimura auf dem Gelände „Ikebana“ und „Bonsai“ lehren werden, die Künste, Blumen zusammenzustellen und Zwergbäume zu züchten.

      Aus solchem weitsichtigen und sanften Fluidum sich erneuend, möge das geplante Sinnbild der Stadt – denn der Granitriese mit dem bloßen Schwert auf der Bastion Casparus ist es nicht – endlich mit den aus Furcht und Anmaßung geborenen Wappenlöwen, Adlern und verschlossenen Wehrtürmen aufräumen. Möge etwas Gemäßeres erkoren werden, etwas Freundlicheres, etwas, das einladend und dankenswert ist in dieser offenen und vom Meere genährten Siedlung, etwas, das den Acker der See und das Füllhorn des Stromes preist, also etwa eine Meergöttin. Den Neptunus hat uns München höchst gewaltig in seinem alten Botanischen Garten schon vorausgenommen, und der Kentaurenbrunnen zu Altona huldigt mehr der Gier als der empfehlenswerten Anmut.

      Laßt uns denn, öffentlich oder nicht, ein rechtes Meermädchen zur Stadtheiligen erwählen, eine schöne Meeresgärtnerin, eine Santa Cathrin, deren Marterrad die Folklore längst zum Steuerrad umgedeutet. Diese nicht nur alexandrinische Hafenheilige des Novembernebels ist allen Philosophen zugeboren und damit allen Seeleuten. Ihr würde gewiß die endgültige Entsühnung des Pesthügels gelingen, darunter Arm und Reich, Jud und Christ in der Demokratie des Todes und der Internationalität eines wahren Welthafens ruhen, und ihr wohl auch die endgültige Weihe des Jungfernstiegs, ihr, der Hamburger Meerfrau, die ein Schiff in Händen hegt, wie denn solche, wenn auch noch unvollkommen, den Hapagpavillon krönt.

      See,

      Elbstrom,

      weite Welt.

      Da spinnt die Meerfei

      ihr Takelgarn um Schiff und Stadt.

      Vom Nutzen zur Zier

      Man kann nicht sagen, der Nutzen gehöre in Hamburg nicht zum Gebiet der Lust, indes Schmuck und Zier, wenigstens für den Mann, mehr zum Etat der Lasten zählen. Selbst bei den Gärten, die vom Kohl- zum Blumenhof und „Lustquartier“ sich entwickelten, war der Begriff Lust oft nur ein fraglicher.

      Wohlstand will Luxus und Luxus will Beachtung; der Garten ist die Folie, Anlage und Seltenheiten erregen das Erstaunen der Gäste. Aber die Geselligkeit spielt sich in den Zimmern ab. Verstohlen ein Liebespaar nur sucht den Schirm der Hecken oder des Pavillons. Und Kinder, steif eingepackt wie die Erwachsenen, trippeln, gartenhungrig wie alle Kinder zu allen Zeiten, zwischen den Zirkelbeeten, bald vom Gärtner verscheucht, der, meistens vom Ausland her verpflichtet, sich vom Pflanzer und Züchter zum Kunstgärtner wandelt und beflissen über die geschniegelte Architektur seiner Tätigkeit wacht. Den Garten besah man am besten von hoher Warte aus, oder noch besser auf dem Papier, um die Verzwicktheit der Anlage recht zu überschauen.

      Der Privatgarten zu Hamburg war eigentlich bis zur letzten Jahrhundertwende ein so gültiger Maßstab für die Kreditfähigkeit eines Mannes wie sein Warenlager oder seine Geschäftsverbindungen. Und war er meistens auch nur zum Ansehen da, so verbürgte er doch auch das persönliche Ansehen, nämlich das, was die andern in einem sahen.

      Zweck,

      Nutzen

      und Gewinn,

      wer vermag es klar

      zu errechnen? Nichts ist gewiß.

      *

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