ängstlich gespannten Frauenseelen! – Raunt der einen ein Wort ins Ohr – und mitten in ihrem Zauberkreise krümmt sich diese stolze Sicherheit ächzend zu euren Füßen; der andern ein andres – und die kalte, vernünftig sprechende, große Dame, die eine Heirat eingehen will, wie einen vorteilhaften Handel, wird von der Leidenschaft emporgeschnellt, daß sie »ein Schauspiel für Götter« abgibt. Eine unnennbare Angst schnürte Katharinen die Brust zusammmen; sie verzagte, aus der Alten etwas herauszubringen; diese lauerte durch ihre grauen Wimpern mit derselben innern Angst, daß man darauf ausgehe, sie zu fangen, daß man Dingen auf die Spur kommen wolle, die sie verderben würden.
»Ihr glaubt also auch, daß sich gegen die Angabe des Herrn von Schemmey nichts einwenden lasse, Mutter Fahrstein?« hob Katharina wieder an.
Margret rückte den Schemel, worauf sie ihre Füße gestellt hatte, zur Seite, schlug mit einem Tuche den Staub herunter und sagte: »Ihr seid eine vornehme Dame, aber ich hoffe, daß Ihr einer alten Frau einen Gefallen tut; ich sehe nicht gut mehr und mit dem Hören geht es noch schlechter! Ja, ich bin alt und grau geworden, aber in Ehren; am letzten Palmsonntag sind es dreiundsechzig Jahre gewesen, seit ich zum erstenmal zur Kommunion ging.«
Ihre letzten Worte schienen eine Gedankenreihe in ihr zu erwecken, welcher sie für eine Weile zerstreut nachging. Dann fuhr sie auf und sagte: »Tut mir den Gefallen und kniet hier nieder, daß ich Euch besser verstehen kann.«
Katharina war es nichts weniger als angenehm, den forschenden Blicken der Alten sich so nahe auszusetzen; aber sie willfahrte ihr, um sie in guter Laune zu erhalten. Sie kniete auf den Schemel neben dem Stuhle Margrets nieder und stützte ihre Ellbogen auf die Armlehne desselben.
»Jetzt sitz' ich neben Euch, als ob ich Euch beichten wollte,« sagte sie.
»Ja, so sitzt Ihr; beichtet Ihr oft?«
»Alle Monat, Margret.«
»Alle Monat«, versetzte Mutter Fahrstein nachdenklich; »ja, das ist oft; Ihr könnt nicht viel zu beichten haben! Weshalb tut Ihr es?«
Katharina wär' in der letzten Zeit vielleicht nicht so eifrig gewesen, die Gebote ihrer Kirche zu erfüllen, hätte nicht ihre Präbende als Stiftsdame ihr es zur Pflicht gemacht; aber in der Hoffnung, die Alte zu erweichen, von der sie wußte, daß sie nie die Sakramente empfange, versetzte sie: »Wir sind schwache Menschen und zudem können wir über Nacht abgerufen werden. Niemand weiß, wann die Stunde kommt.«
»Was haltet Ihr von jemand, der gar nicht beichten geht?«
»Gott ist barmherzig; aber, wenn es seine eigene Schuld ist, die Kirche sagt, daß er ewig verdammt sei. Doch lassen wir das. Wollt Ihr mir nicht Eure Meinung sagen, Mutter Fahrstein?«
Margret antwortete nicht, sondern blickte eine Zeitlang stier in die Flamme vor ihr; dann ging ein leises Zucken durch ihre Gestalt, sie fuhr mit der zitternden Hand über ihre Brauen, legte sie auf Katharinens Haar und schaute ihr angestrengt ins Gesicht.
»Soll ich nicht meinen Sohn rufen lassen?« fragte sie leise und sanft. »Ihr seid ihm immer so freundlich gewesen, wie er mir gesagt hat, und es würde dem armen Blut eine Freude sein, wenn er Euch wiedersähe und Ihr ihn so gütig einmal wieder anredetet, wie er früher von Euch gewohnt gewesen; er ist so allein und verlassen hier!«
Es war Katharina nicht wohl möglich, ihr: nein, nein, noch nicht! mit so viel Ruhe auszusprechen, wie sie sich bestrebte; ihre Worte stockten, wie vom Schluchzen unterbrochen.
»Wenn Ihr eine Frau wie Margret Fahrstein fangen wollt, so steht nächstens früher auf, Kind!« rief die Alte mit einem heiseren Lachen. »Bleibt nur sitzen, ich weiß genug«, fuhr sie darauf fort. »Mit Eurer Durchreise durch Kraneck ist es nichts, auch mit Eurer Verlobung nichts, denn Ihr liebt meinen Sohn. Ihr tut recht daran, er verdient es, und Euer Herr von Schemmey ist ein Betrüger; was hat er für Beweise? Sie sind falsch! Ihr aber seid hierher gekommen, um meinen Sohn zu sehen. Und um einen Vorwand zu haben, habt Ihr Euch eine Geschichte erdacht, als sei jemand in M., der sich für einen Sohn der Familie ausgebe, in der ich so lange diente und deren Kinder alle dahin sind, wo ihre Eltern. Es lautete ganz gut, daß ihr gekommen seid, die alte Fahrstein um Auskunft anzugehen! Es ist kein Herr von Schemmey in M.« Die Alte lachte wieder und blickte triumphierend auf Katharine herab.
»Das kann ich beschwören«, rief diese aufspringend.
»So? Dann ist er ein Schuft!«
Margret wurde wieder still und murmelte eine Weile unverständliche Worte vor sich hin. »Mein Junge hat Euch im Herzen,« sagte sie dann lauter, »und deshalb siecht er. Ihr liebt ihn auch, ich will Euch die Papiere geben, denn er soll am Leben bleiben, und ich will nicht auch noch schuld sein, daß Ihr auf schlechte Wege kommt, Kind. Wir sind schwache Menschen, und niemand weiß, wann seine Stunde kommt. Ich will wieder beichten gehen. Ich will Euch die Papiere geben; sagt auch nur – aber, wollt Ihr meinen Sohn heiraten?«
»Margret, wie denkt Ihr daran?«
»Wenn mein Sohn ein Kavalier ist, so adlig wie Ihr, und noch reicher?«
»Ihr scherzt!«
»Seh' ich aus, als ob ich scherze? Einfältige Ziererei! Sagt ja, und gebt mir die Hand!«
Katharina reichte ihr in freudigster Angst und Spannung auf ihre weiteren Worte die Hand, ohne einen Laut hervorbringen zu können.
»Ich will Euch die Beweise geben, aber laßt mich mit Fragen ungeschoren. Sagt nur, ich hätte Bernhard gerettet, daß ihm nicht auch der Hals umgedreht würde; ich habe ihn aufziehen lassen auf einem Dorfe bei Paris – es war eine kleine Meierei, die Frau ging in die Stadt, Milch zu verkaufen, und kam auch in unser Haus damit. Es war um diese Zeit, im Frühling, und eine dunkle, regnerische Nacht, als ich hinausging. Am Tore zündeten sie die Laternen wieder an, die der Wind ausgelöscht hatte, und deshalb sahen sie mich nicht. Das Kind wimmerte, ja, ja, ich weiß es noch, als ob es gestern geschehen wäre. Es war ein saurer Gang, aber ich hatte schon schlimmere Nächte durchwacht!« Sie schwieg wieder.
Das Stück Bekenntnis, das Margret abgelegt hatte, gewährte ihr eine Erleichterung, daß sie immer heftiger den Drang fühlte, sich ganz auszuschütten. Der Gedanke an den Tod erschütterte sie, nachdem jemand anderes sie daran gemahnt hatte, mehr wie je vorher, wie uns immer das, was ein dritter sagt, tief ergreift, und haben wir es uns auch hundertmal vorher selbst gesagt. Die frühe Angewöhnung, in den Heilmitteln ihrer Kirche die Beruhigung zu suchen, die sie jetzt so lange von sich gewiesen hatte, ward mit einer unbezwinglichen Gewalt in ihr rege. »Ja, ich will beichten,« sagte sie flüsternd, »wir können über Nacht sterben; ich will Euch beichten, kniet da wieder auf den Schemel. Wenn ich's einen Pfaffen sage, der versteht mich nicht und weiß nichts von dem, was ein junges Mädchen für Leid haben kann. Deshalb hab' ich's so lange nicht getan; allein deshalb; glaubt Ihr mir nicht?«
»Ja, Margret, ich glaube Euch.«
»Das wüßt' ich wohl. Ihr seid ein Weib, und Ihr liebt ihn; Ihr könnt nicht so lieben, wie ich es getan habe, aber Ihr werdet mich verstehen. Wollt Ihr sagen, daß ich die Schuld habe? Nein, ich habe die Schuld nicht –«
»Und wer hat sie denn?«
»Er hat sie, Bernhards Vater hat sie. Er war ein schöner Mann, groß und schlank, und seine Augen waren dunkel wie Kohlen; er konnte auch sprechen, wie ich es von keinem Manne gehört habe. Ich stand einmal im Garten, in der Dämmerung war es; er ritt an der anderen Seite der Hecke vorüber, und da fiel mir zuerst ein, daß er so schön sei, obwohl seine Mutter mir es schon oft gesagt hatte. Gleich nachher kam er zu mir; er schwor, daß er mich lieber habe als alle adligen Damen im Lande zusammengenommen. Damals hatte er es auch, und auch später hat er mich immer angesehen, als wolle er sagen, es tu' ihm nicht leid, daß er mich so lieb gehabt. Er hatte mir versprochen, mich zu seiner rechten Frau zu machen; seine Mutter, das falsche Weib, hatte es mir auch versprochen, daß ich ihre Schwiegertochter werden sollte, was ich vor Gott schon war. Er müsse nur erst majorenn werden, sagte sie, um seiner Vormünder willen. Jawohl, als er majorenn war – die alte Frau von Schemmey war unterdes gestorben –, da ging er hin und nahm eine andere, eine einfältige, dumme Gans, die ins Haus zog und anfing zu regieren, als sei ich mit allen