Ricarda Huch

Gesammelte Werke


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vorbrachten, waren nicht ganz ungerecht: sicherlich sog sein großes Heer das Land aus, hausten die Soldaten wie Wüteriche gegen Freund und Feind, war seine Kriegführung oft wunderlich, sein Verweilen und Zögern und Hin- und Herziehen schien oft dem erforderlichen Zweck nicht zu entsprechen. Dem ließ sich entgegnen, daß der Zweck schließlich doch erreicht wurde, daß auch das ligistische Heer das Land bedrückte, daß niemand den Pelz waschen könne, ohne ihn naß zu machen. Allein es handelte sich nicht um Gründe, sondern darum, ob der Kaiser den Mut hätte, mit Wallenstein einen Staatsstreich zu wagen, und den hatte er um so weniger, als er gerade jetzt seinen Sohn zum Nachfolger gewählt zu sehen wünschte. Wie oft hatte dieser väterliche Wunsch die Kaiser gegen die Wahlfürsten schwach gemacht! Wider Erwarten empfing Wallenstein in Memmingen die Abgeordneten des Kaisers, die ihn von seiner Absetzung in Kenntnis setzten, höflich und ruhig. Er konnte ruhig sein, da sein Rächer schon zur Stelle war: während die Kurfürsten in Regensburg tagten, um den Kaiser zu entwaffnen, im Juli 1630, landete Gustav Adolf an der pommerschen Küste.

      Wie weit überlegen Wallenstein den Fürsten war, zeigte sich auch darin, daß er von Anfang an die Einmischung Gustav Adolfs vorausgesehen und zu verhindern gesucht hatte. Er wußte Bescheid um diesen König des Nordens, den die in Regensburg versammelten Kurfürsten ignorierten. Er ahnte, daß der glimmende Krieg erst jetzt hoch aufflammen würde.

      Ohne die französischen Gelder, die seit der neuesten durch Richelieu herbeigeführten Wendung in der Politik Frankreichs für ihn flüssig geworden waren, hätte Gustav Adolf sich nicht in diesen Krieg gestürzt, zu der keine Stimme aus Deutschland ihn berief, der ihn aufs neue von seinem Lande trennte und ihm eine noch nicht zu berechnende Gegnerschaft gegenüberstellte; denn er war König, für sein Land und Volk verantwortlich, pflegte die Mittel zu seinen Unternehmungen sorglich zu berechnen und dachte nicht daran, seinem Volke Opfer zuzumuten, ohne ihm einen Gewinn in Aussicht zu stellen. Ein solcher war eine etwaige Festsetzung an der deutschen Küste und die Herrschaft über das Meer. Aber wie sehr ihn das auch lockte, ebensosehr stark war der Antrieb, dem bedrängten Glauben zu Hilfe zu kommen. Sein Vater war als Protestant, im Gegensatz zu seinem katholischen Vetter, König von Schweden geworden, sein Bekenntnis war zugleich die Grundlage seines Regiments; aber er hatte das Glück, ohne Zwiespalt zu sein: das, wofür einzutreten der Vorteil ihm gebot, war zugleich seine Überzeugung. Er zweifelte nicht, daß er von Gott berufen sei, den reinen Glauben zu retten, er fühlte sich von einem überirdischen Feuer beseelt und seine Taten gerechtfertigt. Daß er sein Leben für seinen Glauben einsetzte, riß die Menschen hin, die so lange keinen Helden erlebt hatten. Selbst Katholiken bewunderten den großen Ketzer insgeheim. Fünfzig Jahre früher war Wilhelm von Oranien ein Befreier gewesen, und die Niederländer hatten ihm angehangen, als wären sie behext. Aber abgesehen davon, daß jener Kampf nur einen kleinen Teil des Reiches berührt hatte, hatte Wilhelm von Oranien als Diener Philipps II. lange Zeit Verstellung üben müssen und hatte überhaupt keine so unzweideutige Haltung und kein so frei ausströmendes Wesen wie Gustav Adolf. An diesem blonden Manne mit den strahlenden blauen Augen und dem schwingenden Schritt war lauter Kraftgefühl, Freudigkeit, Zuversicht und Offenheit. Sicherlich wollte er nicht anders als die Waldemar und andere Könige des Nordens mit Deutschland um die Herrschaft über das Meer ringen, und vielleicht dachte er sogar an eine evangelische Kaiserkrone, die wenigstens den deutschen Norden an ihn gefesselt hätte; aber das wäre ja der Sieg des wahren Glaubens gewesen, den der habsburgische Kaiser verfolgte. Er konnte das Mißtrauen und die Zurückhaltung der deutschen Fürsten nicht begreifen; desto besser verstand ihn das Volk. Für die Bibelkundigen war er der Löwe aus Mitternacht, der, welcher unverletzt mitten durch die Feinde geht, wenn zehntausend zu seiner Rechten und hunderttausend zu seiner Linken fallen.

      Konnte Gustav Adolf auch den Fall und Untergang der alten Kanzlei Gottes, der ruhmvollen Stadt Magdeburg, nicht hindern, so konnte er ihn doch durch die Schlacht bei Breitenfeld rächen: Dieser folgenreiche Sieg über den nie besiegten Tilly wird einer neuen, durch Gustav Adolf eingeführten Schlachtordnung zugeschrieben, die hauptsächlich in einer größeren Beweglichkeit des Heeres bestand, zum Zweck, daß Fußvolk und Reiterei sich gegenseitig unterstützten. Tilly wußte das Fußvolk nur nach alter Weise in dicht zusammengedrängten, schwerbeweglichen Haufen zu verwenden. Den Sieg bei Leipzig oder Breitenfeld erfocht Gustav Adolf schon als Verbündeter Sachsens. Johann Georg, der dem Kaiser treu geblieben war, obwohl ihn das Verhalten desselben gegen die Lutheraner in Böhmen reizte, wurde durch das Restitutionsedikt zum Anschluß an den König von Schweden bewogen. Wieder mußte Ferdinand in der Burg von Wien vor einem Feinde zittern, diesmal vor einem mächtigen, entschlossenen, und ohne Schutzwehr. Die ligistische Armee hing mehr von Maximilian als von ihm ab, um sich eine eigene zu schaffen, fehlte ihm das Geld; so blieb ihm nichts anderes übrig, als durch weitgehende Zugeständnisse den beleidigten Wallenstein zurückzukaufen. Wallenstein, der nun wieder die Bühne des Krieges betrat, war ein anderer als zuvor. War er auch niemals eines Sinnes mit dem Kaiser gewesen, so hatte er doch an Kaisers Statt gedacht und gehandelt. Die großartigen, umwälzenden Pläne von damals hegte er nun nicht mehr, doch war er auch jetzt nicht ohne ein bedeutendes, vernünftiges Ziel. Den Kaiser berücksichtigte er dabei wenig, er dachte an das Reich und den Frieden, der auf eine billige Vermittlung zwischen den kämpfenden Parteien zu begründen wäre. Würde der Kaiser, wie vorauszusehen war, nicht darein willigen, da er es auf Unterdrückung der Protestanten absah, so würde man ihn zwingen. Wie eine solche Befriedung Deutschlands zustande kommen sollte, darüber wechselten die Ansichten je nach der Kriegslage. Zunächst mußte Wallenstein im guten oder im bösen mit Gustav Adolf fertig werden. Es scheint, daß ihm die Möglichkeit durch den Kopf ging, gemeinsam mit dem schwedischen König, dem einzigen ihm gewachsenen Gegner, eine neue Ordnung in der Mitte Europas aufzurichten; aber er blieb sich doch wohl bewußt, daß zwei Herrscherwillen sich nicht leicht in einen gießen lassen. Es mußte zwischen ihnen zum Entscheidungskampfe kommen. Beiden wurde diese Notwendigkeit klar; aber es war, als ob sie beide die zerstörende Begegnung hinauszuschieben suchten. Überhaupt schien das Auftreten Wallensteins eine verwirrende Wirkung auf Gustav Adolf auszuüben, wie wenn der spitze Blick eines Zweiflers auf einen Traumentrückten fällt. Es kam eine Stockung in seine Eroberungen, seine Bewegungen wurden langsamer; die Wallensteins waren immer zögernd und umwegig. Zwei Monate lang lagen sich die beiden Heere mit zahlreichem Troß bei Nürnberg einander gegenüber. Denn die Soldaten führten Frauen und Kinder mit, es gab Feldschulen, in denen die Kinder unterrichtet wurden, bis sie groß genug waren, um eine Waffe zu führen und sich unter die Krieger zu mischen. Als die Schwierigkeit, solche Menschenmassen zu ernähren, übergroß wurde, entschloß sich Gustav Adolf, das gut verschanzte Lager Wallensteins anzugreifen, und es wurde einen Tag lang erbittert gekämpft, ohne daß es zu einer Entscheidung kam. Dann wandte er sich nach Süden, um Bayern zu decken, und Wallenstein zog gegen Sachsen. Bei der Unzuverlässigkeit Johann Georgs hielt es Gustav Adolf für nötig, zu seinem Schutze heranzueilen: er mußte fürchten, daß der Kurfürst sich wieder dem Kaiser anschlösse. So kam es im November 1632 zu der Schlacht bei Lützen, in der die Schweden siegten, aber ihren König verloren. Gustav Adolf pflegte sich wie irgendein Soldat in das Gewühl der Schlacht zu begeben und da einzugreifen, wo etwa die Reihen wankten; er wurde verwundet und starb in den Armen seines Pagen Leubelfing, eines Nürnberger Patriziersohnes, der, während er seinen sterbenden Herrn zu decken suchte, selbst tödlich getroffen wurde.

      So war denn das große Licht, das den Protestanten wie ein Wunder aufgegangen war, erloschen. Wallenstein, von dem einzigen Gegner befreit, den er gefürchtet hatte, konnte nun verborgene Pläne ausführen. Den Absichten des Kaisers zu dienen, machte er nicht Miene. Nach dem unglücklichen Siege der Schweden wäre es ihm wahrscheinlich, wenn er schnell gehandelt hätte, möglich gewesen, die gebesserte Lage der Kaiserlichen entscheidend zu bestätigen; allein er bezog Winterquartiere in Böhmen und schien sich überhaupt dort festsetzen zu wollen. Anstatt sich gegen den Feind zu wenden, der sich unter der diplomatischen Leitung des schwedischen Kanzlers Oxenstjerna und der kriegerischen Bernhards von Weimar gesammelt hatte, verhandelte er mit ihm. Er unterhandelte mit Sachsen, mit Brandenburg, mit Schweden, mit den böhmischen Emigranten, bald dies, bald jenes bald diesem, bald jenem verheißend. Welches war seine eigentliche Absicht? Wollte er sich zum König von Böhmen machen? Wollte er die Schweden aus Deutschland vertreiben? Wollte er im Verein mit den Schweden einen Frieden diktieren? Niemand durchschaute ihn, der sich niemandem anvertraute; er schwankte wohl selbst. Sein Gichtleiden hatte in den letzten Jahren