war, brach ein Volksaufstand aus: Die Regentin war durch die allgemeine Unzufriedenheit so beunruhigt, daß sie Egmont nach Madrid absandte, um den König zur Milderung der die Inquisition betreffenden Maßnahmen zu bewegen und ihm die Wünsche des Adels vorzutragen. Diese gingen auf Vermehrung der Macht des Staatsrates. Da viel über Übergriffe der Behörden, namentlich in Hinblick auf finanzielle Ausbeutung geklagt wurde, wünschte man sie in Abhängigkeit vom Staatsrat zu bringen; Machterweiterung und Verselbständigung des Staatsrates, in dem die Statthalter der Provinzen vertreten waren, bedeutete zugleich Verselbständigung der Niederlande gegenüber Spanien. Gegen die Absicht des Königs, die Niederlande zu einer spanischen Provinz zu machen, erhob sich der Wille der Niederlande, ihre Freiheiten und ihre Selbständigkeit zu bewahren. Die Seele dieser Bewegung war Wilhelm von Oranien. Als Kind im lutherischen Glauben erzogen, am katholischen Hofe als Katholik aufwachsend, Herr niederländischer und südfranzösischer Besitzungen, dem Kaiser von Herzen zugetan, die französische Sprache bevorzugend, so tritt Wilhelm als eine schwankende Erscheinung in die Geschichte ein, er, von dem das Lied singt: »Wilhelmus von Nassauwe – Bin ick von dütschem Blut – dem Vaterland getrowe – Blew ick tot in den Duudt!« Unter den genußfrohen niederländischen Kavalieren war er einer der reichsten, der vornehmsten, der geselligsten und liebenswürdigsten; als einen charakteristischen Zug bemerkte man an ihm seine Freundlichkeit im Umgange mit Untergebenen. Eine Rückwendung zum Luthertum schien sich zum erstenmal im Jahre 1561 in seiner Heirat mit Anna, der Tochter des verstorbenen Moritz von Sachsen, auszudrücken, die er trotz des Widerstandes des Königs von Spanien und des alten Landgrafen Philipp von Hessen mit beinah erschreckendem diplomatischem Geschick durchsetzte. Philipp von Hessen, der seine durch Moritzens Sieg erwirkte Befreiung um mehr als ein Jahrzehnt überlebt hat, mißtraute dem Abtrünnigen oder Zweizüngigen; Philipp von Spanien konnte eine Verbindung mit der Tochter jenes Moritz, der seinen Vater verraten hatte, eines Ketzers, unmöglich billigen. Es ist anzunehmen, daß Oranien damals schon für alle Fälle sich einen Rückhalt bei den protestantischen Fürsten im Reich zu sichern gedachte. Nicht geringen Einfluß hatte wohl sein jüngerer Bruder Ludwig auf ihn. Dieser, in der festen Gläubigkeit des elterlichen Hauses aufgewachsen, der Liebling der Mutter, ein einfacher, gerader Charakter, immer unbedenklich bereit, sich für seine Überzeugung einzusetzen, hielt sich viel bei dem älteren Bruder auf, dem Familienoberhaupt seit dem Tode des Vaters, und vermittelte den Zusammenhang mit der deutschen lutherischen Familie.
Zwischen dem Lächeln des Königs und seiner Ungnade liegt nur die Breite eines Messerrückens, sagte man in Spanien. Es war eine Eigentümlichkeit Philipps, daß er diejenigen, deren Untergang er beschlossen hatte, mit ausgesuchter Herablassung behandelte. Wie ein Freund ausgezeichnet kehrte Egmont siegessicher zurück; indessen ließ Philipp die Regentin wissen, daß keinerlei Zugeständnisse gemacht werden sollten. Der Staatsrat sollte nicht gestärkt, die Inquisition sollte nicht gemildert werden. Die Regentin zögerte, den harten Beschluß bekanntzumachen, Oranien, der es offenbar zu einer Entscheidung kommen lassen wollte, bewirkte, daß es doch geschah. In dieser Stunde allgemeiner Besorgnis und Unruhe, grollenden Unwillens im Volke, trat der niedere Adel handelnd auf. Er war geführt von Heinrich von Brederode und Philipp Marnix, Herr von Ste. Aldegonde. Brederode, ein Abkömmling der holländischen Grafen, gehörte durch Geburt dem hohen Adel an, hielt sich aber zum niederen. In ihm kam das niederländische Tafeln und Bankettieren, die elementare Freiheits- und Kampflust nordischen Meervolks zum Ausdruck. Er haßte das Wasser und die Inquisition. »In Eurem Brief«, schrieb er einmal an Ludwig von Nassau, »sprecht Ihr von nichts als von diesen Spitzbuben von Bischöfen und Präsidenten. Ich wollte, die Rasse würde ausgerottet wie die der grünen Hunde: Sie werden immer mit den Waffen kämpfen, die sie von alters her angewandt haben, und bis zu Ende habsüchtig, brutal, eigensinnig et cetera bleiben.« Marnix, aus altem savoyischem Adel, war gebildet und geistvoll, ein Gelehrter, ein Dichter, tapferer Soldat und von der unbeugsamen Leidenschaft des Calvinismus durchdrungen. Seine Devise war Repos ailleurs. Er soll der Verfasser des sogenannten Kompromiß sein, der Bundesurkunde, in welcher der niedere Adel, seine aufrichtige Anhänglichkeit an den König betonend, Zurücknahme der Plakate forderte, durch welche die Inquisition verschärft wurde, und Zusammenberufung der Generalstaaten. Der Kompromiß wurde von einer großen Zahl von Adligen, katholischen wie protestantischen, unterschrieben. Die Unterschrift Ludwigs von Nassau verriet, daß Wilhelm dem Unternehmen nicht fernstand, obwohl der hohe Adel bei diesem Schritt nicht beteiligt war. Anfang April 1566 zogen 300 Edelleute in Brüssel ein, in feierlichem Aufzug, ohne Waffen, um der Regentin ihre Wünsche vorzutragen. Margarethe, entrüstet, aber furchtsam, versprach, sie an den König weiterzuleiten und zu befürworten. Bei dieser Gelegenheit soll das Wort gueux, Bettler, gefallen sein, um die Verschworenen verächtlich zu machen; sie bemächtigten sich seiner und führten es seitdem zur Bezeichnung ihrer Partei. Lange Jahre des Kampfes haben dem Namen der Geusen einen Metallklang von Rebellion, Abenteuer und Ruhm beigemischt. Einige Abende nach dem Empfang im Schlosse veranstaltete Brederode ein Bankett, um den günstigen Bescheid zu feiern; in ausgelassener Stimmung wählte er einen Schnappsack und einen Holznapf als Abzeichen der Geusen. Jeder Anwesende schlug zum Zeichen der Verbrüderung einen Nagel in den Napf, aus dem alle tranken. Es war bedeutungsvoll, daß Oranien und Egmont als zufällig Vorübergehende beim Bankett vorsprachen. Brederode ließ auch einen Pfennig schlagen, auf dem eine Hand mit dem Dolche, von Flammen umgeben, mit Beziehung auf Mucius Scävola, geprägt war. Die Umschrift hieß: agere et pati fortiora. Es war deutlich, welche Glut die zur Schau getragene loyale Gesinnung verhüllte.
Die Tatsache, daß sich ein Bund von Adligen gebildet hatte, der die Forderungen des Volkes vertrat, wurde vom Volke als ein Sieg aufgefaßt. Sie wirkte wie eine Bresche in einer Festung, durch welche die Masse der harrenden, aufs äußerste erhitzten Belagerer eindringen kann. Viele Jahre lang hatte das Volk seinen Glauben verstecken oder die Bekenner seines Glaubens martern und verbrennen sehen müssen: der erste Schritt öffentlichen Widerstandes gab das Zeichen zum Ausbruch der Revolution. In Antwerpen wurde der Schmuck im Innern der schönen Kathedrale zerstört; von Antwerpen aus raste der Bildersturm weiter, so daß in wenigen Tagen in allen Provinzen mit Ausnahme von Hennegau und Luxemburg die Ausstattung von Hunderten von Kirchen und Klöstern vernichtet war. Was Andacht und Kunst der Väter in Jahrhunderten zur Verehrung des Heiligen zusammengetragen hatten, zertrümmerte in wenigen Tagen der durch Fanatismus erregte Fanatismus eines verzweifelten Volkes.
Der Ausbruch der Volkswut gab dem Könige Anlaß, die von ihm beabsichtigte Umwandlung der bis zu einem hohen Grade selbständigen Niederlande in eine spanische Provinz auszuführen, aus einem Grafen von Holland, Grafen von Flandern, Herzog von Brabant und so weiter König der Niederlande zu werden. Um die Unterwürfigkeit seiner niederländischen Untertanen zu erproben und sie zugleich zu binden, forderte er von allen Beamten, herab vom Statthalter bis zu den niedersten Graden auch im Heere, einen neuen bis dahin nicht üblichen Eid, der sie verpflichtete, die Befehle des Königs überall und gegen jedermann, ohne Ausnahme und Einschränkung, auszuführen. Im allgemeinen wurde der Eid geleistet; Oranien, Egmont, Hoorne, Hoogstraaten, Brederode weigerten sich. Oranien, der wußte, daß in Madrid beschlossen war, den Herzog von Alba an der Spitze eines Heeres in die Niederlande zu schicken, dachte an bewaffneten Widerstand, großartige Pläne wurden besprochen; sie beruhten auf dem Beistande der Stadt Antwerpen und auf der Teilnahme Egmonts. Antwerpen war bereit, Egmont nicht. Im Anfang des Jahres 1567 leistete er, trotz der anfänglichen Ablehnung, den Eid, ihm folgten Hoogstraaten und Hoorne; einzig Oranien und Brederode beharrten. Mit Aufbietung aller Kraft, bittend und beschwörend von einem zum anderen eilend, bis er ohnmächtig zusammenbrach, setzte Oranien die Einigung der Religionsparteien in Antwerpen durch. Trotzdem glückte die erhoffte Erhebung nicht. Wie es so oft zu gehen pflegt, wurde freiwillig das Geld für die eigenen Interessen nicht aufgebracht, das ein Wink des siegreichen Feindes später zehnfach zutage förderte. Ohne Geld konnte kein Heer geworben werden. Die protestantischen Fürsten des Reiches forderten von Oranien, daß er sich zu Luther bekenne; dadurch, daß er es tat, vermehrte er die Zerwürfnisse unter seinen Anhängern, die überwiegend Calvinisten waren. Zu einer durchgreifenden Hilfe entschlossen sich die Reichsfürsten doch nicht, einzig der alte Philipp von Hessen, immer noch kampflustig, stand nun ganz auf seiner Seite und warnte ihn, kurz vor seinem Tode, vor Albas Tücke. Oranien sah ein, daß er das Feld räumen müsse. Nachdem er Antwerpen beruhigt hatte, zog er sich nach Nassau zurück, begleitet von den letzten treugebliebenen Anhängern des Adelsbundes. Brederode ging nach Emden,