Hand.
„Nope, dieses Mal ziehen wir es durch.“ Sie packte eine Harke und schüttelte sie energisch. „Wir haben das schon viel zu oft aufgeschoben.“
Hannes warf Greta einen Blick zu, und sie trat vor. „Mama, bitte. Alle treffen sich heute bei Annika. Ihre Eltern stellen den Rasensprenger auf.“
„Wenn ihr euch anstrengt, könnt ihr später noch hin. Aber erst verlegen wir diese Gießanlage. Der Karton steht schon seit Wochen im Flur, den will ich jetzt da weg haben. Apropos, Greta – hol ihn mal.“
„Oh Mann“, maulte Hannes.
Greta ergab sich und ging zurück ins Haus, um den Karton in den Vorgarten zu tragen. Auf seiner Vorderseite waren zwei lächelnde Frauen in einem sorgfältig arrangierten Blütenmeer abgebildet. Sie hüpfte die Vordertreppe hinunter und stellte den Karton bei ihrer Mutter ab.
„Wie funktioniert das eigentlich?“
Ihre Mutter hob den Karton auf und studierte die Rückseite.
„Im Grunde ist das einfach ein Schlauch. Wir schließen den hier an den Hahn an“, fasste sie die Anleitung zusammen und deutete vage in die Richtung des Wasserhahns.
„Dann legen wir ihn unter dem Mulch durch den Vorgarten und machen bei jeder Pflanze so eine kleine Abzweigung mit Ventil dran. Wenn man dann den Hahn aufdreht, kriegen die Pflanzen durch die Ventile Wasser.“ Sie strahlte. „Und dann muss ich nie wieder ewig mit dem Schlauch in der Hand hier draußen rumstehen.“
Greta kicherte.
„Lach du nur“, sagte ihre Mutter. „Das ist auch in deinem Sinne. Und in deinem, Hannes. Papa hatte die Idee, dass ihr diese Aufgabe übernehmen könntet. Ich konnte ihn dann doch von der Anlage hier überzeugen.“
„Tausend Dank“, seufzte Hannes erleichtert.
„Gern geschehen.“ Ihre Mutter klatschte in die Hände. „Und jetzt legen wir los! Ich markiere, wo der Schlauch langlaufen soll, und ihr grabt dort dann den Rindenmulch auf. Aber nur bis zum Vlies runter. Hopphopp!“
Greta und Hannes schafften es an diesem Tag nicht mehr zu ihren Freunden, denn der Aufbau der Gießanlage war aufwändiger, als gedacht. Die Anleitung war unnötig kryptisch und der Hauptschlauch, von dem später dünnere Schläuche zu den einzelnen Pflanzen abgingen, erwies sich als sehr störrisch. Sobald sie einen Teil erfolgreich unter dem Rindenmulch verborgen hatten, schnellte ein anderer Teil wieder daraus hervor. Verschwitzt und mit Rindenstückchen in den Haaren machten sie eine Pause, in der ihre Mutter Sprudel mit frisch gepresstem Zitronensaft und Eiswürfeln servierte. Das schmeckte herrlich. Als sie später den Wasserhahn zum ersten Mal testweise aufdrehten, hatten sie den Schlauch offenbar nicht ordentlich angeschlossen – er löste sich halb und Wasser spritzte überraschend in alle Richtungen. Hannes und Greta jubelten und kreischten und nutzten die Gelegenheit, sich abzukühlen.
Ihre Mutter setzte sich lachend auf die Vordertreppe. „Schon wieder eine Pause, Mama?“, neckte Hannes sie und versuchte, Wassertropfen in ihre Richtung zu schnippen. Sie war leider ein bisschen zu weit weg.
Ihre Mutter wischte sich mit dem Handrücken ein paar Schweißtropfen von der Stirn. „Ich weiß auch nicht, was los ist – ich glaub, ich werd alt.“
Greta fiel auf, wie blass sie war. Wie müde ihre Augen aussahen. Und dass sie sich heute wirklich oft zum Ausruhen hingesetzt hatte.
Da packte Hannes sie am Handgelenk und versuchte, sie in den immer noch unkontrolliert aus dem Schlauchanschluss herausschießenden Wasserstrahl zu ziehen, und sie dachte nicht weiter darüber nach …
Irgendwo knallte eine Autotür zu und riss Greta aus ihrer Erinnerung. Sie zuckte zusammen und sah sich erschrocken um. Ihr wurde klar, dass sie einem Tagtraum nachgehangen hatte. Entschlossen stieg sie die wenigen Stufen zur Haustür hinauf, steckte ihren Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum. „Hallo?“, rief sie, als sie in den Windfang trat, die Sandalen abstreifte und in ihre bequemen Hausschuhe schlüpfte. „Papa?“
Sie fand ihn in der Küche, wo er an dem kleinen Tisch saß. Zwischen den darauf verstreuten Papieren stand eine Tasse mit dem Rest seines kalten Kaffees.
Ihr Vater blickte auf. „Hey Girl“, sagte er mit einem schwachen Lächeln.
„Hallo.“ Sie musterte ihn, die dunklen Schatten unter seinen Augen, die dünnen Lippen. Er sah entsetzlich müde aus.
„Hast du schon zu Mittag gegessen?“, fragte sie, als ihr klar wurde, dass es an ihr war, ein Gespräch in Gang zu halten.
„Nein“, antwortete er und rieb sich mit den Handflächen über das Gesicht. „Wie spät ist es?“
„Na, halb drei“, lachte sie. „Schule ist aus. Lass mich raten: Du hast bestimmt auch nichts gefrühstückt.“
„Ich hab mir den gemacht“, sagte er beinahe entschuldigend und deutete auf die Kaffeetasse. Er wollte danach greifen, aber sie kam ihm zuvor.
„Lass, der ist kalt. Ich mach dir neuen. Wie wär’s: Ich kann uns auch Spinat und Spiegelei machen. Und Kartoffeln.“ Sie sah auf die Uhr an der Wand. „Bis Hannes kommt, ist alles fertig.“
„Das wäre toll. Danke, großes Mädchen.“
Greta lächelte stolz, während sie geschäftig Schränke und Schubladen öffnete, Pfanne und Pfannenwender herausnahm und einen Topf mit Wasser füllte. Sie gab Salz hinein und stellte ihn auf den Herd. Dann ließ sie Wasser in den Wasserkocher laufen und nahm das Glas mit dem Instantkaffee aus dem Regal.
„Darf ich?“, fragte sie, und als ihr Vater nickte, begann sie, die Papiere vorsichtig vom Küchentisch in die Durchreiche umzusiedeln. „Damit sie nicht schmutzig werden“, erklärte sie, als habe er gefragt. Verstohlen las sie ein paar wenige Zeilen auf verschiedenen Papieren. Absage, stand dort. Oder: Rechnung. Mahnung.
Sie presste die Lippen zusammen. Also dann, zurück ans Werk. Sie würde sich Mühe geben, besonders gute Spiegeleier zuzubereiten.
Kapitel 2
Als der Streit im Erdgeschoss begann, saß Greta gerade in ihrem Zimmer am Schreibtisch an ihren Hausaufgaben für Mathe. Zahlen und Formeln begeisterten sie zwar nicht sonderlich, aber das machte sie mit Hartnäckigkeit wieder wett. Ausdauer zahlte sich in der Schule eigentlich immer aus. In manchen Fächern fiel es nur schwerer, dranzubleiben. Sie ließ ihren Stift sinken, als sie Hannes’ Wutschrei hörte. Gleich darauf brüllte ihr Vater etwas Unverständliches.
Oh nein, dachte sie.
Es war jetzt einige Zeit gut gegangen. Bis vor ein paar Wochen war kein Tag vergangen ohne einen gewaltigen Krach zwischen Hannes und ihrem Vater. Greta war auf Zehenspitzen durch das Haus geschlichen und hatte versucht, beide bei guter Laune zu halten. Leider war ihr das nur selten gelungen. Bei jeder Auseinandersetzung hatte sie zu vermitteln versucht, mit wenig bis gar keinem Erfolg.
Sie stand auf und ging zur Tür. In ihrem Zimmer standen ein Bett, ein Kleiderschrank, ein paar Regale und ein Schreibtisch. Das Bett hatte sie mit einer Tagesdecke und großen Kissen in ein Sofa verwandelt – sie benutzte es nie, da sie nachts das Schlafsofa in Hannes’ Zimmer bevorzugte. Sie wusste nicht, ob ihrem Vater das klar war.
Sie ertappte sich dabei, wie sie die Klinke so vorsichtig herunterdrückte, als sei sie ein Eindringling, der fürchtete, erwischt zu werden. Entschlossen öffnete sie die Tür.
„Wegen der paar Euro?!“, schrie Hannes gerade. „Ist das dein Ernst?!“
„Ich fänd‘s auch prima, wenn die paar Euro keine Rolle spielen würden“, bellte ihr Vater. „Aber es ist nun mal so. Tut mir leid.“ Sein Tonfall ließ jegliche Spur von Bedauern vermissen.
„Beim Schwimmen hab ich nichts gesagt“, behauptete Hannes, aber Greta erinnerte sich noch sehr lebhaft an den Moment, als ihr Vater Hannes eröffnet hatte, er könne von nun an nicht mehr in den Schwimmverein. An jenem Abend waren ein paar böse Worte