Гарриет Бичер-Стоу

Die 15 beliebtesten Kinderbücher in einem Band (Illustriert)


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farblos und entstellt von höchster Angst trat der Peter hinter den Tannen hervor.

      »Nur frisch heran, ohne Umwege«, ermunterte die Großmama. »So, nun sag mir mal, Junge, hast du das gemacht?«

      Der Peter hob seine Augen nicht auf und sah nicht, wohin der Zeigefinger der Großmama wies. Er hatte gesehen, daß der Öhi an der Ecke der Hütte stand und daß dessen graue Augen durchdringend auf ihn gerichtet waren, und neben dem Öhi stand das Schrecklichste, das der Peter kannte, der Polizeidiener aus Frankfurt. An allen Gliedern zitternd und bebend, stieß der Peter einen Laut hervor, es war ein »Ja«.

      »Nanu«, sagte die Großmama, »was ist denn das Schreckliche dabei?«

      »Daß er… daß er… daß er auseinander ist und man ihn nicht mehr ganz machen kann«, brachte mühsam der Peter heraus, und nun schlotterten seine Knie so, daß er fast nicht mehr stehen konnte. Die Großmama ging nach der Hüttenecke hinüber.

      »Mein lieber Öhi, rappelt es denn wirklich ernstlich bei dem armen Buben?« fragte sie teilnehmend.

      »Gar nicht, gar nicht«, versicherte der Öhi. »Der Bube ist nur der Wind, der den Rollstuhl fortgejagt hat, und nun erwartet er seine wohlverdiente Strafe.«

      Das konnte nun die Großmama gar nicht glauben, denn sie meinte, boshaft sehe der Peter doch ganz und gar nicht aus, und sonst hätte er doch keinen Grund gehabt, den so notwendigen Rollstuhl zu zerstören.

      Aber dem Öhi war das Geständnis nur die Bestätigung eines Verdachtes gewesen, der gleich nach der Tat in ihm aufgestiegen war. Die grimmigen Blicke, die der Peter von Anfang an der Klara zugeworfen hatte, und andere Merkmale seiner Erbitterung gegen die neuen Erscheinungen auf der Alp waren dem Öhi nicht entgangen. Er hatte einen Gedanken an den andern gehängt, und so hatte er genau den ganzen Gang der Dinge erkannt und teilte ihn jetzt der Großmama in aller Klarheit mit. Als er zu Ende war, brach die Dame in große Lebhaftigkeit aus.

      »Nein, mein lieber Öhi, nein, nein, den armen Buben wollen wir nicht weiter strafen. Man muß billig sein. Da kommen die fremden Leute aus Frankfurt hereingebrochen und nehmen ihm ganze Wochen lang das Heidi weg, sein einziges Gut und wirklich ein großes Gut, und da sitzt er allein Tag für Tag und hat das Nachsehen. Nein, nein, da muß man billig sein; der Zorn hat ihn überwältigt und hat ihn zu der Rache getrieben, die ein wenig dumm war, aber im Zorn werden wir alle dumm.«

      Damit ging die Großmama zum Peter zurück, der noch immerfort bebte und schlotterte.

      Sie setzte sich auf die Bank unter die Tanne und sagte freundlich: »So, nun komm, mein Junge, da vor mich hin, ich habe dir etwas zu sagen. Höre auf zu zittern und zu beben und hör mir zu, das will ich haben. Du hast den Rollstuhl den Berg hinuntergejagt, damit er zerschmettere. Das war etwas Böses, das hast du recht wohl gewußt, und daß du eine Strafe verdientest, das wußtest du auch, und damit du diese nicht erhaltest, hast du dich recht anstrengen müssen, daß keiner es merke, was du getan hattest. Aber siehst du: Wer etwas Böses tut und denkt, es weiß keiner, der verrechnet sich immer. Der liebe Gott sieht und hört ja doch alles, und sobald er bemerkt, daß ein Mensch seine böse Tat verheimlichen will, so weckt er schnell in dem Menschen das Wächterchen auf, das er schon bei seiner Geburt in ihn hineingesetzt hat und das da drinnen schlafen darf, bis der Mensch ein Unrecht tut. Und das Wächterchen hat einen kleinen Stachel in der Hand, mit dem sticht es nun in einem fort den Menschen, daß er gar keinen ruhigen Augenblick mehr hat. Und auch mit seiner Stimme beängstigt es den Gequälten noch, denn es ruft ihm immer quälend zu: >Jetzt kommt alles aus! jetzt holen sie dich zur Strafe!< So muß er immer in Angst und Schrecken leben und hat keine Freude mehr, gar keine. Hast du nicht auch so etwas erfahren, Peter, eben jetzt?«

      Der Peter nickte ganz zerknirscht, aber wie ein Kenner, denn gerade so war es ihm ergangen.

      »Und noch in einer Weise hast du dich verrechnet«, fuhr die Großmama fort. »Sieh, wie das Böse, das du tatest, zum Besten ausfiel für die, der du es zufügen wolltest! Weil Klara keinen Sessel mehr hatte, auf dem man sie hinbringen konnte, und doch die schönen Blumen sehen wollte, so strengte sie sich ganz besonders an zu gehen, und so lernte sie's und geht nun immer besser, und bleibt sie hier, so kann sie am Ende jeden Tag hinauf zur Weide gehen, viel öfter, als sie in ihrem Stuhle hinaufgekommen wäre. Siehst du wohl, Peter? So kann der liebe Gott, was einer böse machen wollte, nur schnell in seine Hand nehmen und für den andern, der geschädigt werden sollte, etwas Gutes daraus machen, und der Bösewicht hat das Nachsehen und den Schaden davon. Hast du nun auch alles gut verstanden, Peter, ja? So denk daran, und jedesmal, wenn es dich wieder gelüsten sollte, etwas Böses zu tun, denk an das Wächterchen da drinnen mit dem Stachel und der unangenehmen Stimme. Willst du das tun?«

      »Ja, so will ich«, antwortete der Peter, noch sehr gedrückt, denn noch wußte er ja nicht, wie alles enden würde, da der Polizeidiener immer noch drüben stand neben dem Öhi.

      »So, nun ist's gut, die Sache ist abgetan«, schloß die Großmama. »Nun sollst du aber auch noch ein Andenken an die Frankfurter haben, das dich freut. So sag mir nun, mein Junge, hast du auch schon mal was gewünscht, das du haben möchtest? Was war's denn? Was möchtest du am liebsten haben?«

      Jetzt hob der Peter seinen Kopf auf und starrte die Großmama mit ganz kugelrunden, erstaunten Augen an. Noch immer hatte er etwas Schreckliches erwartet, und nun sollte er auf einmal bekommen, was er gern hätte. Dem Peter kam alles durcheinander in seinen Gedanken.

      »Ja, ja, es ist mir Ernst«, sagte die Großmama. »Du sollst etwas haben, das dich freut, zur Erinnerung an die Leute von Frankfurt und zum Zeichen, daß sie nicht mehr daran denken, daß du etwas Unrechtes getan hast. Verstehst du's nun, Junge?«

      In dem Peter fing die Einsicht aufzudämmern an, daß er keine Strafe mehr zu befürchten habe und daß die gute Frau, die vor ihm saß, ihn aus der Gewalt des Polizeidieners errettet hatte. Jetzt empfand er eine Erleichterung, als fiele ein Berg von ihm ab, der ihn fast zusammengedrückt hatte. Aber nun hatte er auch begriffen, daß es besser geht, wenn man gleich eingestellt, was gefehlt ist, und auf einmal sagte er:

      »Und das Papier hab ich auch verloren.«

      Die Großmama mußte sich ein wenig besinnen, aber der Zusammenhang kam ihr bald in den Sinn, und sie sagte freundlich: »So, so, es ist recht, daß du's sagst! Immer gleich bekennen, was nicht recht ist; dann kommt's wieder in Ordnung. Und jetzt, was hättest du gern?«

      Nun konnte der Peter auf der Welt wünschen, was er nur wollte. Es wurde ihm fast schwindelig. Der ganze Jahrmarkt von Maienfeld flimmerte vor seinen Augen mit all den schönen Sachen, die er oft stundenlang angestaunt und für immer unerreichbar gehalten hatte, denn Peters Besitztum hatte nie einen Fünfer überstiegen, und alle die lockenden Gegenstände kosteten immer das Doppelte. Da waren die schönen roten Pfeifchen, die er so gut für seine Geißen brauchen konnte. Da waren die lockenden Messer mit runden Heften, Krötenstecher genannt, mit denen man in allen Haselrutenhecken die besten Geschäfte machen konnte.

      Tiefsinnig stand der Peter da, denn er überdachte, welches von den zweien das Wünschbarste wäre, und er fand den Entscheid nicht. Aber jetzt kam ihm ein lichtvoller Gedanke; so konnte er sich noch bis zum nächsten Jahrmarkt besinnen.

      »Einen Zehner«, antwortete Peter jetzt entschlossen.

      Die Großmama lachte ein wenig.

      »Das ist nicht übertrieben. So komm her!« Sie zog jetzt ihren Beutel heraus und nahm einen großen, runden Taler heraus; darauf legte sie noch zwei Zehnerstückchen.

      »So, wir wollen gerade Rechnung machen«, fuhr sie fort; »das will ich dir erklären. Hier hast du nun gerade so viele Zehner, als Wochen im Jahre sind! So kannst du jeden Sonntag einen Zehner hervornehmen und verbrauchen, das ganze Jahr durch.«

      »Meiner Lebtag?« fragte der Peter ganz harmlos.

      Jetzt mußte die Großmama so ungeheuer lachen, daß die Herren drüben ihr Gespräch unterbrechen mußten, um zu hören, was da vorgehe.

      Die Großmama lachte immer noch.

      »Das sollst du haben, Junge, das gibt einen Passus in mein Testament, hörst du,