zu persönlichen Zwecken der Kapitalisten oder, mit anderen Worten, einfache Reproduktion. MacCulloch beantwortet also die Frage nach der Kapitalisierung des Mehrwerts entweder durch Absehen von jeglichem Mehrwert oder dadurch, daß er in demselben Moment, wo Mehrwert entsteht, einfache Reproduktion statt der Akkumulation annimmt. Den Schein, als ob er dennoch von erweiterter Reproduktion redete, gibt er sich dabei wiederum wie früher bei der angeblichen Behandlung des "Überschusses" - durch eine Finte, nämlich dadurch, daß er erst den unmöglichen Kasus einer kapitalistischen Produktion ohne Mehrwert konstruiert, um dann das Erscheinen des Mehrprodukts auf der Bildfläche dem Leser als eine Erweiterung der Produktion zu suggerieren:
Diesen Windungen des schottischen Schlangenmenschen war Sismondi nun nicht ganz gewachsen. Er, der seinen Mac bis jetzt Schritt für Schritt an die Wand gedrückt und ihm "offenbare Abgeschmacktheit" nachgewiesen hat, verwirrt sich selbst in dem entscheidenden Punkte der Kontroverse. Er hätte seinem Widerpart auf die obige Tirade offenbar kühl erklären müssen: "Verehrtester! Alle Achtung vor Ihrer geistigen Biegsamkeit, aber Sie suchen ja der Sache wie ein Aal zu entschlüpfen. Ich frage die ganze Zeit: Wer wird Abnehmer der überschüssigen Produkte sein, wenn die Kapitalisten, statt ihren Mehrwert ganz zu verprassen, ihn zu Zwecken der Akkumulation, d.h. zur Erweiterung der Produktion, verwenden werden? Und Sie antworten mir darauf: Je nun, sie werden diese Erweiterung der Produktion in Luxusgegenständen vornehmen, und diese Luxusgegenstände werden sie natürlich selbst verzehren. Aber das ist ja ein Taschenspielerkunststück. Denn sofern die Kapitalisten den Mehrwert in Luxus für sich selbst verausgaben, verzehren sie ihn ja und akkumulieren nicht. Es handelt sich aber gerade darum, ob die Akkumulation möglich ist, nicht um persönlichen Luxus der Kapitalisten! Geben Sie also entweder darauf - wenn Sie können - eine klare Antwort, oder begeben Sie sich selbst dorthin, wo Ihr Wein und Tabak oder meinetwegen der Pfeffer wächst."
Statt so dem Vulgarus den Daumen aufs Auge zu drücken, wird Sismondi plötzlich ethisch, pathetisch und sozial. Er ruft: "Wer wird die Nachfrage stellen, wer wird genießen, die ländlichen und die städtischen Herren oder ihre Arbeiter? In seiner (Macs) neuen Annahme haben wir einen Überschuß an Produkten, einen Gewinn an der Arbeit. Wem verbleibt er?" Und er antwortet selbst mit der folgenden Tirade:
"Wohl wissen wir - und die Geschichte des Handels lehrt es uns genugsam -, daß nicht der Arbeiter es ist, der von der Vervielfältigung der Produkte Nutzen hat, sein Lohn wird nicht vermehrt. Ricardo hat selbst einmal gesagt, daß es nicht sein dürfe, wenn man das Anwachsen des öffentlichen Reichtums nicht aufhören lassen wolle. Eine grauenhafte Erfahrung lehrt uns im Gegenteil, daß der Arbeitslohn vielmehr fast stets im Verhältnis zu dieser Vermehrung vermindert wird. Worin besteht dann aber die Wirkung des Anwachsens der Reichtümer für die öffentliche Wohlfahrt? Unser Verfasser hat tausend Pächter angenommen, die genießen, während hunderttausend Landarbeiter arbeiten, tausend Fabrikanten, die sich bereichern, während hunderttausend Handwerker unter ihrem Befehl stehen. Das etwaige Glück, das der Vermehrung der leichtfertigen Genüsse des Luxus entspringen kann, wird also nur einem Hundertstel der Nation zuteil. Würde dieses Hundertstel, das dazu berufen ist, den ganzen Überfluß des Produkts der arbeitenden Klasse zu verbrauchen, auch dann hierzu imstande sein, wenn diese Produktion durch den Fortschritt der Maschinen und der Kapitalien ohne Aufhören anwächst? In der Annahme des Verfassers muß der Pächter oder der Fabrikant jedesmal, wenn das nationale Produkt sich verdoppelt, seinen Verbrauch verhundertfachen; wenn der nationale Reichtum dank der Erfindung so vieler Maschinen heute hundertmal so groß ist, als er zu der Zeit war, in der er nur die Produktionskosten deckte, muß heute jeder Herr Produkte verbrauchen, die zum Unterhalt von zehntausend Arbeitern ausreichen würden." Und hier glaubt Sismondi wieder den Ansatz zur Krisenbildung gepackt zu haben: "Nehmen wir einmal buchstäblich an, daß ein Reicher die Produkte verbrauchen kann, die zehntausend Arbeiter angefertigt haben, darunter die Bänder die Spitzen, die Seidenwaren, deren Ursprung uns der Verfasser aufgezeigt hat. Aber ein einzelner Mensch könnte nicht in gleichem Verhältnis die Erzeugnisse der Landwirtschaft verbrauchen: die Weine, den Zucker, die Gewürze, die Ricardo in Tausch entstehen läßt (Sismondi, der den Anonymus der "Edinburgh Review" erst später erkannte, hatte offenbar zuerst Ricardo im Verdacht, den Artikel geschrieben zu haben - R. L.), wären zuviel für die Tafel eines einzigen Menschen. Sie werden nicht verkauft werden, oder vielmehr das Verhältnis zwischen den landwirtschaftlichen und Fabrikerzeugnissen, das als Grundlage seines ganzen Systems erscheint, wird sich nicht mehr aufrechterhalten lassen."
Wir sehen also, wie Sismondi auf die MacCullochsche Finte hereinfällt: Statt die Beantwortung der Frage nach der Akkumulation durch den Hinweis auf die Luxusproduktion abzulehnen, folgt er, ohne die Verschiebung des Feldes zu merken, seinem Widerpart auf dieses Gebiet und findet hier nur zweierlei auszusetzen. Einmal macht er MacCulloch einen sittlichen Vorwurf daraus, daß er den Mehrwert den Kapitalisten statt der Masse der Arbeitenden zugute kommen läßt, und verirrt sich so in eine Polemik gegen die Verteilung der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Zum anderen Mal findet er von diesem Seitenpfad unerwartet den Weg zum ursprünglichen Problem zurück, das er aber nunmehr so stellt: Die Kapitalisten verbrauchen also selbst im Luxus den ganzen Mehrwert. Schön! Aber ist denn ein Mensch imstande, seinen Verbrauch so rasch und so grenzenlos zu erweitern, wie die Fortschritte der Produktivität der Arbeit das Mehrprodukt anwachsen lassen? Hier läßt Sismondi also selbst sein eigenes Problem im Stich, und statt die Schwierigkeit der kapitalistischen Akkumulation in dem fehlenden Verbraucher außerhalb der Arbeiter und der Kapitalisten zu sehen, findet er nunmehr eine Schwierigkeit der einfachen Reproduktion in den physischen Schranken der Verbrauchsfähigkeit der Kapitalisten selbst. Da die Aufnahmefähigkeit der Kapitalisten für Luxus mit der Produktivität der Arbeit, also mit dem Wachstum des Mehrwerts, nicht Schritt halten könne, so müssen sich Überproduktion und Krise ergeben, Wir haben schon einmal bei Sismondi in seinen "Nouveaux principes" diesen Gedankengang gefunden, und wir haben hier den Beweis, daß ihm selbst sein Problem nicht immer ganz klar war. Kein Wunder. Das Problem der Akkumulation mit ganzer Schärfe zu erfassen ist nur möglich, wenn man mit dem Problem der einfachen Reproduktion fertig geworden ist. Wie sehr es aber damit bei Sismondi noch haperte, haben wir bereits gesehen.
Trotz alledem ist Sismondi in diesem ersten Fall, wo er mit den Epigonen der klassischen Schule die Waffen kreuzte, durchaus nicht der Schwächere gewesen. Im Gegenteil hat er schließlich seine Gegner zu Paaren getrieben. Wenn Sismondi die elementarsten Grundlagen der gesellschaftlichen Reproduktion verkannte und ganz im Sinne des Smithschen Dogmas das konstante Kapital vernachlässigte, so stand er darin jedenfalls seinem Gegner nicht nach: Für MacCulloch existiert das konstante Kapital gleichfalls nicht, seine Pächter und Fabrikanten "schießen vor" bloß Nahrung und Kleidung für ihre Arbeiter, und das Gesamtprodukt der Gesellschaft besteht nur aus Nahrung und Kleidung. Sind sich so die beiden in dem elementaren Schnitzer gleich, so überragt Sismondi seinen Mac unendlich durch den Sinn für Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise. Auf die Sismondische Skepsis in bezug auf die Realisierbarkeit des Mehrwertes ist der Ricardianer ihm schließlich die Antwort schuldig geblieben. Ebenso überlegen ist Sismondi, wenn er der satten Zufriedenheit des Harmonikers und Apologeten, für den es "keinen Überschuß der Produktion über die Nachfrage, keine Einschnürung des Marktes, kein Leiden gibt", den Notschrei der Nottinghamer Proletarier ins Gesicht schleudert, wenn er nachweist, daß die Einführung der Maschinen naturnotwendig "eine überflüssige Bevölkerung" schaffe, endlich und besonders, wenn er die allgemeine Tendenz des kapitalistischen Weltmarkts mit ihren Widersprüchen hervorhebt. MacCulloch bestreitet rundweg die Möglichkeit allgemeiner Überproduktionen und hat für jede partielle Überproduktion ein probates Mittel in der Tasche:
"Man kann einwenden", sagt er, "daß man bei Annahme des Grundsatzes, daß die Nachfrage sich stets im Verhältnis zur Produktion vermehrt, die Einschnürungen und Stockungen nicht erklären könne, die ein ungeordneter Handel erzeugt. Wir antworten sehr ruhig: Eine Einschnürung ist die Folge eines Anwachsens einer besonderen Klasse von Waren, denen ein verhältnismäßiges Anwachsen von Waren, die ihnen als Gegenwert dienen können, nicht gegenübersteht. Während unsere tausend Pächter und ebenso viele Fabrikanten ihre Produkte austauschen und sich gegenseitig einen Markt darbieten, können tausend neue Kapitalisten, die sich der Gesellschaft angliedern, von denen jeder hundert Arbeiter im Landbau beschäftigt, ohne Zweifel eine unmittelbare Einschnürung des Marktes in landwirtschaftlichen Produkten herbeiführen, weil ein gleichzeitiges Anwachsen