rustikaler Folk nicht fern von dem, was die Faces in wenigen Jahren auf die Beine stellen würden, und fahle Donovan-eske Nichtigkeiten wie »An Occasional Dream«. »Wild Eyed Boy from Freecloud« versucht sich wohl an der sinfonischen Erhabenheit von Scott Walkers Solo-Alben (ein weiterer damaliger Favorit Bowies), gleicht aber eher den selbstgefälligen Veröffentlichungen von The Man from U.N.C.E.L.-Star David McCallum.
Zwei zutiefst faszinierende Songs gibt es auf der zweiten David Bowie dennoch: »Cygnet Committe« und »Memories of a Free Festival«. »Cygnet« erinnert an Roy Harpers Meisterwerk Stormcock (1971), wirkt aber lange nicht so vollständig realisiert und beeindruckend. Es ist eine zehnminütige, schwer verständliche Allegorie über den Niedergang des Hippie-Undergrounds. Im Oktober 1969 gab Bowie Disc & Music Echo ein Interview, in dem er darüber sprach: »Es besteht im Prinzip aus drei verschiedenen Standpunkten zu den militanteren Gruppen der Hippie-Bewegung. Die galt mal als großes Ideal, aber irgendwas ist schiefgelaufen. Ich greife sie nicht wirklich an, aber mache darauf aufmerksam, dass auch die Militanten als Menschen unsere Hilfe brauchen, auch wenn sie die Dinge falsch angehen.« Der letzte Teil des Songs besteht aus einer unbarmherzigen Karikatur gegenkultureller Radical-Chic-Posen: »We […] stoned the poor on slogans«, imitiert er die Freaks, gefolgt von Beispielsprüchen, die von trendig (»Love Is All We Need«, »Kick Out the Jams«) bis zu beinahe schon faschistisch (»Kick Out Your Mother«, »We Can Force You to Be Free«) reichen. Die Lyrics sind insofern interessant, da sie ihre Zeit reflektieren und einen Einblick in die Entwicklung von Bowies Weltanschauung gewähren. Dennoch funktioniert »Cygnet Committe« nicht als Folk-Epos. »Memories of a Free Festival«, eine idealisierte Erinnerung an das Mini-Woodstock in den Beckenham Recreation Grounds, ist dagegen ein wohlgesonnener, fokussierter Abschied vom Hippietraum. Kontemporäre Schlüsselbegriffe wie »Love«, »Ecstasy« und »Satori« fallen, ehe die Coda des Songs in einen »Hey Jude«-artigen Singalong übergeht.
Im Sommer 1969 pflegte Bowie zu behaupten, dass er kein Sänger war, sondern die Leitung des Beckenham Arts Lab seine Hauptbeschäftigung sei, »etwas, das mir mehr bedeutet als alles andere«. Doch nur wenige Monate nach dem Free Festival überkamen ihn Zweifel bezüglich des gesamten gegenkulturellen Unterfangens. Im Dezember gestand er: »Dieser ganze Revolutionskram treibt mich in den Wahnsinn. […] Diese Leute sind so stumpfsinnig, so teilnahmslos. Die faulsten Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Sie wissen nichts mit sich anzufangen. Warten die ganze Zeit auf Leute, die ihnen zeigen, wo es lang geht. Sie tragen die Kleidung, die sie tragen sollen, und hören die Musik, die sie hören sollen.« Alternative Kultur war zur neuen Konformität geworden und war nun: ein Markt.
Ganz unabhängig davon, wie aufrichtig Bowie hinter den Werten dieser Szene stand, war er nicht der Einzige, den die Hippiekultur ernüchtert zurückließ. 1970, nach Altamont und den Manson-Morden, war der Traum einer jugendlichen Bohème für die Massen im Begriff, sich in Luft aufzulösen. Die Bewegung war in mehrere Fraktionen zersplittert. Manche blieben ihren politischen Idealen treu und versuchten weiterhin, ihr Utopia zu errichten, entweder indem sie sich vom Mainstream komplett abkapselten (in ländlichen Kommunen) oder indem sie einflussreiche und symbolische Persönlichkeiten des Establishments attackierten (wie etwa die terroristischen Aktionen von apokalyptischen Guerilla-Gruppen wie den Weathermen, der Angry Brigade oder der Roten Armee Fraktion). Die meisten distanzierten sich jedoch von der Politik der Gegenkultur, was allerdings nicht bedeutete, dass sie auch deren Haltung, Ästhetik und neugewonnenen Bräuchen abschworen, also der Musik, den Drogen und der Kleidung.
Bowie tat sich schwer damit, sich gänzlich vom Underground loszusagen, und sei es nur, weil er zu dieser Zeit noch die einzige aktive Szene darstellte. Also spielte er weiterhin auf Festivals und plapperte in Interviews die gleichen progressiven Statements über Kommerz und die Bedeutungslosigkeit von Singles nach. Ende 1969 behauptete er, sich überhaupt nicht für die Charts zu interessieren und tat »Space Oddity« – seine bis dahin größte Errungenschaft – als »letzten Endes nur einen Pop-Song« ab. 1970 sagte er dem Melody Maker, dass sein Hit »seinen Zweck erfüllt« habe. »Aber ich hoffe, es wird nicht von mir erwartet, dass ich jetzt ganz viele Songs schreibe und aufnehme, die so offensichtlich sind wie ›Space Oddity‹.«
Bowie befand sich in einer Zwickmühle: Er glaubte nicht mehr aufrichtig an den Underground, aber auch seine bisherigen Erfahrungen als Popstar ließen ihn ratlos zurück. »David würde noch bekommen, was er wollte, aber es trieb ihn in die Verzweiflung«, erinnerte sich Kenneth Pitt später. Allerdings beschreibt der Manager einen Teil von Bowies Desillusionierung auch als bewusste »Heuchelei«: sie sei der Versuch, immer noch zur Gegenkultur zu passen, sich ihrem Nonkonformismus anzupassen. »Seine abfälligen Kommentare über Singles und wie er so tat, als sei er kein Popstar und würde all die Leute verabscheuen, die von ihm ein Autogramm wollten«, sah Pitt als Resultat des irreleitenden Einflusses der Szene um das Beckenham Arts Lab. »Sie waren völlig gegen Erfolg, Hit-Singles und Popstars.«
Bowies Sinn für die Leere und Vergänglichkeit von weltlichem Erfolg wurde durch seine Auseinandersetzung mit dem tibetischen Buddhismus weiter verstärkt. Sein Interesse an asiatischer Spiritualität war tief, langlebig und älter als ihre vorübergehende Popularisierung durch Stars wie die Beatles. Ihren Anfang nahm sie, nachdem er über Beat-Autoren wie Jack Kerouac mit Zen-Konzepten in Berührung kam. Noch mehr blühte sie auf, als er Heinrich Harrers Memoiren Sieben Jahre in Tibet las. Schon in manchen seiner frühesten Interviews ist Bowies Tibet-Faszination offensichtlich. »Ich würde mir gerne freinehmen und die Kloster besuchen«, erzählte er dem Melody Maker 1966. »Die tibetischen Mönche, die Lamas, begraben sich für Wochen in Bergen und essen nur alle drei Tage etwas. […] Man sagt, sie leben für Jahrhunderte.«
Bowie meinte es ernst, wenn er über die spirituelle Armut des »westlichen Lebens« sprach. »Das Leben, das wir jetzt führen«, betrachtete er als »falsch«, doch gab er zu, dass er sich damit schwertat, diese Überzeugungen in seinen London-inspirierten Lyrics unterzubringen. In einem seiner besten frühen Songs, der Single-B-Seite »The London Boys« von 1966, wird diese Leere vielleicht angedeutet, denn sie gewährt einen Einblick in das verängstigte Innenleben eines jungen Lads im Amphetamin-getränkten Herzen der Mod-Szene.
Bowie war ein regelmäßiger Besucher von Londons Tibetan Buddhist Institute, auch bekannt als das Tibet House. Hier traf er einen Mann im Safran-Gewand namens Chime Yong Dong Rinpoche. Durch diesen neuen Guru erfuhr Bowie von Plänen, in Schottland einen Zufluchtsort für Flüchtende vor der maoistischen Unterdrückung in Tibet zu etablieren: das Johnstone House in Eskdalemuir, Dumfriesshire. Er fing an, sich an dem Projekt zu beteiligen, das bald zahlreiche Popstars auf der Suche nach einem spirituellen Erweckungserlebnis anzog – Lennon und Ono, Leonard Cohen, The Incredible String Band –, wie auch einige Schauspieler und Schauspielerinnen. Eskdalemuir ist als »Pflegeheim für ausgebrannte Hippies statt einer religiösen Einrichtung« beschrieben worden. Spirituelle Reflexion war dabei nur eine Art und Weise, seine Zeit dort zu verbringen. Die anderen waren Sex und Drogen.
Bowie jedoch nahm seine Spiritualität ernst. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, die Jagd auf Ruhm und Glanz gänzlich hinter sich zu lassen und einem erneuerten Verlangen danach, es an die Spitze des Popbiz zu schaffen. Schließlich fing er wieder an, Strategien zu entwerfen und sich mit Leuten gutzustellen, die ihm helfen könnten, sein Ziel zu erreichen.
»Ich spiele mit dem Gedanken, alles hinzuwerfen. Ich wäre gerne ein buddhistischer Mönch«, erzählte der Sänger Ende 1967 in einem Interview. In einem veröffentlichten Gespräch mit William S. Burroughs Jahre später sprach er über eine Zeit, in der er genau das tun wollte, es aber vermasselte, als er sich zwei Wochen vor seiner endgültigen Verpflichtung betrank. An anderer Stelle behauptet er, sein Guru Rinpoche habe ihm davon abgeraten, weil der Buddhismus weder seine wahre Bestimmung noch seine Herzenssehnsucht sei – im Gegensatz zur Musik. In einer weiteren, möglicherweise ausgeschmückten Variante war es Lindsay Kemp, der ihn davon abgehalten habe, sich seine schönen Locken abzurasieren.
Der Name eines Kemp-beeinflussten Pantomime-Stücks von Bowie, »Jetsun and the Eagle« (das er zwischen 1968 und 1969 aufführte, unter anderem im Vorprogramm von Tyrannosaurus Rex), kam von einem tibetischen Jogi aus dem elften Jahrhundert namens Jetsun Milarepa, dessen Schriften Teil des Kanons der Mahayana-Schule des Buddhismus waren,