Jason Willow schrieb, dass dieser wieder frei wäre – er, der seinen Bruder auf dem Gewissen hatte! Er würde niemals verzeihen.
Willow war entsetzt über so viel Starrsinn. Wie oft sollte er denn noch seine Unschuld beteuern? Doch der Clanchef würde nicht eher Ruhe geben, bis er Willow kalt gemacht hätte.
Also musste Jason seine eigene Beerdigung inszenieren, damit endlich Ruhe herrschte, doch zuvor musste er mit Cathy sprechen. Sie musste wissen, worauf sie sich da einließ. Gleichzeitig wollte er sie nicht verlieren. Er wusste nicht, ob sie genug Vertrauen in ihn setzen würde, um mit ihm abzuhauen. Natürlich, der Sex mit ihr war atemberaubend, nur langte das für den Rest des Lebens? Vielleicht war er doch zu alt für sie. War es zumutbar, einer achtzehnjährigen Frau das Leben wegzunehmen und sie in ein anderes Land zu bringen? War Cathy wirklich alt genug, darüber schon zu entscheiden? Jedenfalls musste er sie von hier wegbringen, bevor der Clanchef mitbekam, dass sie seine Freundin war.
Aber: Auch Kreta war noch nicht in trockenen Tüchern. Erst wenn diese Großbaustelle, die sein derzeitiges Leben war, geschlossen war, hätte er endlich Ruhe.
Doch irgendwie ahnte Jason Willow, dass Kreta die Lösung seiner Probleme sein könnte. Die Todesanzeige würde Mr. X zwar aufschrecken, sein Grab mit dem entsprechenden Stein würden ihn verwirren, doch würde danach tatsächlich Ruhe herrschen oder würde er weiter in seinem Leben herumstochern, weil er es selbst gewesen war, der seinen Bruder erschossen hatte? Von dieser These war Jason Willow nie abgewichen, den Verdacht hatte er auch schon beim LKA geäußert, doch niemand hatte ihm glauben wollen. Wer tötete schon seinen eigenen Bruder?
Damals, Jason Willow erinnerte sich sehr genau, fiel nur ein einziger Schuss auf der Etage, die der Clanchef für sich und seine engsten Vertrauten angemietet hatte, und auf der gerade in diesem Augenblick Jason zu tun hatte. Der Bruder wollte fort vom Clan, war der Spielsucht verfallen, wollte einem anderen Clan beitreten – was blieb, war ihn zu beseitigen. Doch das zu beweisen war Jason Willow nie gelungen. Jetzt war es auch egal – gedanklich war er längst auf Kreta.
Danach nahm er Kontakt zum Fälscher auf, der ihnen, ihm und Cathy, Pässe besorgen sollte. Auch sie musste natürlich auf dem Flug nach Kreta einen anderen Namen benutzen, sonst war nichts wasserdicht. Zu riskant, bei dem Gegner.
Willow wollte Frieden, wollte Sex mit Cathy, wollte endlich sein Leben zurück. Zu viele Jahre waren bereits verloren gegangen, den Rest seiner Lebenszeit wollte er genießen. Er war ein großer kräftiger Mann, doch irgendwann brach auch so jemand einfach zusammen.
Um Viertel vor zwei in der Nacht telefonierte er nochmals mit seinem Freund auf Kreta, der ihn etwas ungehalten fragte, ob die Uhren in Deutschland anders gingen. Jason entschuldigte sich und berichtete, was er bis jetzt angeschoben hatte.
»Das hört sich doch gut an«, meinte dieser, »dann kann ich mich ja jetzt um ein Liebesnest für euch kümmern – möblierte Wohnung in einem Stadtteil, wo dich niemand vermuten würde.«
»Ja, das wäre nett«, meinte Jason und wirkte plötzlich völlig ausgezehrt.
»Hey Kumpel«, meinte sein Freund, »du hast viel auf den Weg gebracht. Hast du denn deine Grabstelle gefunden?«
Als Jason bejahte und meinte, in drei Tagen ließe er die Bombe platzen, meinte sein Freund, das wäre gut. Je eher, desto besser. »Erst dann bist du wirklich frei.«
Das brauchte man Jason Willow nicht erst zu erzählen. Er streute Spuren, die ins Nichts führten, ließ im Internet Kommentare für sich sprechen, was für ein Scheusal Willow wäre, der nicht zu seinen Taten stünde – alles Dinge, die Aufschub brachten. Auch streute er das Gerücht, dass man Willow gar in Brandenburg gesehen habe wollte, wo er mittlerweile ein kleines Häuschen besäße. Irre, was einem alles so einfiel, wenn man ums nackte Überleben kämpfte. Dann fuhr er den Computer herunter, schlief am Schreibtisch ein und war exakt drei Stunden bereits wieder wach.
Noch zwei Tage, dann würde Cathy bei ihm sein, Cathy, die ihn trösten würde, Cathy, die mit ihm schlafen würde. Kerzengerade richtete sich sein Schwanz bei der Vorstellung auf, er konnte nichts dafür, er liebte diese Frau.
Bis Cathy endlich bei ihm auftauchen würde, schuftete er wie ein Berserker, um sich abzulenken. Er machte Überstunden. Gräber mussten gewässert werden. In diesen Tagen war Schweiß das Parfüm des Mannes, der alsbald nach Kreta ausreisen würde.
Doch genau dieser Schweiß tat ihm gut. Es war Willow, als ob dadurch alles Schlechte aus ihm herausgespült wurde, alle Ängste, alle Sorgen. Er schmiss den Rasenmäher an und schnitt die Rasenkanten, leerte die Mülleimer und fotografierte seinen Stein, welchen er sich ausgesucht hatte, und in welchem sein Name eingraviert werden würde. Um die Mittagszeit herum pausierten die Arbeiten. Es war einfach zu heiß. Dafür arbeitete man mittlerweile bis neunzehn Uhr.
Jason nutzte die Mittagszeit, um zum Fälscher zu gehen, welchen er aus dem Knast kannte.
»Siehst echt beschissen aus, Kumpel«, sagte der Fälscher zu ihm, als er Jason die Tür öffnete. »Ich denke, du bist den ganzen Tag an der frischen Luft?«
»Würdest du diesem Druck standhalten?«, meinte Jason und schaute den Fälscher aus leeren Augen an.
»Ist ja bald vorbei. Hier hast du deinen Pass und den deiner Süßen. Habe das Gesicht ein bisschen fülliger gemacht, wäre gut, wenn sie noch etwas zunehmen könnte. Die Brille lenkt aber ein wenig ab. Bring ihr das mal schonend bei. Und du, mein Freund – sieh selbst.«
Willow grinste, als er sein Konterfei betrachtete.
»Hässlicher ging’s nimmer, was?«, fragte er, doch der Fälscher hatte gute Gründe.
»Je hässlicher, desto weniger Blicke werden auf dich gerichtet sein, mein Freund. Es ist alles in die Wege geleitet. Am Tag der Abreise wird ein Maskenbildner auf einer Toilette des Flughafens auf euch warten.« Genaueres gibt es erst in der Abflughalle.
Und als Jason gerührt schluckte, meinte der Fälscher: »Ist doch immer gut, Freunde zu haben, die noch was bewirken können. Auch wenn sie schon über achtzig sind, hm?«
»Ich weiß, was ich dir schulde«, meinte Jason, und drückte den Fälscher fest an sich. »Geld kommt. Danke dir von ganzem Herzen.«
»Werd langsam sauber, Kumpel«, meinte dieser und Jason winkte ab.
Cathy hatte angerufen. Sie hatten ausgemacht, am Wochenende in die Wälder rauszufahren, hier in der Stadt war es viel zu heiß – in zweierlei Hinsicht. Jason hatte ein schönes Landgasthaus ausfindig gemacht. Wenn er die Sache durchziehen wollte, war er auf die Hilfe von Cathy angewiesen. Er durfte keine Fehler riskieren.
Dann endlich war der Freitag da. Sie kam gegen vierzehn Uhr, hatte leichtes Gepäck bei sich. Nur einen kleinen Rucksack, mehr bedurfte es auch nicht. Jason selbst hatte ebenfalls eine kleine Tasche gepackt, und ein unauffälliger Mietwagen stand bereits vor der Tür.
Cathy sprang Jason regelrecht an, küsste ihn überschwänglich und rieb sich an ihm. »Ich habe dich sooo sehr vermisst«, sagte sie, »viel zu lange für zwei Liebende. Wollen wir gleich fahren?«
»Je eher, desto besser?«, meinte Jason und Cathy schaute auf die Katze. »Und was mit ihr?«
»Die versorgt sich schon selbst«, meinte Jason und zeigte Cathy, wie viel Futter er überall in der Wohnung verteilt hatte.
Dann waren sie unterwegs. Die Sonne brannte. Das Auto hatte keine Klimaanlage. Mist, daran hätte er denken können. Doch Cathy freute sich einfach nur, bei Jason zu sein. Sie hatte nichts vergessen von dem, was er ihr erzählt hatte, und wo sie aufgehört hatten. Heftige Lustschauer jagten jetzt schon durch ihren Körper hindurch, und als Jason ihr Zimmer aufschloss, ließ sie sich aufs Bett fallen und winkte ihn zu sich. Vielleicht war es gut gewesen, sich ein paar Tage nicht zu sehen. Sie jedenfalls war bereit für Jason, und er vermutlich auch für sie.
Sie ließ ihm gar keine Zeit, richtig anzukommen, sondern wisperte ihm ins Ohr: »Liebe mich, ich habe mich so sehr nach dir verzehrt.«.
Jason nutzte die Gunst der Stunde. Auch er war nach den neuesten Vorkommnissen