die kräftigeren oder anziehenderen Männchen, welche früher erzeugt wurden, doch immer noch mindestens ebensoviel Wahrscheinlichkeit haben, Nachkommen zu hinterlassen, als die weniger kräftigen und weniger anziehenden.
Polygamie. – Die Gewohnheit der Polygamie führt zu denselben Resultaten, welche aus einer factischen Ungleichheit in der Zahl der Geschlechter sich ergeben würden. Denn wenn jedes Männchen sich zwei oder mehrere Weibchen verschafft, so werden viele Männchen nicht im Stande sein, sich zu paaren; und zuverlässig werden diese letzteren die schwächeren oder weniger anziehenden Individuen sein. Viele Säugethiere und einige wenige Vögel sind polygam; bei Thieren indessen, welche zu den niederen Classen gehören, habe ich keine Zeugnisse hierfür gefunden. Die intellectuellen Kräfte solcher Thiere sind vielleicht nicht hinreichend groß, um sie dazu zu führen, einen Harem von Weibchen um sich zu sammeln und zu bewachen. Daß irgend eine Beziehung zwischen Polygamie und der Entwicklung secundärer Sexualcharaktere existiert, scheint ziemlich sicher zu sein; und dies unterstützt die Ansicht, daß ein numerisches Übergewicht der Männchen der Thätigkeit geschlechtlicher Zuchtwahl ganz außerordentlich günstig sein würde. Nichtsdestoweniger bieten viele Thiere, besonders Vögel, welche ganz streng monogam leben, scharf ausgesprochene secundäre Sexualcharaktere dar, während andrerseits einige wenige Thiere, welche polygam leben, nicht in dieser Weise ausgezeichnet sind.
Wir wollen zuerst schnell die Classe der Säugethiere durchlaufen und uns dann zu den Vögeln wenden. Der Gorilla scheint polygam zu sein, und das Männchen weicht beträchtlich vom Weibchen ab. Dasselbe gilt für einige Paviane, welche in Herden leben, die zweimal so viele erwachsene Weibchen als Männchen enthalten. In Süd-Amerika bietet der Mycetes caraya gut ausgesprochene geschlechtliche Verschiedenheiten in der Färbung, dem Barte und den Stimmorganen dar; und das Männchen lebt meist mit zwei oder drei Weibchen. Das Männchen des Cebus capucinus weicht etwas von dem Weibchen ab und scheint auch polygam zu sein.443 In Bezug auf die meisten anderen Affen ist über diesen Punkt nur wenig bekannt, aber manche Species sind streng monogam. Die Wiederkäuer sind ganz außerordentlich polygam und sie bieten häufiger geschlechtliche Verschiedenheiten dar als vielleicht irgend eine andere Gruppe von Säugethieren, besonders in ihren Waffen, aber gleichfalls in anderen Merkmalen. Die meisten hirschartigen, rinderartigen Thiere und Schafe sind polygam, wie es auch die meisten Antilopen sind, obgleich einige der letzteren monogam leben. Sir Andrew Smith erzählt von den Antilopen in Süd-Afrika und sagt, daß in Herden von ungefähr einem Dutzend selten mehr als ein reifes Männchen sich findet. Die asiatische Antilope Saiga scheint der ausschweifendste Polygamist in der Welt zu sein; denn Pallas444 giebt an, daß das Männchen sämmtliche Nebenbuhler forttreibt und eine Herde von ungefähr Hundert um sich sammelt, welche aus Weibchen und Kälbern besteht. Das Weibchen ist hornlos und hat weichere Haare, weicht aber in anderer Weise nicht viel vom Männchen ab. Das wilde Pferd der Falkland-Inseln und der westlichen Staaten von Nord-Amerika ist polygam; mit Ausnahme der bedeutenderen Größe und der Verhältnisse des Körpers weicht aber der Hengst nur wenig von der Stute ab. Der wilde Eber bietet in seinen großen Hauern und einigen anderen Charakteren scharf markierte sexuelle Merkmale dar. In Europa und in Indien führt er mit Ausnahme der Brunstzeit ein einsames Leben, aber um diese Zeit vergesellschaftet er sich in Indien mit mehreren Weibchen, wie Sir W. Elliot annimmt, welcher reiche Erfahrung in der Beobachtung dieses Thieres besitzt. Ob dies auch für den Eber in Europa gilt, ist zweifelhaft, doch wird es von einigen Angaben unterstützt. Der erwachsene männliche indische Elefant bringt, wie der Eber, einen großen Theil seiner Zeit in Einsamkeit hin; aber wenn er sich mit anderen Thieren zusammenthut, so findet man, wie Dr. Campbell angiebt, »selten mehr als ein Männchen mit einer großen Herde von Weibchen«. Die größeren Männchen treiben die kleineren und schwächeren fort oder tödten sie. Das Männchen weicht vom Weibchen durch seine ungeheueren Stoßzähne und bedeutendere Größe, Kraft und Ausdauer ab. Die Verschiedenheit ist in dieser letzteren Beziehung so groß, daß die Männchen, wenn sie gefangen sind, um ein Fünftel höher geschätzt werden als die Weibchen.445 Bei anderen pachydermen Thieren weichen die Geschlechter sehr wenig oder gar nicht von einander ab, auch sind sie, soweit es bekannt ist, keine Polygamisten. Von keiner Species aus den Ordnungen der Chiroptern, Edentaten, Nagethiere und Insectenfresser habe ich gehört, daß sie polygam sei, mit Ausnahme der gemeinen Ratte unter den Nagern, von der, wie einige Rattenfänger versichern, die Männchen mit mehreren Weibchen leben. Nichtsdestoweniger weichen die beiden Geschlechter einiger Faulthiere (Edentaten) in dem Charakter und der Farbe gewisser Gruppen von Haaren an den Schultern von einander ab.446 Auch bieten viele Arten von Fledermäusen (Chiroptern) gut ausgesprochene geschlechtliche Verschiedenheiten dar, hauptsächlich in dem Umstande, daß die Männchen Riech-Drüsen und -Taschen besitzen und von hellerer Färbung sind.447 In der großen Ordnung der Nager weichen, soweit ich es habe verfolgen können, die Geschlechter nur selten von einander ab, und wenn sie es thun, ist es nur unbedeutend in der Färbung des Pelzes.
Wie ich von Sir Andrew Smith höre, lebt der Löwe in Süd-Afrika zuweilen mit einem einzigen Weibchen, meistens aber mit mehr als einem, und in einem Falle fand man, daß er sogar mit fünf Weibchen lebte, so daß er also polygam ist. Er ist, soweit ich ausfindig machen kann, der einzige Polygamist in der ganzen Gruppe der landbewohnenden Carnivoren und er allein bietet wohlausgesprochene Sexualcharaktere dar. Wenn wir uns indeß zu den See-Carnivoren wenden, so stellt sich der Fall sehr verschieden, wie wir hernach sehen werden. Denn viele Species von Robben bieten außerordentliche sexuelle Verschiedenheiten dar, und sie sind in eminentem Grade polygam. So besitzt der männliche See-Elefant der Südsee nach der Angabe von Péron stets mehrere Weiber, und von dem See-Löwen von Forster sagt man, daß er von zwanzig bis dreißig Weibchen umgeben wird; im Norden begleitet den männlichen See-Bär von Steller selbst eine noch größere Zahl von Weibchen. Es ist eine interessante Thatsache, daß, wie Dr. Gill bemerkt,448 bei den monogamen Arten, »oder denen, welche in kleinen Gesellschaften leben, nur wenig Unterschied in der Größe zwischen den Männchen und Weibchen besteht; bei den socialen Arten oder vielmehr bei solchen, bei denen die Männchen sich Harems halten, sind die Männchen ungeheuer viel größer als die Weibchen«.
Was die Vögel betrifft, so sind viele Species, in denen die Geschlechter bedeutend von einander abweichen, sicher monogam. In Groß-Britannien sehen wir z. B. gut ausgesprochene Verschiedenheiten bei der wilden Ente, welche mit einem einzigen Weibchen sich paart, bei der gemeinen Amsel und beim Gimpel, von dem man sagt, daß er sich für's Leben paart. Dasselbe gilt, wie mir Mr. Wallace mitgetheilt hat, für die Cotingiden von Süd-Amerika und für viele andere Vögel. In mehreren Gruppen bin ich nicht im Stande gewesen ausfindig zu machen, ob die Species polygam oder monogam leben. Lesson sagt, daß die Paradiesvögel, welche wegen ihrer geschlechtlichen Verschiedenheiten so merkwürdig sind, polygam leben; Mr. Wallace zweifelt aber, ob er für diesen Ausspruch hinreichende Belege gehabt hat. Mr. Salvin theilt mir mit, er werde zu der Annahme veranlaßt, daß die Colibris polygam leben. Der männliche Wittwenvogel ( Vidua), welcher wegen seiner Schwanzfedern so merkwürdig ist, scheint sicher ein Polygamist zu sein.449 Mr. Jenner Weir und Andere haben mir versichert, daß nicht selten drei Staare ein und dasselbe Nest frequentieren; ob dies aber ein Fall von Polygamie oder Polyandrie ist, ist nicht ermittelt worden.
Die hühnerartigen Vögel bieten fast ebenso scharf markierte geschlechtliche Verschiedenheiten dar wie die Paradiesvögel und Colibris, und viele ihrer Arten sind bekanntlich polygam; andere dagegen leben in stricter Monogamie. Welchen Contrast bieten die beiden Geschlechter des polygamen Pfauen oder Fasans und des monogamen Perlhuhns oder Rebhuhns dar! Es ließen sich viele ähnliche Fälle noch anführen, wie in der Gruppe der Waldhühner, bei denen die Männchen des polygamen Auerhuhns und des Birkhuhns bedeutend von den Weibchen abweichen, während die Geschlechter des monogamen Moor- und schottischen