oft und wie bedeutend die Abweichungen den normalen Muskeln der niedern Thiere ähneln. Er faßt es in der folgenden Weise zusammen: »Es wird für meinen Zweck genügen, wenn es mir gelungen ist, die wichtigsten Formen nachzuweisen, welche, sobald sie am menschlichen Körper als Varietäten auftreten, in einer hinreichend charakteristischen Weise das darbieten, was man in diesem Zweige der wissenschaftlichen Anatomie als Beweise und Beispiele für das Darwinsche Princip des Rückschlags oder das Gesetz der Vererbung betrachten kann.«
Correlatives Abändern. Beim Menschen stehen wie bei den niederen Thieren viele Bildungen in einer so intimen Beziehung zu einander, daß, wenn der eine Theil abweicht, ein anderer es gleichfalls thut, ohne daß wir in den meisten Fällen im Stande wären, irgend einen Grund beizubringen. Wir können nicht sagen, ob der eine Theil den andern beherrscht oder ob beide von irgend einem früher entwickelten Theile beherrscht werden. Wie Isid. Geoffroy wiederholt betont hat, sind in dieser Weise verschiedene Monstrositäten ganz eng mit einander verknüpft. Ganz besonders sind homologe Bildungen geneigt, gemeinsam abzuändern, wie wir es an den beiden Seiten des Körpers und an den oberen und unteren Gliedmaßen sehen. Meckel hat schon vor langer Zeit die Bemerkung gemacht, daß, wenn die Armmuskeln von ihrem eigentlichen Typus abweichen, sie fast immer die Verhältnisse der Muskeln des Beins wiederholen; und so umgekehrt mit den Beinmuskeln. Die Organe des Gesichts und Gehörs, die Zähne und Haare, die Farbe der Haut und der Haare, Farbe und Constitution stehen mehr oder weniger in Correlation.113 Professor Schaaffhausen hat zuerst die Aufmerksamkeit auf die Beziehung gelenkt, welche offenbar zwischen einem muskulösen Bau und den stark ausgesprochenen Oberaugenhöhlenleisten existiert, wie sie für die niederen Menschenrassen so charakteristisch sind.
Außer den Abänderungen, welche mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit unter die vorgenannte Kategorie gruppiert werden können, giebt es noch eine große Classe von Variationen, welche provisorisch als spontane bezeichnet werden können; in Folge unserer Unwissenheit scheinen sie nämlich ohne irgendwelche anregende Ursache zu entstehen. Es kann indeß gezeigt werden, daß derartige Abänderungen, mögen sie nun in unbedeutenden individuellen Verschiedenheiten oder in stark markierten und plötzlichen Abweichungen des Baues bestehen, viel mehr von der Constitution des Organismus abhängen als von der Natur der Bedingungen, welchen derselbe ausgesetzt war.114
Verhältnis der Zunahme. – Man weiß, daß civilisierte Völker unter günstigen Bedingungen, wie in den Vereinigten Staaten, ihre Zahl in fünfundzwanzig Jahren verdoppeln, und nach einer Berechnung von Euler kann dies in wenig über zwölf Jahren eintreten.115 Nach dem ersterwähnten Verhältnis würde die jetzige Bevölkerung der Vereinigten Staaten, nämlich dreißig Millionen, in 657 Jahren die ganze Erdoberfläche, Wasser und Land, so dicht bevölkern, daß auf einem Quadratyard vier Menschen zu stehen haben würden. Das primäre und fundamentale Hindernis für die fortgesetzte Zunahme des Menschen ist die Schwierigkeit, Existenzmittel zu erlangen und mit Leichtigkeit leben zu können. Daß dies der Fall ist, können wir aus dem schließen, was wir z. B. in den Vereinigten Staaten sehen, wo die Existenz leicht und Raum für Viele vorhanden ist. Würden diese Mittel plötzlich in Groß-Britannien verdoppelt, so würde sich auch unsere Einwohnerzahl schnell verdoppeln. Bei civilisierten Nationen wirkt das oben erwähnte primäre Hindernis hauptsächlich durch das Erschweren der Heirathen. Auch ist das Sterblichkeitsverhältnis der Kinder in den ärmsten Classen von großer Bedeutung, ebenso die größere Sterblichkeit auf allen Altersstufen, in Folge verschiedener Krankheiten, bei den Bewohnern dicht bevölkerter und elender Häuser. Die Wirkungen schwerer Epidemien und Kriege werden bald bei Nationen ausgeglichen, welche unter günstigen Bedingungen leben, und sogar mehr als ausgeglichen. Auch kommt Auswanderung als ein zeitweises Hindernis der Zunahme in Betracht, aber bei den äußerst armen Classen in keiner großen Ausdehnung.
Wie Malthus bemerkt hat, haben wir Grund zu vermuthen, daß die Reproductionskraft bei barbarischen Rassen thatsächlich geringer ist als bei civilisierten. Positives wissen wir über diesen Gegenstand nicht, denn bei Wilden ist eine Volkszählung nie vorgenommen worden; aber nach den übereinstimmenden Zeugnissen der Missionäre und Anderer, welche lange mit solchen Völkern gelebt haben, scheint es, daß ihre Familien gewöhnlich klein, daß große Familien dagegen im Ganzen selten sind. Zum Theil wird dies, wie man annimmt, dadurch zu erklären sein, daß die Frauen ihre Kinder eine sehr lange Zeit hindurch stillen; aber es ist doch auch äußerst wahrscheinlich, daß Wilde, welche oft viel Noth leiden und welche keine so reichliche und nahrhafte Kost erhalten wie civilisierte Menschen, factisch weniger fruchtbar sind. In einem früheren Werke116 habe ich gezeigt, daß alle unsere domesticierten Vierfüßer und Vögel und alle unsere cultivierten Pflanzen fruchtbarer sind als die entsprechenden Species im Naturzustande. Die Thatsachen, daß plötzlich mit einem Excess von Nahrung versorgte oder sehr fett gemachte Thiere und daß plötzlich aus einem sehr armen in einen sehr reichen Boden versetzte Pflanzen mehr oder weniger steril gemacht werden, bieten keinen triftigen Einwand gegen diesen Schluß dar. Wir dürfen daher erwarten, daß civilisierte Menschen, welche in einem gewissen Sinne hoch domesticiert sind, fruchtbarer als wilde Menschen seien. Es ist auch wahrscheinlich, daß die erhöhte Fruchtbarkeit civilisierter Nationen, wie es bei unsern domesticierten Thieren der Fall ist, ein erblicher Charakter wird; es ist wenigstens bekannt, daß beim Menschen eine Neigung zu Zwillingsgeburten durch Familien läuft.117
Trotzdem, daß Wilde weniger fruchtbar erscheinen als civilisierte Völker, würden sie doch an Zahl reißend zunehmen, wenn nicht ihre Menge durch gewisse Einflüsse stark niedergehalten würde. Die Santali oder Bergstämme von Indien haben in neuerer Zeit für diese Thatsache eine gute Erläuterung gegeben; sie haben sich nämlich, wie Mr. Hunter118 gezeigt hat, seitdem die Vaccination eingeführt worden ist, andere Seuchen gemildert sind und der Krieg rücksichtslos unterdrückt worden ist, in einem außerordentlichen Maße vermehrt. Diese Zunahme hätte indeß nicht möglich sein können, wenn dieses rohe Volk sich nicht in die benachbarten Districte verbreitet und dort um Lohn gearbeitet hätte. Wilde heirathen fast immer; es tritt aber irgend eine kluge Rückhaltung doch ein, denn sie heirathen gewöhnlich nicht in dem Alter, in welchem das Heirathen am frühesten möglich ist. Häufig verlangt man von den jungen Männern den Nachweis, daß sie ein Weib erhalten können, und sie haben gewöhnlich zunächst die Summe zu verdienen, um welche sie die Frau von ihren Eltern kaufen. Bei Wilden beschränkt die Schwierigkeit, eine Subsistenz zu finden, ihre Zahl gelegentlich in viel directerer Weise als bei civilisierteren Völkern; denn alle Stämme leiden periodisch an schweren Hungersnöthen. Zu solchen Zeiten sind die Wilden gezwungen, viel schlechte Nahrung zu verzehren, und es kann nicht ausbleiben, daß ihre Gesundheit hierdurch geschädigt wird. Viele Berichte sind über ihre geschwollenen Bäuche und abgemagerten Gliedmaßen nach und während der Hungersnoth veröffentlicht worden. Ferner sind sie auch dann gezwungen viel umherzuwandern und, wie man mir in Australien versicherte, kommen ihre Kinder in großen Zahlen um. Da die Zeiten der Hungersnoth periodisch wiederkehren und hauptsächlich von extremen Verhältnissen der Jahreszeiten abhängen, so müssen alle Stämme in ihrer Zahl schwanken, sie können nicht stetig und regelmäßig zunehmen, da für die Versorgung mit Nahrung keine künstliche Zufuhr eintritt. Gelangen Wilde in Noth, so greifen sie gegenseitig in ihre Territorien über und das Resultat ist Krieg; doch sind sie in der That fast immer mit ihren Nachbarn im Krieg. Zu Wasser und zu Lande sind sie bei ihren Bemühungen um Nahrung vielen Zufällen ausgesetzt, und in manchen Ländern müssen sie auch von den größeren Raubthieren viel leiden. Selbst in Indien sind manche Districte durch die Räubereien der Tiger geradezu entvölkert worden.
Malthus hat diese verschiedenen Hindernisse erörtert; er betont aber dasjenige nicht stark genug, welches wahrscheinlich das bedeutungsvollste von allen ist, nämlich Kindermord, und besonders die Tödtung weiblicher Kinder, und die Gewohnheit, Fehlgeburten zu veranlassen. Diese Gebräuche herrschen jetzt in vielen Theilen der Erde, und früher