eßbaren, doch nur matt aromatischen Maulbeerfrüchte des morus nigra hier kaum von den Hausfrauen begehrt und werden zumeist den Drosseln überlassen.
Ein erster Obstgarten
Der erste Baumgarten zu Hamburg wird in einer Urkunde des Jahres 1331 erwähnt. Da schenkte der Graf von Holstein-Stormarn den Blauen Schwestern, den Beginen in der Steinstraße gegenüber St. Jakobi, ein Pomarium, einen Apfelgarten. Es war eine wohlfeile Zeit, fünfzehn Eier kosteten einen Pfennig, das Pfund Butter zwei, und es mag sein, daß die Stämmchen, obwohl nicht in Holstein gewachsen, erschwinglich waren. Man bezog sie gern von der Saale, wo die Zisterzienser auf dem Klostergute Borsendorf eine treffliche Sorte gezüchtet hatten.
Dieser Borsdorfer wurde durch das ganze Mittelalter wegen seiner Heilkräfte und seines Aussehens und süßsäuerlichen Geschmacks gepriesen. Die Vierlande hatten jährlich den Hamburger und Lübecker Rat damit zu versorgen. Man trifft ihn um Curslack heute noch an. Ihn seiner jetzigen unzweifelhaften Verkümmerung zu entzüchten, wäre ein Verdienst.
Nahrhaft und heilsam
Die beiden Begriffe nahrhaft und heilsam, seit Urzeiten untrennbar, fielen im Mittelalter auseinander, als sozusagen die Arbeitsteilung auch darin begann. Man überließ dem Ackerbau das Nahrhafte: Getreide, Rüben, Puffbohnen und Erbsen.
Seinen Kohl, als damalige sättigende Unterlage der Hauptmahlzeit, baute der Kleinbürger vorerst noch selber und zog in den Kohlhöfen auch noch ein paar Möhren, Zwiebeln und Rettiche als Zukost für Fleisch und Fisch der Feiertage. Die zahlreichen und zugleich heilsamen Würzkräuter, die Ludwig der Fromme in jenem Capitulare noch als Kronprinz empfohlen, und die man von den Klöstern „gelernt“, darunter auch Dill, Melisse, Ysop, Rosmarin, Safran und Lavendel verschwanden, bis auf ein bißchen Petersilie, nach und nach, zumal allhier nach der Reformation in der Ablehnung alles Mönchischen, und wurden durch ausländische Gewürze ersetzt. Die Bequemen begnügen sich bis heute mit Salz, Pfeffer und Senf.
Aus den Kreuzgärten war aber manches in den Bauergarten gewandert und hat sich dort, ungestörter als in den Städten, bis in unsere Tage erhalten.
Das medizinische Geschäft wurde von Laien aufgenommen. Der Arzneikrämer kam auf, der Vorläufer des Apothekers.
Kraut
und Blatt
sind dir gut;
nicht Sud noch Pulver
wirkt gleich gesprossener Urkraft.
Aloe bis Zitwersamen
Die erste Nachricht über einen Hamburger Garten – ein halbes Jahrhundert vor dem Beginengarten – rührt nicht aus dem Gebiete der Lust, sondern des Leidens her. Ende 1200 besaß der am Neß (auf dem Nesse) wohnende Arzneikrämer einen Kräutergarten am östlichen Ende der nachmaligen Reichenstraße. Man weiß nichts Näheres darüber. Aber benutzte Gründe zeugen lange Wirksamkeiten. Auf dem alten Heilkräuterboden erhob sich später in unbewußter, aber magischer Verknüpfung die Fischmarkt-Apotheke. Und der Besitzer derselben sammelte, allerdings in privater Officin, die sonderlichen, krautig gezeichneten Blätter des Meisters Kubin, deren seelische Arzneikraft unbestreitbar ist.
Wo heute die Alsterarkaden sich erheben, befand sich seit dem freundlichen Jahre 1430 – als der Zentner Speck sieben Schillinge kostete – ein weiterer Apothekergarten. Der Besitzer trug den klangvollen Namen Caspar de Gota, und auch sein Nachfolger Hinrigk von Dalem erscheint von auswärts gekommen zu sein wie so manches Tüchtige zu Hamburg. Hundert Jahre später vergrößerte der „um das Gemeinwohl“ sehr verdiente festangestellte Ratsapotheker Dr. med. Veit Scharp diesen Garten. Aber wegen drohender Kriegsgefahr fiel der Platz Schanzbefestigungen zum Opfer. Seine berühmte Zucht an Teekräutern mag in geheimnisvoller Verbindung stehen zu den exotisch erlesenen Düften, die dort heute dem „Haus des Ostens“ enthauchen. Von dort aus geschah auch die sommerliche Umrandung der Kleinen Alster mit Blumenkästen, wodurch denn das finster würdige Rathaus angeregt ward, sich auch mit einer Blumenzeile zu schmücken.
Der Garten wurde dann zwischen die nachmalige Fuhlentwiete und die Hohen Bleichen verlegt und war dazu da – wie Syndikus Klefeker 1773 berichtete –, „diejenigen Kräuter und Vegetabilien zu liefern, welche die Herren Physici und der Ratsapotheker für unentbehrlich halten“. Neun Jahre danach aber wurde diese wichtige Staatsanlage aufgegeben, die Pflanzen samt einer noch seltenen blühenden Aloe versteigert und das Gelände privaten Bauzwecken überlassen.
Nonnengarten
Das einzige Nonnenkloster zu Hamburg wurde um 1250 am Elbstrand nahe der Altonaer Grenze beim Dorfe Herwardeshude gegründet. Eine Sturmflut verschlang das Dorf, und die Zisterzienserinnen sahen sich genötigt, wegen Hochwasser und gelegentlicher Piratenüberfälle Gebäude und Gärten zu verlegen. Mitsamt dem Dorfnamen zogen sie an die Alster dorthin, wo die Gegend heute noch Harvestehude heißt. Auch die Bezeichnungen mancher Straßen weisen darauf hin.
Durch die Reformation wurde die Unantastbarkeit geistiger Zurückgezogenheit unmodern. Die Klosterfrauen aber weigerten sich, ihr Paradies zu verlassen. Die Stadt erzwang den Auszug und ließ, in Sorge, es könne dort ein Verbotenes weiterblühen, Gebäude und Garten zerstören.
Nur ein paar Eichen entgingen der Vernichtung. Sie sind an siebenhundert Jahre alt und erfreuen uns noch, einbezogen in die Öffentlichen Gartenanlagen, die, obwohl jedermann zugänglich, einen Hauch Abseitigkeit bewahrt haben.
Schwieg
der Chor
der Nonnen?
Horch, in den Eichen
seufzt noch ihr: Veni dominus!
*
Sternenbildnisse
Es liegt nahe, Blumen als Bildnisse von Gestirnen aufzufassen. Daß die Sonne dabei am meisten porträtiert wird, zumal in den gemäßigten Zonen, liegt an der Sonnenbedeutung. So gleicht eine Wiese voller Löwenzahn einer Stadt, die das Bild des besuchenden Landesvaters oder des zu feiernden Kirchenpatrons in alle Fenster stellt. Um danach zur Zeit der gläsern schillernden Samenbälle nicht weniger dem bleichen Vollmonde oder gar der erkaltenden Erde zu huldigen.
Der gewaltige Versuch der Sonnenblume ähnelt den Künsten der Kinder und Heraldiker, das große Himmelsfeuer wiederzugeben, und auch den Georginen und Chrysanthemen wie überhaupt den Korbblütlern gebührt ein hoher Rang der Nachahmenskraft und Vasallenfreude.
Die Doldengewächse scheinen breitere Aufgaben zu bevorzugen, und wenn Jean Giono gelegentlich eine wilde Möhrenblüte dem Orion vergleicht, so ist damit eine Skala berührt, die auszubauen jedermann mit Einfalt und Phantasie zugelassen ist. Scheinen Seidenmohn, Verbenen, Gladiolen, gewisse Nelken und die Kalla mehr vom Gewölk und den Beleuchtungseffekten des Firmamentes widerzustrahlen, so liegt es nahe, die Schmetterlingsblüten als Hymnen auf die Mond- oder Venusphasen, die Akelei als jupiterisch mondhornbezipfelt, einen Pulk Vergißmeinnicht den Plejaden geneigt und die Kirschblüte des Alten Landes – der Hamburger Obstkammer – als Spiegel der Milchstraße aufzufassen, die Rose aber mit Dante als Abbild und Offenbarung des Alls.
Zwischen Tau und Strick
Das an der Elbe von den Nonnen verlassene Gebiet fiel der Welt anheim. Eine Weile drehten dort die Reepschläger Schiffstauwerk, diese Umwandler zarter Pflanzenfasern. Sie hatten ein frommes Handwerk ausgeübt; was sie schufen, diente zu stützen und zu halten, mastauf und himmelan und hin und her und hinab in die undurchsichtige Tiefe, nicht unähnlich den Gebeten und Hymnen der Bräute Christi, und die Seilererzeugnisse dienten den Schiffen und Fuhrwerken, den Speichern und Gärtnereien, der Gürtung der Asketen und auch dem Amte der Schergen und Henker in der Sicherung dessen, was man gut und recht nannte.
Doch auch die Reepschläger blieben nicht. Um ihre Reeperbahnen herum erhob sich die wachsende Stadt, und der wachsende Hafen brach herein, verkappt piratisch mit den Begierden des Matrosen, der aus der Klausur des Bordlebens ausbricht und die Atmosphäre einstiger Askese allhier zum