der, welcher den Zins bezahlt, »mit seinem Gut ist unterworfen Gottes Gewalt, dem Sterben, Kranken, Wasser, Feuer, Luft, Hagel, Donner, Regen, Wölfe, Tiere und böser Menschen mannigfaltiger Beschädigung. Diese Gefahren allesamt sollen den Zinsherrn betreffen: denn auf solchem und nicht auf anderem Grunde stehen seine Zinsen.« Habe der Zinsmann trotz fleißiger Arbeit keinen Gewinn erzielen können, so müsse der Zinsherr den Schaden teilen, wie im anderen Falle den Gewinn, und wolle er das nicht leiden, sei er so fromm als Räuber und Mörder. »Summa, ich dachte, der Zinskauf sei nicht Wucher; mich dünkt aber, seine Art sei, daß ihm leid ist, daß er nicht muß ein Wucher sein; es gebricht am Willen nicht und muß leider fromm sein.« Im Ausmalen der großen Gewinne, die durch Ausleihen von Kapital auf Zinsen gewonnen werden, ist es das, was ihn empört, daß der Zinsherr dabei keine Gefahr weder am Leibe noch an Waren leidet; »arbeitet nicht, sitzt hinter dem Ofen und brät Äpfel.« Der gern fröhliche Luther, der in seiner anmutigen Ausdrucksweise den Ausspruch getan hat: »Gold und Silber und alles was hübsch und schön ist, bringt von Natur mit sich eine Liebe, die vergönnt uns Gott wohl«, war kein griesgrämlicher Verächter irdischen Besitzes, fern lag ihm das schafsmäßige oder wölfische Scheelsehen späterer Theologen auf den Reichtum als solchen; aber der Reichtum sollte durch redliche Arbeit erworben werden, sollte ein gewisses Maß nicht überschreiten und nicht Schwächere beeinträchtigen. Er war mit Recht überzeugt, daß bei redlichem Erwerb ganz von selbst ein Maß innegehalten werde. »Wie sollte das immer mögen göttlich und recht zugehen, daß ein Mann in so kurzer Zeit so reich werde, daß er Könige und Kaiser auskaufen möchte«, sagt er mit deutlicher Beziehung auf die Fugger. Die Mittel, die gebraucht wurden, um zu übermäßigem Reichtum zu gelangen, verwarf er: das, was er Wucher nannte, den Zinskauf, die Gesellschaftsbildung, die Monopole, den gemeinsamen Aufkauf von Waren zum Zweck schrankenloser Preissteigerung. »Denn sie haben die Ware unter ihren Händen«, sagte er, »und machens damit, wie sie wollen, und treiben ohne alle Scheu die obberührten Stücke, daß sie steigern und niedrigen nach ihrem Gefallen und drücken und verderben alle geringen Kaufleute, gleichwie der Hecht die kleinen Fische im Wasser, gerade als wären sie Herren über Gottes Kreaturen und frei von allen Gesetzen des Glaubens und der Liebe.«
Gegen die Gesellschaften kam ein Reichstagsbeschluß zustande; aber die Kaufherren verhinderten seine Ausführung, indem sie sich klagend an den Kaiser wandten, der es mit den Geldmächten nicht verderben mochte. Darum sagte Luther: »Könige und Fürsten sollten hier dreinsehen und nach strengem Recht solches wehren. Aber ich höre, sie haben Kopf und Teil daran und geht nach dem Spruch Jesaias I, 28: Deine Fürsten sind der Diebe Gesellen geworden. Dieweil lassen sie die Diebe hängen, die einen Gulden oder einen halben gestohlen haben.«
In seinem Haß auf die Kaufleute stand Luther nicht allein; es finden sich Äußerungen in dem Sinne, daß Kaufleute den Räubern gleichzuachten seien, bei Hutten, bei Sebastian Franck und manchen andern. Das großartig Umfassende der Geistigkeit Luthers zeigt sich nun aber darin, wie er diejenigen Kaufleute, die etwa Christen und Händler zugleich sein möchten, berät und belehrt. Sie gingen, sagt er, von der fehlerhaften Ansicht aus, sie dürften ihre Ware den Leuten verkaufen, wie sie wollten. Diese Meinung sei der Ausgangspunkt schwerer Sünde; denn sie bedeute soviel wie: ich frage nichts nach meinem Nächsten und gebärde mich, als wäre ich Herr über Gottes Kreaturen. Die rechte Regel sei nicht: ich kann meine Ware so teuer verkaufen, als ich kann und will, sondern: ich mag sie so teuer geben als ich soll oder als recht und billig ist. Denn der Verkauf sei nicht eine Handlung, die in der Kaufleute Macht und Willen stehe, ohne alles Gesetz und Maß, als wäre der Mensch Gott und niemand verbunden, sondern ein Werk, das man gegen den Nächsten übe und das nicht zum Schaden und Nachteil des Nächsten getan werden solle. Mit so überlegenem Sinn, wie der Maßstab für sittliches Handeln aufgestellt ist, werden dann Ratschläge erteilt, wie der Kaufmann, der göttlichen Geboten gemäß leben will, sich in der Preisbildung verhalten soll. Luther sieht die Schwierigkeit klar, die sich dem Setzen fester Regeln entgegenstellt bei der großen Verschiedenheit der Waren und ihrer Herkunft und anderer Umstände. Am besten würde ihm das Festsetzen der Preise durch die weltliche Obrigkeit gefallen, nächstdem wäre es am besten, die Ware gelten zu lassen, wie der gemeine Markt gibt und nimmt oder wie des Landes Gewohnheit ist zu nehmen und zu geben. Er lobt an diesem Wege besonders, daß dabei für den Kaufmann die Gefahr besteht, an der Ware zu verlieren und nicht allzuviel zu gewinnen. Wenn aber der Marktpreis oder landesübliche Preis nicht zu finden ist, muß der Kaufmann den Preis nach seinem Gewissen bilden. Luther will in diesem Falle dem Kaufmann kein Maß setzen, so etwa, daß er die Hälfte oder den dritten Teil gewinnen dürfe, sondern er soll seine Mühe, Arbeit und Gefahr selbst einschätzen, denn mehr Arbeit und Zeit solle auch mehr Lohn haben, und wenn er das aufrichtig getan hat, sein Gewissen nicht durch Zweifel bedrücken lassen, ob er etwa doch zuviel gerechnet habe. Den zufälligen Mehrgewinn möge er ins Vaterunser fallen lassen, indem er bete: vergib mir meine Schuld. Es komme ja auch wohl vor, daß er einmal zu wenig bekomme, da gleiche sich's aus.
Entstanden auch die großen Vermögen nur in einem kleinen Kreise von Finanzleuten, so erfaßte die Sucht nach Gewinn, womöglich leichtem Gewinn durch Spekulation, alle Kreise. Nicht Luther allein, alle Reformatoren und Gelehrten beobachteten es mit Entrüstung und Schrecken. »Es hat die Welt«, sagt Luther, »nichts anderes gelernt als schätzen, schinden, öffentlich rauben und stehlen durch Lug, Trug, Wucher, Überteuern, Übersetzen.« Ebenso sagt Sebastian Franck, daß nichts mehr regiere als Geld, des Zankens und Rechtens um zeitliche Güter sei kein Ende. Man betrachtete allgemein die schamlose Geldgier und die rücksichtslose Art, Geld an sich zu bringen, als ein Zeichen nahen Unterganges oder, wie Melanchthon es ausdrückt, des wahnsinnigen Greisenalters der Welt. Es ist begreiflich, daß im Maße wie alle sich auf Gelderwerb einstellten, die Heilighaltung der Armut abnahm. Wie fremdartig klang in dieser Atmosphäre das Wort Gregors des Großen: Den Armen sollst du nicht als Dürftigen verachten, sondern als Patron verehren. Damit man Gelegenheit habe, sich mildtätig zu erweisen, linderte man die Armut, ohne sie beseitigen zu wollen. Diese Auffassung änderte die Reformation grundsätzlich.
Hielt Luther in der Bewertung des Reichtums den mittelalterlichen Standpunkt fest, so verließ er ihn in der Bewertung der Armut. Das hing schon mit seiner Stellung zu den Klöstern und den Klostergelübden zusammen. Die ursprüngliche kirchliche Bestimmung, daß der vierte Teil des Kirchengutes den Armen gehöre, ein Überbleibsel des Gemeinbesitzes der ersten Christen, war zwar schon lange nicht mehr in Übung; aber bei aller Verweltlichung und Entartung des Klerus blieb doch die Heilighaltung der Armut in Geltung. Mochte man lächeln, wenn der Kaiser, wie es üblich wurde, an einem bestimmten Tage armen Leuten die zuvor gewaschenen Füße wusch; es war doch ein Symbol dafür, daß in Gestalt der Armen der Herr über die Erde gehe, daß man im Bettler den Herrn aufnehme. Zu den sieben Werken der Barmherzigkeit gehörte es, die Hungrigen zu speisen, die Gefangenen zu besuchen; Armut war, ohne daß man ihren Ursprung untersuchte, des Almosens würdig. Diese Auffassung hatte sich bereits etwas geändert, seit in den Städten die weltliche Obrigkeit sich mit der Fürsorge für die Armen und Kranken beschäftigte. Durch die Reformation wurde sie in den protestantischen Ländern vollständig eine staatliche Angelegenheit. Daraus ergab sich wohl eine bessere Ordnung und Abnahme des Bettels; aber der Arme wurde aus dem Fremdling, in dem ein Gott sich verhüllte, allmählich eine überlästige Person und beinah ein Verbrecher.
Luther hat persönlich wie irgendein mittelalterlicher Bischof, ohne engherzig nach Verdienst zu forschen und ohne sein Vermögen zu veranschlagen, den Bedürftigen gegeben. Dennoch machte sich seine Ansicht vom Werte der Arbeit bemerkbar. Schon in seinen ersten Predigten betonte er, daß die gewöhnlichen irdischen Handlungen, das Leben in der Familie und im Beruf, eher gute Werke zu nennen seien als das Beten des Rosenkranzes und die Wallfahrten. Im Gottesdienst wurde die Predigt die Hauptsache, außerhalb des Gottesdienstes hörten die Protestanten auf, die Kirchen zu besuchen. Das Licht der ewigen Anbetung erlosch auf ihren Altären. Einst waren die Kirchen immer erfüllt vom Summen der Gebete, von den Klagelauten altheiliger Gesänge, vom Duft des Weihrauchs, andächtige Augen erhoben sich immer zu den Bildern der Heiligen, des Gekreuzigten. Anstatt dessen sollte nun das Hämmern der Schmiede, das Schaben des Holzes und was es immer für Arbeitsgeräusche gibt, das Lob des Herrn verkünden. Von dieser Art der guten Werke war der Arme und Kranke, der Arbeitsunfähige, ausgeschlossen.
Bei Calvin ist die Rücksicht auf das Nützliche viel mehr betont als