des allgemeinen Unglücks war zu seinen Lebzeiten schon fast vergessen. Da Heidelberg in Feindes Hand war, wurde ihm nicht einmal ein Grab in der Heimat zuteil; es ist ungewiß, wo er bestattet wurde. Wallenstein überlebte den König, seinen großen Gegner, nur um ein Jahr und einige Monate. Sein Körper war, als die Mörder ihn tödlich trafen, ohnehin zerrüttet; Wallensteins Kraft war zur selben Zeit verbraucht wie die Mittel, mit denen er sich auf der Höhe seines Anspruchs hätte halten können. Drei Jahre später starb der Kaiser, nachdem er auf dem Reichstage die Wahl seines Sohnes durchgesetzt hatte. Allen Wechselfällen des Krieges hatte er seine gute Laune und die Seelenruhe, die sein Beichtvater ihm sicherte, entgegengesetzt.
Kurz vor dem Ausbruch des großen Krieges entstanden in vielen deutschen Städten große Feuersbrünste. Das Feuer breitete sich bei der Umständlichkeit des damaligen Löschwesens rasch aus, ganze Straßen, ganze Viertel sanken in Asche. Die hochgiebeligen Häuser, geschmückt mit schöngeschnitzten allegorischen Figuren oder mit frommen Sprüchen, die die wohlhabenden Bürger zu Ende des 16. oder zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtet hatten, fraß die Flamme, die unersättlich von Dach zu Dach sprang. Rauch wälzte sich über das Reich und mischte sich, als der Krieg kam, mit dem Rauch der brennenden Dörfer. Unter den wolkigen Massen voll Brandgeruch ritt immer noch der beinerne Werber und rührte seine Trommel, und es kamen Soldaten von nah und fern, aus Ungarn und Mähren und Kroatien, aus Spanien und Italien, aus Flandern und Lothringen. An die Spitze des schwedischen Heeres traten Bernhard von Weimar und die schwedischen Obersten, die schon Gustav Adolfs Kriege in Polen mitgemacht hatten: Hoorne, Banér und der kranke Torstenson. Bald nach dem verrufenen Gastmahl in Hildesheim starben Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg und der glänzende Banér, der Löwe von Schweden. Dem Kaiser fielen Götz und Gallas und Melander; in unzähligen Gefechten hatten sie glücklich und unglücklich gekämpft. Längst dahin waren fast alle die starken und frommen schwedischen Bauern, die mit Gustav Adolf ins Reich gekommen waren und seine ersten Siege erkämpft hatten. Andere, immer neue, waren ihnen nach übers Meer gekommen. Unabsehbare Armeen von Menschen waren seit 1618 in Schlachten, in Gefangenschaft, an der Pest, an Hunger gestorben. Viele Soldaten hängte der Profoß an den nächsten Baum, weil sie ein Huhn gestohlen hatten, zum abschreckenden Beispiel, wegen Feigheit in der Schlacht wurden Offiziere und Gemeine geköpft und gehängt, viele, viele Bauern, Männer, Frauen und Kinder marterten verwilderte Soldaten zu Tode, wenn ihr Hunger und ihre Beutegier nicht befriedigt wurden. Die raschen Glückswechsel, die der Krieg mit sich brachte, gewöhnten die Menschen daran, das Außergewöhnliche zu erwarten. Berichte von vergrabenen Schätzen gingen um; auch kam es ja vor, daß die Bewohner einer Ortschaft, wenn eine Armee in Sicht war, mochte es Freund oder Feind sein, ihr Hab und Gut oder die Kirchenschätze vergruben. Fanden die Soldaten nichts, mußten die Bauern, die nicht entflohen waren, es büßen. Zuweilen kehrten die Einwohner in ihre ausgeleerten, ausgebrannten Häuser nicht zurück, die dann allmählich in Trümmer fielen. Wüstungen nannte man die verfallenden Dörfer. Da nisteten sich wohl Räuber und Wölfe ein. Nicht selten geschah es, daß Alte und Kranke in dem leeren Dorf zurückblieben und Hungers starben. Ein Jesuitenpater reiste im Jahre 1635 durch Franken; nachdem er lange durch Wälder und unbebaute Felder sich einen Weg gesucht hatte, kam er in ein verlassenes Dorf. Wie er sich umblickte, überlegend, welche Richtung er einschlagen sollte, sah er auf einem Düngerhaufen etwas sich bewegen, etwas Gespensterhaftes, das ihm Grauen einflößte. Als er sich gefaßt hatte und näher hinzutrat, erkannte er, daß es eine Frau war, die im Sterben lag. Ihr Gesicht war schwarz und abgezehrt, neben ihr lagen ein paar unreife wilde Holzäpfel, die ihr Töchterchen für sie gesucht hatte. Der Jesuit kniete neben der Sterbenden nieder und tröstete sie. Tote wurden mit einem Büschel Gras im Munde gefunden, womit sie ihren Hunger zu stillen versucht hatten. Mieden die Soldaten eine ausgesogene Gegend, so wagten sich gefährlichere Gäste hervor, hungrige Wölfe. Truppweise drangen sie nicht nur in die Dörfer, sondern auch in die kleineren Städte. Kurfürst Johann Georg, der wie alle Fürsten ein eifriger Jäger war, soll im Laufe seines Lebens 3543 Wölfe und 203 Bären erlegt haben; so hatten sich die Wölfe in Kursachsen vermehrt. Sie kamen aber auch nach dem Westen. In dem badischen Ort Renchen, wo der Dichter des Krieges, Joh. Christoph von Grimmelshausen, im Jahre 1667 Schultheiß wurde, waren nach dem Kriege von 180 Bürgern noch 17 übriggeblieben. »Seyndt alle gestorben und verdorben«, lautet der Bericht. In die leeren Häuser schlichen sich nachts die Wölfe.
Zwei Fürsten haben den allverschlingenden Krieg überdauert: Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen, und Maximilian, erst Herzog, dann Kurfürst von Bayern. Beide haben den Gewinn eingeheimst, wenn auch nicht ganz in dem gewünschten Umfang, den sie von Anfang an im Auge hatten, Maximilian die Kur- und Oberpfalz, Johann Georg die Lausitzen. Böse Zeiten hatten sie durchgemacht: Maximilian hatte seine Hauptstadt München im Besitz Gustav Adolfs gesehen, Sachsen war der Schauplatz von drei Hauptschlachten gewesen. Es hinderte Johann Georg freilich nicht, sich täglich zu betrinken, man sagt von ihm, er sei nur an dem Tage, wenigstens bis zum Abend, nüchtern gewesen, wo er das heilige Abendmahl genommen habe. Maximilian starb, 78jährig, 1651, nachdem ihm im Jahre vorher sein Bruder Ferdinand im Tode voraufgegangen war, der 38 Jahre lang Kurfürst von Köln gewesen war; daneben war er Bischof von Lüttich, Hildesheim, Münster und Paderborn gewesen. Der bayrisch-jesuitische Geist hatte den Katholizismus in Österreich, Böhmen und am Rhein und in Westfalen gerettet.
Der Westfälische Frieden
»Was uns Teutschen bisher mehr gemangelt«, sagte der deutsche Jesuit Scherer, »ist der freudige Mut und ein unerschrockenes Herz. An großen Federbüschen hat es nicht gemangelt, auch nicht an vielscheckiger Kleidung, noch an Helmen und Sturmhauben … Das Herz, das Herz, sage ich, das man pflegt wider die armen Leute und Untertanen zu brauchen, das ist uns gegen den Feind abgangen, denn sobald es zum Ernst kommen, hat sich der Hase im Busen gerührt, und das Herz ist in die Schuh hinuntergefallen. Wie denn noch in diesem Lager auf ein verzagt Geschrei ›der Türke kommt‹ eine schändliche Flucht sich erhebt.« Dies Urteil mag überraschen, wenn man daran denkt, daß im Ausland die Deutschen wesentlich als kriegerische Nation galten und irgendein Verdienst auf anderem Gebiet ihnen kaum zugestanden wurde. Indessen hatte sich wirklich schon in den Hussitenkriegen eine erschreckende Unfähigkeit der deutschen Heere, die zahlenmäßig dem Gegner oft weit überlegen waren, gezeigt. Auch im Schwabenkriege konnten die deutschen Truppen den schweizerischen nirgends standhalten. Erst die geschulten Landsknechte, die Maximilian I. gebildet und geübt hatte, konnten es unter großen Führern, wie Frundsberg einer war, mit den sieggewohnten Schweizern aufnehmen. Aber auch Frundsberg lobte seine Knaben hauptsächlich, wenn sie einen Pokal Wein im Busen hätten. Bei bevorstehendem Sturm auf eine Stadt pflegte man die Truppe durch Wein zu ermutigen, und wenn wenig Wein vorhanden war, teilte man ihn zuerst unter die Deutschen aus; Spanier und Italiener begnügten sich allenfalls mit Wasser. Im Laufe des 16. Jahrhunderts hatten sich die Spanier als die besten Soldaten erwiesen; sie wurden verhältnismäßig gut bezahlt und gut geführt, Alba war fast unwiderstehlich. Von regelmäßiger Bezahlung hing viel ab. Der sparsame und ordentliche Herzog Maximilian und der ebenso geartete Tilly sorgten so gut wie möglich dafür, wie auch für Manneszucht, und richteten viel damit aus: Ihre Armee stach vorteilhaft ab von denen Mansfelds und Christians von Braunschweig, die auf erzwungene Kontributionen und auf Raub angewiesen waren und sich dadurch an Gewalttätigkeit gewöhnten. Vollends zeichneten sich die schwedischen Soldaten durch ihre Haltung aus, fromme, anständige Bauern, die als Retter ihres Glaubens und im Gehorsam ihres Königs und Vorbildes in den Krieg zogen. Allein, nachdem die zuerst mit Gustav Adolf Herübergekommenen gefallen waren, änderte auch dies Heer seinen Charakter, wie denn überhaupt, je länger der Krieg dauerte, der Auswurf, den der Krieg selbst erzeugte, sich in den Heeren sammelte: heimatlos und brotlos Gewordene, die bei den Soldaten ihr Leben zu fristen suchten. Dies zusammengelaufene Gesindel ohne Erinnerung und Hoffnung mochte rauflustig sein, aber Tapferkeit, Zucht erwarb es sich nicht. Nach der Schlacht bei Lützen und nach der zweiten Schlacht bei Breitenfeld hielt Wallenstein Strafgerichte über die Regimenter ab, die sich durch Feigheit ehrlos gemacht hätten. Daneben fehlte es nicht an Taten des Mutes und tapferen Ausharrens. Die Offiziere pflegten ihre Truppen persönlich in den Kampf zu führen, wie denn auch die Verluste an hohen Offizieren sehr groß waren. Im allgemeinen nahm das kriegerische Ansehen