Андреа Камиллери

Der vertauschte Sohn


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Krüppel zum König gekrönt werden. Die Minister weisen diesen Vorschlag zurück. Und der Prinz:

      Glaubt mir,

      es liegt gar nichts daran,

       ob es dieser oder jener sei:

       wichtig ist nur die Krone!

       Tauscht ihm die aus Papier und Glas

      gegen eine aus Gold und Juwelen,

      das Pellerinchen gegen den Pupur,

      und der Spottkönig wird echt,

      ihr könnt ihm huldigen.

       Und dazu braucht’s nichts anderes

      Als daß ihr dran glaubt.

      ERSTER MINISTER: Majestät, wie sollten

      wir denn aber

       PRINZ: Was denn? Daran glauben?

       Das kann man immer! Alles kann man!

      HAUSHOFMEISTER: Doch daran nicht, weil wir ja wissen,

       es ist nicht wahr!

      PRINZ: Aber nichts ist wahr,

      und alles kann wahr sein,

      man braucht’s nur zu glauben für einen Moment,

      und dann nicht mehr, und dann wieder,

      und dann auf immer oder nie mehr.

      Die Wahrheit, die kennt Gott allein.

       Der Menschen Wahrheit ist immer

       daran geknüpft, daß man

       an die glaubt, die man empfindet. Heute so

      und morgen anders. Glaubt mir,

       glaubt mir, diese

       wird euch viel besser passen

      als die meine.

      Ich kenne sie jetzt,

      meine Wahrheit.

      Ich bin hier Kind gewesen,

      mit dieser Mutter, geboren unter dieser Sonne,

       und arm, aber was liegt daran?

      Mit dieser Mutterliebe,

       und diesem Himmel und diesem Meer

       und Gesundheit und Freude

      mein Leben zu leben,

       »meines«, mein wahres Leben für mich!

       Vor diesem Meer, vor diesem Himmel

       seh ich auch die Häuser

      aufatmen, befreit vom Zwang.

      Und jedes Haus, sei es noch so bescheiden,

       wird hier zum Sonnenpalast!

       Alles zu meinen Füßen sehen?

       Lieber fühle ich

       etwas über mir!

      Nehmt ihn hin, bringt ihn weg,

       weit fort von hier, euren König!

      Natürlich geht die Geschichte so zu Ende, wie der Prinz es will: auf das Schiff, das gekommen ist, um ihn abzuholen, geht an seiner Stelle der komische, jämmerliche Königsnarr.

      Die Treue des Schriftstellers und Dramatikers Pirandello zu dieser volkstümlichen Geschichte, die er als kleines Kind gehört hat, ist über die Jahre fest und stark.

      Die Erzählung Der vertauschte Sohn erscheint in der 1925 veröffentlichten Novellensammlung Von der Nase zum Himmel, die im Grunde aber beim ersten Teil des Märchens aufhört, das heißt es fehlt die Ankunft des Prinzen. Die Selbsttäuschung der Mutter wird durch eine Magierin, Vanna Scoma, genährt, die ihr von Zeit zu Zeit Nachrichten über den von den Hexen vertauschten Sohn bringt und ihr erzählt, daß er wie ein Prinz lebt, von allen geliebt wird und glücklich ist.

      Die Magierin tut dies zwar in der Absicht, ihr ein bißchen Geld zu entlocken, doch gibt es in ihr auch einen Zug von Mitleid: sie sagt der Mutter nämlich, daß, wenn sie den behinderten Sohn, der ihr von den Hexen dagelassen wurde, gut behandelt, es auch dem anderen, dem wirklichen gut gehen werde.

      LUIGI, DER VERTAUSCHTE SOHN

      Mit dem Eintritt in ein Alter, in dem er nachzudenken beginnt, stellen sich bei dem kleinen Luigi Zweifel an seiner Zugehörigkeit ein. Was hat er, der sich alles wohl überlegt, der überhaupt nicht lausbubenhaft ist, der sich in sich zurückzuziehen versteht, der zwischen kastanienbraunen Locken, die ihm seitlich ins Gesicht fallen, aus großen, aufmerksamen Augen blickt (so porträtiert er sich in der Novelle Die kleine Madonnenstatue; La madonnina), mit dieser brüllenden, unbeherrschten Hünengestalt des Vaters zu tun, der die Mutter so oft zum Weinen bringt?

      Doch Vorsicht: Stefano Pirandello war kein grober, ungebildeter Klotz, wie es scheinen könnte, wenn wir ihn nur mit den Augen des kleinen Luigi sähen. Er war beispielsweise Schüler des großen Humanisten Gaetano Daita, der ihm unter anderem Englisch und Französisch beigebracht hatte, damals wie heute unverzichtbare Sprachen für jemanden, der Handelskaufmann werden will. Das Problem lag in seinem Charakter.

      Die Geschichte vom vertauschten Sohn, die Maria Stella ihm erzählt hatte, war für ihn eine Art Offenbarung: nicht nur, daß er am falschen Ort und am falschen Tag geboren wurde, sondern möglicherweise war dieses abstürzende Glühwürmchen (als solches hatte er sich ja seine Geburt vorgestellt) auch noch in die falsche Familie gekommen. Ja, ganz sicher ist es so gewesen, denn er fühlt, daß er zu einer anderen Familie gehört, zu einem anderen Schlag.

      Über die Verschiedenheit der Sizilianer untereinander hat Vitaliano Brancati Erhellendes geschrieben.

      »Hier in Sizilien ist es – wenn man von Signor Luciano zu Signor Maddalena wechselt (was man tut, wenn man einen Treppenabsatz mit nur einer Stufe überquert) – so, wie wenn man von einer Konstellation zur anderen flöge.«

      Und Brancati war es auch, der uns von grundlegenden Unterschiedlichkeiten im Hinblick auf Charakter und Temperament innerhalb derselben Familie erzählt hat.

      Der Kreislauf von Stefanos heißem Blut ist nicht der gleiche wie der von Luigis kaltem Blut (um in einem Brancati verwandten Sprachgebrauch zu bleiben). Nur, daß die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, doch Luigi wird sein ganzes Leben damit zubringen, dies zu begreifen, er, der Theoretiker (wie Tilgher ihn nannte) des Unterschieds zwischen Leben und Form.

      Wie dem auch sei, die Geschichte, die Maria Stella ihm erzählt hat, hat in gewisser Weise die vielen Unsicherheiten des kleinen Luigi verdichtet und in eine Gewißheit verwandelt: er ist ein vertauschter Sohn.

      Und er drängt Maria Stella so sehr, daß sie ihn, ohne Wissen der Eltern, zu einem zwar von den Hexen nicht gestohlenen, sondern nur ›verlegten‹ Neugeborenen bringt, ein vielleicht ins Leere gegangener Versuch des Vertauschens, denn der Säugling wurde nicht in der Wiege wiedergefunden, wo er geschlafen hatte, sondern in der Küche, unter dem Tisch.

      Und Maria Stella war es auch, die dem kleinen Luigi eines Tages, so als bedeute das nichts weiter, erzählte, sie sei in der Via San Pietro dem Geist des Ermordeten begegnet, dessen Schreie sie an jenem Abend ignoriert hatte, als sie die Fenster