zuzuschreiben seien, schiebt man in Deutschland, besonders auf dem Lande, alle Schuld auf die Hexen, dadurch wächst dann die Menge der Hexen, zumal die Prediger keinen Finger dagegen rühren, sondern vielmehr in dasselbe Horn blasen und keine deutsche Obrigkeit sich gegen solche Verdächtigungen erhebt. Andere Nationen sind vorsichtiger. Zu unserer Schande sind sie in dieser Sache uns voraus. – Haben denn deutsche Fürsten solche deutsche Beamten, die sogar gegen ihr Gewissen prozessieren, nur um ihren Fürsten zu gefallen? – Was werden andere Nationen sagen, die sowieso schon unsere Einfalt zu bespötteln pflegen! – Wehe, Deutschland, die Mutter so vieler Hexen, hat vor Kummer so viel geweint, daß es nicht mehr sehen kann.« Es ist ferner ein leitender Gedanke bei Spee, die Verantwortung für das, was er als Justizmorde ansah, den Fürsten und Obrigkeiten zuzusprechen. An sie wendet er sich immer wieder mit dringenden Mahnungen, eine gründliche Reform der Prozeßführung vorzunehmen, namentlich auch in bezug auf die Methode, Geständnisse durch Folterqualen zu erzwingen. »Wo sind die Augen der Fürsten, daß sie dies nicht sehen, oder wenn sie es sehen und wissen, wo ihr Gewissen, daß sie diesen das Schwert anvertrauen!« Auch Greve hat sein Buch über die Abschaffung der Folter zum Besten der Fürsten geschrieben, wie er sagte, um ihre Tribunale zu reinigen von der Schmach eines solchen Unrechts, und zum Besten der Richter, damit sich ihre Seelen nicht in solchem Pfuhle wälzen. Die Erkenntnis war bei den Erleuchteten, daß es nichts nützen werde, das Volk zu belehren – damals ohnehin ein unmögliches Beginnen –, wenn nicht von den Führern des Volkes das Gute geübt und das Schlechte verhindert würde.
Von allen Büchern gegen den Hexenwahn ist keins mit solcher Eleganz und Schärfe der Beweisführung, mit so schneidender Klarheit geschrieben, durch keines gießt sich so hinreißend der Strom der Liebe und des Zornes. Auch Weyer, Wilcken und andere waren Männer humanistischer Bildung, bei Spee mag die romanisch-humanistische Erziehung dazugekommen sein und vor allem dies, daß er ein Dichter war. Es ist unbegreiflich und sehr traurig, daß eine solche Anklage so wirkungslos verhallte. Doch hatte bekanntlich Spee einen großen persönlichen Erfolg. Als sein Freund, der Domherr Joh. Phil. Schönborn, ihn einmal auf seine früh ergrauten Haare anredete, sagte er, sie seien weiß geworden, weil er das Leiden vieler Unschuldiger und den Sieg der Ungerechtigkeit gesehen habe. Als Erzbischof von Mainz hat Schönborn später wenigstens in seiner Diözese den Hexenprozessen ein Ende gemacht, deren Höhepunkt damals ohnehin schon überschritten war; der Gebrauch der Folter wurde nicht abgeschafft.
Es ist auffallend, daß fast alle die Bekämpfer der Hexenprozesse aus dem Westen Deutschlands, aus dem Gebiet des Rheines stammen. Eine Ausnahme macht der in Jena geborene Johann Mathaeus Meyfart, der Dichter des Liedes: Jerusalem, du hochgebaute Stadt. Er war ein Jahr älter als Spee und sein Traktat über das Hexenwesen erschien fünf Jahre nach der cautio criminalis, von der er offenbar beeinflußt wurde. Er zieht wie Spee und wie Greve die Regenten, die Beamten und die Prediger zur Verantwortung. Als Inschrift über einer Folterkammer schlägt er den Vers vor: Wenn Richter trachten nach dem Gut – Die Henker dürsten nach dem Blut – Die Zeugen suchen ihre Rach – Muß Unschuld schreien Weh und Ach.
Der Verfasser einer Sammlung von Biographien, in die er auch die von Hermann Wilcken aufgenommen hat, ließ dem Bande den Titel vordrucken: Dignorum laude virorum quos Musa vetat mori immortalitas. Würdiger Männer, die die Muse nicht sterben läßt, Unsterblichkeit. Dies Wort gilt für alle diese kühnen Männer, die, als sie lebten, wenig anerkannt und zum Teil verfolgt wurden, und deren Dasein und Namen die folgenden Jahrhunderte vergaßen.
Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges
Mit dem Beginn des niederländischen Aufstandes war der Gegensatz zwischen dem alten und dem neuen Glauben zum kriegerischen Ausbruch gekommen, der nicht mehr erlosch. Wenn das Reich auch nicht unmittelbar dabei beteiligt war, da Karl V. den burgundischen Kreis ausdrücklich vom Reiche abgelöst hatte, so schlug er doch zuweilen über die Grenze; war doch das schon eine bedenkliche Tatsache, daß der Gegner Spaniens und Vertreter der Niederlande ein deutscher Fürst war und als solcher den Krieg gegen Philipp II. führte, und daß der Kurfürst von der Pfalz, Egmonts Schwager, die Aufständischen heimlich und durch seine Söhne unterstützte. Daß der Frieden erhalten blieb, lag zum Teil an der Schläfrigkeit der protestantischen Fürsten im Reich, vor allem aber an der kaiserfreundlichen Politik des mächtigsten unter ihnen, des Kurfürsten von Sachsen. August, der sein Land infolge der Enteignung seiner ernestinischen Vettern schön abgerundet vorfand und nun wie ein pfennigtreuer Gutsherr und Hausvater für das wirtschaftliche Wohl seiner Untertanen sorgte, dachte nicht daran, weitere Erwerbungen zu machen, sondern das Gewonnene festzuhalten und auszubauen. Er wußte, daß Karl V. mit der Möglichkeit gerechnet hatte, den beraubten Kurfürsten Johann Friedrich gegen Moritz auszuspielen; ebenso konnten Karls Nachfolger sich des rachsüchtigen Sohnes des Verstorbenen bedienen, wenn er, August, ihren Unwillen auf sich zöge. Dieses Verhältnis bestimmte von nun an die sächsische Politik: die neugeschaffenen Kurfürsten waren durch Moritzens vom Kaiser autorisierten Tigersprung an den Kaiser gebunden.
Die spanische Verwandtschaft machte sich zunächst bei der österreichischen Dynastie wenig geltend. Ferdinand I., obwohl er die Kinderjahre in Spanien zubrachte, wurde im Laufe seiner Regierung bewußt und unbewußt zu einem deutschen Fürsten, der im Interesse seines Sohnes gemeinsam mit ihnen die von Karl gewünschte Nachfolge Philipps bekämpfte. War er auch nicht so bedeutend und anziehend wie sein Bruder, so hat er doch durch seinen maßvollen, besonnenen Charakter in schwieriger Zeit erfolgreich gewirkt und das auseinanderfallende Reich zusammengehalten. Sein Sohn Maximilian hatte, wie es scheint, jenes berückende Etwas, jenes aus dem großen Mischkrug des Südostens aufschwebende Aroma, das man später als österreichisch oder wienerisch bezeichnete. Er wußte Katholiken und Protestanten so zu bezaubern, daß sie die Lösung des unlösbaren deutschen Schicksalsknotens von ihm erwarteten. Die Protestanten sahen in dem Erzherzog den künftigen protestantischen Kaiser, unter dessen Führung sich das ganze Reich dem neuen Glauben zuwenden würde. Indessen war Maximilian, wenn auch evangelisch, doch nicht eigentlich ein Gegner des Katholizismus, sondern des Papismus; er glaubte evangelisch zu sein, wenn er einen gereinigten Katholizismus bekenne, zu einer durch ein Konzil zu reformierenden Kirche hielte. Die Augsburger Konfession von 1530, die sogenannte Invariata, die bewußt den Gegensatz zum alten Glauben abgeschwächt hatte, wollte er als Norm für die Protestanten angesehen wissen. Ohne Wirkung konnte es auch nicht bleiben, daß er mit einer Tochter Karls V. verheiratet und mit seinem Vetter Philipp von Spanien in steter Verbindung war.
Der starke Familienzusammenhang der Habsburger bewährte sich, als Philipp II., nachdem er dreimal Witwer geworden war, als Bewerber einer Tochter Maximilians II. auftrat; von da an war der deutsche Kaiser vollends gelähmt in den Dingen, die das spanische Interesse betrafen. Zur Zeit, als der niederländische Aufstand ausbrach, erinnerte Kurfürst Friedrich von der Pfalz den Kaiser an die frühere Zeit, wo er in guter Hoffnung gestanden, Maximilian werde das durch den Heiligen Geist in ihn gepflanzte und angezündete Fünklein keineswegs erlöschen, sondern nach dem Befehl und Willen Gottes fortgelangen lassen; aber gerade von dem Pfälzer ließ sich Maximilian ungern mahnen, denn er haßte die Calvinisten, die Friedensstörer, und mißbilligte sehr die kaum verheimlichte Hilfe, die der Kurfürst und seine Söhne den niederländischen Rebellen leisteten. Acht Jahre später bat Friedrich noch einmal den Kaiser, sich der Sache der armen bedrängten Christen mit mehr Ernst anzunehmen. »Mit Ew. Maj. handle ich rund, wie ich zu tun schuldig bin, und gemein es mit derselbigen gut«, schrieb er, »verhoffe eine getreue aufrichtige Warnung von einem alten erlebten Churfürsten werde Ew. Maj. nit übel aufnemen, dieweil Ew. Maj. nunmehr so wol als ich ein gut alter erreicht, dises leben aber zergenklich ist …« Im folgenden Monat starben beide, erst der Kaiser, dann der Kurfürst. Hatte Maximilian die Protestanten enttäuscht, so mußten sie ihm doch zugestehen, daß er einen kaiserlichen Standpunkt über den Parteien einzunehmen bestrebt gewesen war. Sein in Spanien erzogener Sohn Rudolf hätte wohl im Sinne seines Oheims Philipps II. regiert; aber seelische Zerrüttung und Zerwürfnisse mit seinen Brüdern ließen ihn unsicher hin und her schwanken und schließlich sogar die Protestanten begünstigen. Unter ihm und seinem Bruder Mathias, leergelebten Schatten der Väter, breitete sich der neue Glaube in ganz Österreich, Böhmen