Гарриет Бичер-Стоу

Die 15 beliebtesten Kinderbücher in einem Band (Illustriert)


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es auf der Alp weitergeht

       Inhaltsverzeichnis

      Eben war die Sonne hinter den Felsen heraufgestiegen und warf nun ihre goldenen Strahlen über die Hütte und über das Tal hinab. Der Almöhi hatte, wie er jeden Morgen tat, still und andächtig zugeschaut, wie ringsum auf den Höhen und im Tal die leichten Nebel sich lichteten und das Land aus dem Dämmerschatten herausschaute und zum neuen Tage erwachte.

      Heller und heller wurden oben die lichten Morgenwolken, bis jetzt die Sonne völlig heraustrat und Fels und Wald und Hügel mit goldenem Lichte übergoß.

      Jetzt trat der Öhi in seine Hütte zurück und ging leise die kleine Leiter hinauf. Klara hatte eben die Augen aufgeschlagen und schaute in der höchsten Verwunderung auf die hellen Sonnenstrahlen, die durch das runde Loch hereindrangen und auf ihrem Bette tanzten und blitzten. Sie wußte gar nicht, was sie sah und wo sie war. Doch jetzt erblickte sie das schlafende Heidi an ihrer Seite, und nun ertönte auch die freundliche Stimme des Großvaters: »Gut geschlafen? Nicht müde?« Klara versicherte, sie sei nicht müde, und, einmal eingeschlafen, sei sie auch die ganze Nacht nicht mehr erwacht. Das gefiel dem Großvater, und nun fing er gleich an und besorgte die Klara so gut und so verständnisvoll, als wäre es geradezu sein Beruf, kranke Kinder zu besorgen und es ihnen bequem zu machen.

      Das Heidi hatte seine Augen jetzt auch aufgemacht und sah auf einmal mit Erstaunen, wie der Großvater die schon fertig gerüstete Klara auf den Arm nahm und forttrug. Da mußte es doch dabeisein. Blitzschnell ging seine Ausrüstung vor sich. Dann ging's die Leiter hinunter, und nun war auch das Heidi aus der Tür und stand draußen, mit großer Verwunderung betrachtend, was der Großvater jetzt wieder ausführte. Er hatte am Abend vorher, als die Kinder schon oben auf ihrem Lager angekommen waren, überlegt, wo der breite Rollstuhl unter Dach gebracht werden könnte. Die Tür der Hütte war ja viel zu schmal, hier konnte er nie eingefahren werden. Da war ihm ein Gedanke gekommen. Er machte hinten am Schopf zwei große Laden los, so daß da eine breite Öffnung entstand. Der Stuhl wurde hineingestoßen und die hohen Bretter wieder an ihre Stelle gebracht, wenn auch nicht festgemacht. Das Heidi kam eben an, nachdem der Großvater Klara drinnen in ihren Stuhl gesetzt, dann die Bretter weggenommen hatte und nun mit ihr aus dem Schopf in den Morgensonnenschein herausgefahren kam. Mitten auf dem Platze ließ er den Stuhl stehen und ging dem Geißenstall zu. Das Heidi sprang an Klaras Seite.

      Der frische Morgenwind wehte um die Gesichter der Kinder, und ein würziger Tannenduft kam mit jedem neuen Windeswehen herüber und durchströmte die sonnige Morgenluft. Klara zog tiefe Züge ein und lehnte sich in ihren Stuhl zurück, in einem Gefühl des Wohlseins, wie sie es nie empfunden hatte.

      Noch nie in ihrem Leben hatte sie ja auch frische Morgenluft draußen in der freien Natur eingeatmet, und nun wehte die reine Alpenluft um sie so kühl und erfrischend, daß jeder Atemzug ein Genuß war. Dazu der helle, süße Sonnenschein, der gar nicht heiß war hier oben und so lieblich warm auf ihren Händen lag und an dem trockenen Grasboden zu ihren Füßen. Daß es so auf der Alp sein könnte, das hatte sich Klara gar nicht vorstellen können.

      »O Heidi, wenn ich nur immer, immer hier oben bei dir bleiben könnte!« sagte sie jetzt, sich ganz wohlig hin und her wendend in ihrem Stuhl, um so recht von allen Seiten Luft und Sonne einzutrinken.

      »Jetzt siehst du, daß es so ist, wie ich dir gesagt habe«, entgegnete das Heidi erfreut, »daß es am schönsten auf der ganzen Welt beim Großvater auf der Alm ist.« Eben trat dieser aus dem Stalle heraus zu den Kindern heran. Er brachte zwei Schüsselchen voll schäumender, schneeweißer Milch und reichte eins der Klara, das andere dem Heidi.

      »Das wird dem Töchterchen wohltun«, sagte er, Klara zunickend. »Sie ist vom Schwänli, die gibt Kraft. Zum Wohlsein! Nur zu!« Klara hatte noch nie Milch von einer Geiß getrunken, sie hatte erst zur Sicherheit ein wenig daran riechen müssen. Als sie nun aber sah, mit welcher Begier das Heidi seine Milch heruntertrank, ohne ein einziges Mal abzusetzen - so erstaunlich gut schmeckte sie ihm -, da setzte Klara auch an und trank und trank, und wahrhaftig, sie war so süß und kräftig, als wäre Zucker und Zimmet darin, und Klara trank zu, bis nichts mehr im Schüsselchen war.

      »Morgen nehmen wir zwei«, sagte der Großvater, der mit Befriedigung zugesehen hatte, wie Klara Heidis Beispiel gefolgt war.

      Jetzt erschien der Peter mit seiner Schar, und während das Heidi durch die allseitigen Morgenbegrüßungen gleich mitten in die Herde hineingedrängt wurde, nahm der Öhi den Peter ein wenig auf die Seite, damit dieser verstehen könne, was er ihm zu sagen hatte, denn die Geißen meckerten immer, eine stärker als die andere, vor lauter Freude und Freundschaftsbezeugungen, sobald sie das Heidi in ihrer Mitte hatten.

      »Jetzt hör zu und paß auf«, sagte der Öhi. »Von heut an lässest du dem Schwänli seinen Willen. Es hat die Fühlung, wo die kräftigsten Kräutlein sind; also wenn es hinauf will, so gehst du nach, den anderen tut's ja auch gut, und wenn es höher will, als du sonst mit ihnen gehst, so gehst du wieder und hältst es nicht zurück, hörst du! Wenn du auch ein wenig klettern mußt, schad't nichts, du gehst, wo es will, denn in dieser Sache ist es vernünftiger als du, und es muß nur noch vom Besten bekommen, daß es eine Prachtmilch gibt. Warum guckst du dort hinüber, wie wenn du einen verschlucken wolltest? Es wird dir niemand im Wege sein. So, jetzt vorwärts, und denk daran!«

      Der Peter war gewohnt, dem Öhi aufs Wort zu folgen. Er trat gleich seinen Marsch an; man konnte aber sehen, daß er noch etwas im Hinterhalt hatte, denn er drehte immer den Kopf um und rollte mit den Augen. Die Geißen folgten und drängten das Heidi noch eine Strecke mit vorwärts. Das war dem Peter eben recht. »Du mußt mit«, rief er jetzt drohend in den Geißenrudel hinein, »du mußt mit, wenn man dem Schwänli nachmuß.«

      »Nein, ich kann nicht«, rief das Heidi zurück, »und ich kann jetzt lange, lange nicht mitkommen, solange die Klara bei mir ist. Aber einmal kommen wir dann miteinander hinauf, der Großvater hat es uns versprochen.«

      Unter diesen Worten hatte das Heidi sich aus den Geißen herausgewunden und sprang nun zu Klara zurück. Jetzt machte der Peter mit beiden Fäusten eine so drohende Gebärde gegen den Rollstuhl hinunter, daß die Geißen auf die Seite sprangen. Er sprang aber auf der Stelle nach und ohne Aufenthalt eine ganze Strecke weit hinauf, bis er außer Sicht war, denn er dachte, der Öhi könnte ihn etwa gesehen haben, und er wollte lieber nicht wissen, was für einen Eindruck das Fausten dem Öhi gemacht habe.

      Klara und Heidi hatten für heute so viel im Sinn, daß sie gar nicht wußten, wo anfangen. Das Heidi schlug vor, zuerst den Brief an die Großmama zu schreiben, den hatten sie ja bestimmt versprochen, und so für jeden Tag einen neuen. Die Großmama war doch ihrer Sache nicht so ganz sicher, wie es in die Länge da droben der Klara behagen und auch, wie es mit ihrer Gesundheit gehen würde, und so hatte sie den Kindern das Versprechen abgenommen, ihr jeden Tag einen Brief zu schreiben und alles zu erzählen, was sie erlebten. So konnte die Großmama auch sogleich wissen, wenn sie oben nötig werden sollte, und bis dahin ruhig unten bleiben.

      »Müssen wir in die Hütte hinein zum Schreiben?« fragte Klara, die wohl dafür war, der Großmama Bericht zu geben; aber da draußen war es ihr so wohl, daß sie gar nicht weg mochte.

      Aber das Heidi wußte sich einzurichten. Augenblicklich rannte es in die Hütte hinein und kam mit seinen sämtlichen Schulsachen und dem niedrigen Dreibeinstühlchen beladen wieder zurück. Nun legte es sein Lesebuch und Schreibheft der Klara auf den Schoß, daß sie darauf schreiben konnte, und es selbst setzte sich an die Bank hin auf sein Stühlchen, und nun begannen sie beide der Großmama zu erzählen. Aber nach jedem Satze, den Klara geschrieben hatte, legte sie ihren Bleistift wieder hin und schaute um sich. Es war gar zu schön. Der Wind war nicht mehr so kühl; nur lieblich fächelnd wehte er um ihr Gesicht, und drüben in den Tannen flüsterte er leise. In der klaren Luft tanzten und summten die kleinen, fröhlichen Mücken, und weit umher lag eine große Stille auf dem ganzen sonnigen Gefilde. Groß und still schauten die hohen Felsenberge herüber, und das ganze weite Tal hinab lag alles wie im stillen Frieden. Nur dann und wann schallte das frohe Jauchzen eines Hirtenbuben durch die Luft, und leise gab das Echo die Töne in den Felsen wieder.