so kann man doch im allgemeinen sagen, daß jede vor Gericht Gezogene verloren war.
Die gesetzliche Grundlage zu den Hexenverfolgungen haben wohl die päpstliche Bulle Summis desiderantes und der Hexenhammer geschaffen; aber daß sie nicht die einzige war, geht schon daraus hervor, daß sie weder in Italien noch in anderen Ländern solchen Grad erreichten wie in Deutschland, in manchen überhaupt nicht stattfanden. Es muß im deutschen Volke eine Anlage zum Entstehen dieser Seuche gelegen haben, und das war wohl die Neigung zum Zauberwesen, zu den überirdischen Geheimnissen, die ihm eigen war. Es ist gewiß so, daß dieselbe Veranlagung sich in den verschiedenen Schichten eines Volkes sehr verschieden äußern kann: so führte die Phantasie, eine den Deutschen angeborene Kraft, einige zu religiösen Erleuchtungen, einige zu den edelsten Bezauberungen der Kunst, andere zu den Höhen des Gedankens, die rohen und einfältigen Bauern, wie Luther sie nannte, die in Armut verkümmerten, freudlosen und verbitterten, zu wüstem Aberglauben; und wie die alten Germanen glaubten, daß Frauen von dem göttlichen Anhauch besonders berührt würden, und die Frauen auch am ersten das Christentum und den neuen Glauben ergriffen, und wie sie deshalb im Altertum Verehrung genossen, so wendete sich die Beziehung zu den unsichtbaren Mächten gegen sie, wenn es sich um teuflische handelte. Diese auf der Phantasie des deutschen Volkes beruhende Grundlage hat immer bestanden, ohne daß es zu einem verheerenden Ausbruch gekommen wäre; zu einem solchen brachte es erst die Verwilderung einer erschütterten Zeit. Im Jahre 1535 dichtete ein Professor des Griechischen in Heidelberg: »Hellas und Latium stehn bei allen in gleicher Verachtung – Und die barbarische Flut strömt schon wieder herein.« Ist das auch vom Standpunkt des Humanisten gesprochen, der den Rückgang antiker Bildung infolge der Entfesselung religiöser Leidenschaften beklagt, so trifft es doch den Zustand von Verrohung des ganzen Volkes, der sich auch den Reformatoren so schreckhaft bemerkbar machte. Schon im Jahre 1508 klagte der Abt Trithemius, daß die Zahl der Hexen in allen Teilen Deutschlands zunehme und Mensch und Vieh durch sie verkomme; übrigens wurde er selbst der Zauberei verdächtigt. Das war in der Zeit vor dem Bauernkriege; nach demselben sah es auf dem Lande in jeder Beziehung noch ärger aus. Was für einen Unterschied der Bildungsgrad ausmacht, das zeigt sich in der örtlichen Verbreitung des Hexenwesens: Außerordentlich viel Brände waren in den Bistümern Bamberg und Würzburg, im Erzbistum Trier, im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, im Stift Fulda, im Kanton Bern, also in vorzugsweise ländlichen Gegenden. In den großen Städten dagegen, in Nürnberg, Frankfurt am Main, Lübeck fanden fast gar keine statt. Der Rat von Nürnberg schrieb an den von Ulm, er habe von dergleichen Trudenwerk nie etwas gehalten, auch allemal befunden, daß es keinen Grund habe; er habe deshalb nie anders gehandelt, als daß er dergleichen Personen aus seinem Gebiet verwiesen habe. Im Erzbistum Trier wurden in den Jahren 1593-97 306 Hexen verbrannt, wobei die Stadt Trier nicht mitgerechnet war, im Kanton Bern 1597-1600 über 300, im Würzburgischen in einem einzigen kleinen Orte in einem Jahre 99. Aber auch in kleineren Städten wurde gräßlich gewütet, so in Lemgo und Osnabrück, in beiden Fällen unter der Leitung eines fanatischen Bürgermeisters.
Man sollte annehmen, daß die Juristen, als zu den Gebildeten gehörig, sich bemüht hätten, den Hexenprozessen Einhalt zu tun, wozu gerade sie die Möglichkeit gehabt hätten. Allein dieser Stand befleckte sich neben den Fürsten am meisten. Durch die dauernde Beziehung zu Verbrechen und zu Strafen, die noch roher als die Verbrechen waren, ohnehin verhärtet, wurden sie durch die Aussicht auf Bereicherung vollends in das Unwesen hineingezogen. Denjenigen Juristen, die an den Universitäten, um Gutachten befragt, sich für strenge Bestrafung der Hexen aussprachen, kann die Entschuldigung zugebilligt werden, daß sie keine Vorstellung von dem Elend hatten, das sie bewirkten; die Richter hingegen, vor deren Augen sich die schauerlichen Szenen abspielten, standen auf keiner höheren Stufe als die Henker, die gewohnt waren, ihr Einkommen nach der Anzahl zerfleischter und verbrannter Körper zu berechnen.
Tröstet sich der über diesen Schandfleck der deutschen Kultur Trauernde damit, daß er meint, die Grausamkeit und Rechtlosigkeit des Verfahrens habe dem allgemeinen Bildungsstande der damaligen Zeit entsprochen, man habe es eben nicht besser gewußt, so irrt man sich. Sogar in den Kreisen des Volkes, deren Aberglaube zum Teil ein Grund der Seuche war, trat klarere Einsicht bei denen auf, die selbst betroffen wurden. Die Opfer waren sich ja bewußt, weder mit dem Teufel gebuhlt noch auf dem Brocken getanzt zu haben, sie erfuhren am eigenen Leibe, wie die Geständnisse nie begangener Absurditäten zustande kamen. Wer das Ungeheuerlichste gedankenlos für möglich gehalten hatte, fing an zu zweifeln, sowie er selbst es begangen haben sollte. Wer sich bedroht fühlte, dachte tiefer über die Anklage nach als der, den sie nichts anging; wer aber war damals nicht bedroht? Gerade die Vermögenden waren für Richter und Henker willkommene Brocken. Um die vernünftigen Einwände dieser Unglücklichen und ihrer Angehörigen kümmerte sich niemand, nur wenige vernahmen sie. Indessen gab es auch unter den Unbeteiligten viele, die das Verfahren gegen die Hexen mit Abscheu sahen und das Wahnhafte der ihnen zugrunde liegenden Vorstellungen sowie die Schuld der Richter durchschauten, und einige von diesen waren gewissenhaft und tapfer genug, um das Übel zu bekämpfen.
Oft ist Deutschland in Barbarei verfallen, kaum je in so entsetzlicher Weise wie zur Zeit der Hexenverfolgungen; aber nie hat es an solchen gefehlt, die sich darüber erhoben und das, was sie für Unrecht hielten, mit Einsetzung ihres Lebens zu überwinden suchten: Denn sowie jemand die Art, wie man mit den vermeintlichen Hexen umging, beanstandete, wurde er selbst als Zauberer verschrien und mit Folter und Scheiterhaufen bedroht. Das gräßliche Bild der zahllosen Pfähle, an denen die durch die Tortur zerfetzten Frauenleiber verbrannt wurden, würde unerträglich sein, wenn man nicht der Reihe edler Menschen gedenken könnte, die es wagten, für sie einzutreten.
Um die Zeit, als der Hexenhammer erschien, wurde der Mann geboren, der zuerst gegen die Schrecknisse auftrat, die aus ihm folgten. Heinrich Cornelius von Nettesheim, gewöhnlich Agrippa von Nettesheim genannt. Erfolgreich bekämpfte er in Metz im Jahre 1519 im Verein mit dem Syndikus der Stadt den Dominikaner und Inquisitor Savini und entriß ihm glücklich eine Bäuerin, die schon gefoltert war und verbrannt werden sollte. Die Anklage stützte sich hauptsächlich darauf, daß die Mutter der Angeklagten als Hexe verbrannt worden sei und daß nach dem Hexenhammer die Kinder von Hexen entweder dem Teufel geweiht oder vom Teufel erzeugt seien. Agrippa wandte ein, daß durch diese Lehre, angenommen, die Frau sei wirklich eine Hexe gewesen, die Macht der Taufe vernichtigt werde. »Ja, ich sage dir, unserem Glauben gemäß sind wir alle sündhaft und verflucht von Ewigkeit, Kinder des Verderbens, Söhne des Teufels und Erben der Hölle, und nur durch das Heil der Taufe wird Satanas aus uns herausgerissen.« Agrippa brachte es dahin, daß der verleumderische Ankläger mit einer Geldbuße belegt wurde. Als Savini, nachdem Agrippa Metz verlassen hatte, von neuem eine Hexenverfolgung betrieb, trat ein Freund und Schüler Agrippas gegen ihn auf und predigte so eindrucksvoll, daß das Volk, das kurz vorher die Einkerkerung der Hexe verlangt hatte, nun ihre Freilassung forderte und auch durchsetzte. Ein anderer Schüler Agrippas, der den Kampf gegen Grausamkeit und Dummheit in großartiger Weise fortsetzte, war Johann Weyer, ein Mann, der ebenso ausgezeichnet war durch Klarheit und Schärfe des Geistes wie durch Güte des Herzens und Furchtlosigkeit. Er stammte aus dem nördlichen Brabant, also aus den Niederlanden, von denen so viele Bekenner aufgeklärter Religiosität ausgegangen sind. Auch Weyer war durch und durch religiös, wie ja auch Agrippa dem Verfahren des Dominikaners aus der Religion geschöpfte Gründe entgegengesetzt hatte. Seit 1550 war er Leibarzt des Herzogs Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg, desselben, den Karl V., um ihn an seine Politik zu binden, mit seiner Nichte verheiratet hatte. Trotzdem blieb Wilhelm im Herzen dem Protestantismus geneigt, ebenso Weyer. In einem großen Werk De praestigiis daemonum, das 1563 in Basel erschien, hat Weyer die Barbarei der Hexenprozesse als Arzt und human denkender Mensch bekämpft. Er leugnet das Dasein und die Wirksamkeit des Teufels nicht, wohl aber, daß sich Teufel auf körperliche Art mit Menschen vermischen und daß die angeblichen Hexen auf zauberische Art Schaden stiften können. Die Buhlschaft der Frauen mit dem Teufel war aber das Kernstück der Hexenprozesse, worauf Anklage und Strafbarkeit gegründet wurden. Auf der anderen Seite machte Weyer die Hysterie und sonstige krankhafte Zustände der Opfer verantwortlich, wenn sie selbst sich, wie es zuweilen vorkam, des ihnen zur Last gelegten Umgangs mit dem Teufel schuldig hielten. Seine Erfahrung als Arzt setzte ihn instand, zahlreiche Beispiele von Kranken anzuführen, die durch verständige Einwirkung auf Körper und Seele geheilt wurden. Gehoben wird der beweisführende Inhalt des Buches durch die feurige