machte Lulu zufrieden und holte ein kleines Päckchen aus der Tonne mit der schmutzigen Wäsche. »Bitte schön!«
Das Geschenk war flach, in mattgoldenes Papier gewickelt und mit einer überdimensionalen schwarzen Schleife geschmückt. Ich grinste, als sie es mir hinhielt, angelte neben dem Bett nach meinem Rucksack und zog ein identisch verpacktes Geschenk heraus.
»Zwei Blöde, ein Gedanke.« Lulu grinste ebenfalls.
»Happy Birthday«, sagten wir gleichzeitig und tauschten die Geschenke aus.
»Von Schnick-Schnack?«, erkundigte sich meine Freundin und hielt das Geschenk hoch, das ich ihr überreicht hatte.
»Klar«, erwiderte ich und hob meins hoch. »Das auch?«
»Klar.«
Schnick-Schnack-Schmuck war unser Lieblingsgeschäft für Schmuck und jede Menge Schnickschnack, den man eigentlich nicht brauchte, der aber viel zu schön war, um ihn nicht zu haben. Der Laden gehörte Alexa, der besten Freundin meiner Großmutter, und bereits als ich noch klein war, hatten wir dort viele Stunden verbracht. Bei Alexa zu sein, erinnerte mich an meine Omili, und schon deshalb ging ich gern dorthin. Dass Lulu das Geschäft genauso mochte wie ich, machte es nur umso besonderer für mich.
»Also auf drei«, schlug Lulu vor.
»Einverstanden. Eins. Zwei …«
Und schon riss Lulu das Papier auseinander. Geduld gehört auch nicht unbedingt zu ihren Stärken.
»Das ist nicht wahr …« Lulu lachte erneut, als sie das Geschenk hervorholte, das ich für sie ausgesucht hatte. Es war eine lange Kette oder besser gesagt zwei, die fest umeinander gedreht waren. Zwillingskette hatte Alexa das Schmuckstück genannt, als sie es mir gezeigt hatte, und erzählt, dass sie davon gerade erst zwei Stück angefertigt hatte.
Mir war sofort klar gewesen, dass ich diese Kette für Lulu kaufen wollte. Aber jetzt fragte ich mich, ob Lulu sie nicht doch zu schlicht fand.
»Gefällt sie dir nicht?«, fragte ich unsicher. »Ich dachte, es wäre passend, weil wir auch Zwillinge sind, als Sternzeichen meine ich, und irgendwie auch Herzenszwillinge … oder?«
Doch meine Freundin schüttelte bloß den Kopf. »Pack einfach aus.«
Also entfernte ich vorsichtig das Papier von meinem Päckchen … und hielt schließlich die exakt gleiche Kette in der Hand wie Lulu.
»Zwei Blöde, ein Gedanke«, wiederholte ich und lachte nun ebenfalls.
»Als Alexa sie mir gezeigt hat, wusste ich sofort, dass es das perfekte Geschenk für dich ist.«
Gegenseitig hängten wir uns die Ketten um den Hals und nahmen uns dann fest in den Arm.
»Witzig, dass Alexa uns beiden die gleiche Kette empfohlen hat«, meinte Lulu, als wir uns schließlich wieder losließen.
»Na ja, aber auch irgendwie logisch, oder?«, erwiderte ich. »Sie weiß doch, dass wir allerbeste Freundinnen sind.«
»Stimmt natürlich.«
»Ich muss dir übrigens unbedingt noch etwas zeigen.« Wieder wühlte ich in meinem Rucksack, bis ich das kleine Säckchen aus rotem Samt fand. Vorsichtig knotete ich das Band auseinander, mit dem es oben zusammengehalten wurde, und ließ den Inhalt in meine Hand gleiten.
»Was ist das?« Lulu beugte sich über die Kugel, die ich ihr entgegenstreckte.
»Ein Geschenk von meiner Großmutter«, sagte ich und spürte augenblicklich die gleiche Mischung aus Traurigkeit und Freude mit einem Hauch von Ehrfurcht wie am Morgen, als ich das Päckchen ausgepackt hatte.
»Von deiner Großmutter«, echote Lulu verwundert. »Aber die ist …«
»… tot, ich weiß«, beendete ich den Satz für sie. »Mein Paps hat mir das Geschenk von ihr gegeben. Er hat gesagt, sie hätte darauf bestanden, dass ich es an meinem fünfzehnten Geburtstag bekomme.«
»Das ist ja toll«, sagte Lulu. »Und was ist es?«
»Es ist ein Anhänger«, erklärte ich. »Ein Kettenanhänger.«
»Sieht uralt aus.« Lulu rutschte ein Stück näher an mich heran, um ihn genauer betrachten zu können. »Und irgendwie … seltsam.« Erneut schlug sie sich die Hand vor den Mund. »Hätte ich das jetzt nicht sagen sollen?«
»Quatsch«, beruhigte ich sie und strich mit dem Daumen über die verschlungenen Gravuren, die sich über die kugelige Oberfläche des Anhängers wanden. Er war etwa so groß wie ein Tischtennisball und das Metall fühlte sich kühl an. »Du hast ja recht, er sieht tatsächlich eigenartig aus.«
»Aber warum vermacht deine Großmutter dir ausgerechnet dieses Schmuckstück? Und warum zum fünfzehnten Geburtstag? Warum nicht zum sechzehnten oder zum achtzehnten?«
»Ich habe keine Ahnung.« Als ob ich mir diese Fragen nicht auch schon gestellt hätte! »Ich habe den Anhänger jedenfalls noch nie zuvor gesehen.«
Meine Großmutter hatte Schmuck geliebt, große Ketten mit farbigen Steinen, zu denen sie immer die passenden Armreifen und Ohrringe trug. Als Kind hatte ich ganze Nachmittage damit verbracht, in ihren Schatullen zu stöbern. Aber an diesen Anhänger konnte ich mich nicht erinnern.
»Das ist alles billiger Modeschmuck«, hatte das abfällige Urteil meiner Stiefmutter Sylvia gelautet. Da mein Vater seit seiner Beförderung eigentlich ständig auf Dienstreise war, hatte sie die Wohnung meiner Großmutter nach ihrem Tod ausgeräumt. Mein Vater war wohl ganz froh gewesen, dass Sylvia ihm das abgenommen hatte, und hatte ihr freie Hand gelassen. Und so hatte sie – noch bevor ich Protest einlegen konnte – Omilis Schmuck und den Inhalt ihres Kleiderschranks ins Sozialkaufhaus gegeben, während ich in der Schule war. Mir tat es bis heute leid, dass ich kein Erinnerungsstück an meine Großmutter behalten konnte. Umso bedeutsamer erschien mir nun dieses Geschenk.
»Mein Vater hat gesagt, Omili hat den Anhänger im Banktresor aufbewahrt«, erzählte ich Lulu das Wenige, das ich wusste.
»Krass«, staunte Lulu. »Dann ist er richtig wertvoll?«
»Ich weiß nicht. Es ist wohl ein Familienerbstück. Das sagt zumindest mein Paps. Vielleicht hatte Omili ihn aber auch bloß im Tresor, damit Sylvia ihn nicht in die Finger bekommt.«
»Tststs«, tadelte Lulu mich, wurde dann aber gleich wieder ernst. »Und hat er sonst noch was gesagt?«
»Nicht wirklich. Meine Omili hat ihm wohl noch einen Brief für mich gegeben, aber du kennst ja meinen Vater. Er hat ihn irgendwo zwischen seine Unterlagen gelegt, wo er ihn jetzt nicht mehr findet.«
Mein Vater hatte mir das Päckchen am Morgen überreicht, nachdem ich meine anderen Geschenke ausgepackt hatte: Ein neues Smartphone von ihm, genau wie gewünscht. Einen Kosmetikkoffer von Sylvia, den ich ungefähr so gut gebrauchen konnte wie einen Raumanzug. Und von meiner Stiefschwester Sophie ein Buch mit dem Titel Bedeutende Persönlichkeiten der Weltgeschichte, das sie mir mit der Bemerkung überreicht hatte, sie hoffe, mein Bildungsniveau damit ein klein wenig anheben zu können, auch wenn sie fürchte, dass ihre Bemühungen vergeblich sein würden.
Ich hatte beschlossen, ihr zum nächsten Geburtstag eine »Bravo« zu kaufen, um ihr Normalitätsniveau damit ein klein wenig anzuheben.
Dann packte ich den Anhänger aus. Für den Bruchteil einer Sekunde entgleisten Sophies perfekt geschminkte Gesichtszüge und sie wirkte verletzt. Fast mitleiderregend. Zu ihrem fünfzehnten Geburtstag vor zwei Monaten hatte Sophie nämlich kein Päckchen von Omili bekommen. Was erstaunlich war, denn obwohl Sophie nicht ihre eigene Enkeltochter gewesen war, hatte meine Großmutter sich immer sehr bemüht, uns beide gleich zu behandeln. Und ich glaube, Sophie hatte sie wirklich gerngehabt. Sofern meine Stiefschwester zu solchen Gefühlen fähig war.
»Deine Großmutter hat in ihrem Testament verfügt, dass nur du ihn bekommen