Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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nicht, daß ein Passirschein wichtiger sei als jene Beide. Er ging selbst in die Kanzlei, machte dem Beamten Vorstellungen; — doch vergebens — wir mußten ohne ihn die Reise fortsetzen.

      Nun erfuhren wir erst, daß es ein Studierender sei, der soeben seine Rigorosen geendet, und sich einige Wochen bei seinen Eltern, in der Nähe Prags, erholen wollte. — Ach der Arme! Er hatte soviel studiert, und doch zu wenig! — Er wußte nicht, daß ein solches Dokument von so außerordentlicher Wichtigkeit sein konnte. — Wegen dieses kleinen Versehens büßte er die Reisespesen bis Prag, die in vorhinein bezahlt waren.

      Doch weiter in meiner Reise.

      In Florisdorf überraschte mich freudig die Gegenwart meines Bruders und meines Sohnes, die mir ungesehen vorgefahren waren. — Wir bestiegen nun zusammen die Eisenbahn, um nach Stockerau (drei Meilen) zu fahren; doch auf halbem Wege mußten wir aussteigen, und ein Stück zu Fuß wandern, Der Eisenbahn-Damm war hier eingesunken. — Zum Glück begünstigte uns das Wetter so weit, daß wir zwar einen furchtbaren Sturm, aber wenigstens keinen Regen hatten; sonst wären wir ganz durchnäßt geworden, und würden bis an die Knöchel in Koth gesunken sein. An Ort und Stelle angelangt, mußten wir unter freiem Himmel so lange warten, bis die Dampfwagen von Stockerau kamen, ihre Reisenden ausluden und uns dagegen einnahmen.

      In Stockerau nahm ich von meinen Begleitern nochmal Abschied, und wurde in den Post-Stellwagen gehörig verpackt und weiter spedirt.

      Auf dieser kurzen Strecke war dieß nun der vierte Wagen, den ich bestieg, — eine große Unannehmlichkeit schon, wenn man nichts bei sich hat, eine um so größere, wenn man noch für Reisegepäck sorgen muß; und dafür wüßte ich keine andere Entschädigung, als daß wir diese 4 Meilen um eine halbe Stunde schneller zurücklegten, und anstatt, wie früher, von Wien bis Prag 9 fl, 36 kr., jetzt von Stockerau bis Prag 10 fl. 10 kr. zahlt, Omnibus und Eisenbahn noch gar nicht eingerechnet. — Gewiß, eine theuer erkaufte halbe Stunde.

      Das Städtchen Znaim mit einem Kloster in der Nähe, liegt in einer weiten Ebene, die sich von Wien bis gegen Budwitz, vier Meilen hinter Znaim, zieht, und deren Einförmigkeit nur hie und da durch niedere Hügel unterbrochen wird.

      Bei Schelletau gewinnt die Gegend ein freundlicheres Ansehen. — Links fesselt das Auge ein Kranz von höhern Bergen, geschmückt mit einer Burgruine, bei deren Anblick man sich an eine jener tragischen Rittergeschichten aus den vorigen Jahrhunderten erinnern kann; um den Weg selbst ziehen sich Nadelgehölze, oder sie liegen in schönen Gruppen auf den Hügeln und in den Thälern zerstreut.

      11. April.

      Schon gestern begünstigte uns die Witterung nicht im Geringsten. — Bei Znaim fanden wir die Thäler noch theilweise mit Schnee bedeckt, und oft überfielen uns Nebel, daß man kaum 100 Schritte weit sehen konnte. — Doch heute ging es noch ganz anders.

      Die Nebel lösten sich in einen sanften Regen auf, der aber von Station zu Station so viel von seiner Sanftheit verlor, daß bald Alles um uns her in Wasser stand. — Aber nicht genug , im Wasser fahren zu müssen, mußten wir auch im Wasser sitzen, denn das Dach unseres Wagens schien ein vollkommenes Sieb werden zu wollen, durch das der Regen seinen Eingang nahm. Wenn es der Raum erlaubt hätte, all unsere Regenschirme wären aufgespannt worden.

      Bei solchen Gelegenheiten bewundere ich immer im Stillen die Geduld meiner guten Landsleute, die nehmen Alles höchst gelassen auf. — Wäre ich ein Mann, ich würde ganz anders sein, und gewiß keine Nachlässigkeit ungerügt lassen. So aber, als Frau schweige ich; man würde sich nur über mein Geschlecht erzürnen, und es launenhaft nennen. — Ueberdieß dankte ich meinem Schutzgeist für diese Widerwärtigkeiten, Ich nahm sie als Vorbereitungen dessen, was in dem hohen Norden über mich kommen sollte.

      Wir berührten verschiedene Städtchen und Dörfer, und betraten endlich, gleich hinter Iglau, das böhmische Gebiet. — Das erste Kreis-Städtchen, das sich in diesem Königreiche unserm Blicke darbot, war Czaslau mit einem großen Platze und einigen netten Häusern, die mit sogenannten Lauben versehen sind , damit man bei dem schlechtesten Wetter trocknen Fußes um den Platz gehen könne.

      Auf der ferneren Reise sieht man einen schönen Dom mit dem dazu gehörigen Orte Kuttenberg, einst berühmt durch Gold- und Silberminen; — weiter die große Tabakfabrik Sedlitz und zum erstenmale die Elbe, doch nur auf kurze Zeit, da sie bald wieder eine andere Richtung einschlägt. Und nun passirt man das Städtchen Collin, und fährt knapp an dem Schlachtfelde vorüber, auf dem der große König Friedrich im Jahre 1757 die Zeche an die Oesterreicher bezahlte. — Rechts auf einer kleinen Anhöhe steht ein Obelisk, der erst vor wenig Jahren dem Andenken des Generals Daun gesetzt wurde, — links breitet sich die Ebene Klephorcz aus, auf welcher die Oesterreicher aufgestellt waren.

      Prag

      erreichten wir Nachts um 11 Uhr.

      Ich wollte schon nach zwei Tagen meine Reise fortsetzen, und mein erster Gang war am folgenden Morgen auf das Polizeiamt, um nebst dem Paß das viel wichtigere Dokument eines Passirscheines zu holen, — mein zweiter auf die Hauptmauth, um ein Kistchen in Empfang zu nehmen, das ich fünf Tage vor meiner Abreise aufgegeben hatte und nach des Spediteurs Zusicherung bei meiner Ankunft vorfinden würde. [Ich erzähle diese Kleinigkeit, um dadurch jeden Reisenden zu warnen, sich von seinen Effekten zu trennen.]

      — Ach Herr Spediteur! das Kistchen war nicht da.

      — Auf Samstag folgt Sonntag; Sonntags aber ist die Mauth geschlossen. — Ein Tag also war verloren, ein ganzer Tag, in dem man hätte nach Dresden fahren, und sogar noch die Oper besuchen können.

      Aber Montag Früh eilte ich auf die Mauth, in banger Erwartung — das Kistchen war noch nicht da. Es standen jedoch mehrere beladene Wagen hier, auf deren einem es sich befinden konnte. — Ach, wie sehnte ich mich mein Theuerstes zu erblicken, um es, zwar nicht an's Herz zu drücken, wohl aber um es aufzuschließen, und — vor den Zollbeamten auszukramen. —

      In Prag hielt ich nur schnelle Uebersicht, da ich schon vor mehreren Jahren Alles genau besehen hatte. Ich bewunderte den schönen Graben und Roßmarkt, und die breiten, mit netten Häusern eingefaßten Straßen der Neustadt. — Mit einem eigenen Gefühle betrat ich die alte Steinbrücke, von welcher der heilige Johann von Nepomuck in die Moldau gestürzt wurde, weil er das Sündenbekenntniß der Gemahlin des Königs Wenzel nicht veröffentlichen wollte. Am jenseitigen Ufer bestieg ich den Hradschin und besuchte den Dom, in welchem ein großer Sarkophag, von Engeln umgeben und getragen, und von einem Baldachin aus dunkelrothem Damast überwölbt, dem Andenken dieses Heiligen gewidmet ist. — Das Monument ist von Silber, und der Werth des dazu verwendeten Metalles allein wird auf 80,000 fl. geschätzt. Die Kirche selbst ist nicht groß, aber im edlen gothischen Style gehalten, gegen welchen leider die Nebenaltäre mit ihren zahllosen, hölzernen, vergoldeten Figuren und Verzierungen sehr kleinlich abstechen. — In den Seiten-Capellen sind viele Sarkophage, auf welchen Bischöfe und Ritter, in Stein gehauen, ruhen, aber so beschädigt sind, daß Hände und Füße, ja Manchem sogar der Kopf fehlt. — Rechts am Eingange der Kirche, ist die berühmte St. Wenzeslaus-Capelle, deren Wände mit Fresken, wovon Farben und Zeichnungen beinahe verschwunden, geschmückt, und mit kostbaren Steinen ausgelegt sind.

      Unweit des Domes steht der ungemein fensterreiche Pallast des Grafen Czernin, er zählt nicht mehr und nicht weniger Fenster, als das Jahr Tage. Ich war in einem gewöhnlichen Jahre da, folglich sah ich 365; — wie es sich in einem Schaltjahre verhält, weiß ich nicht. — Die Aussicht auf dem Belvedere dieses Pallastes ist sehr lohnend. Man übersieht die Alt- und Neustadt, den schönen Strom mit seinen beiden Brücken (der antiken, ehrwürdigen Steinbrücke und der zierlich hängenden 600 Schritt langen Kettenbrücke) und die Hügel rings umher, besä't mit Gärten und niedlichen Landhäusern.

      Die Gassen der Kleinseite sind nicht besonders schön, meist enge, krumm und hügelich; doch findet man auch hier manch merkwürdigen Pallast, worunter wohl jener des Wallenstein-Friedland den ersten Platz behaupten mag.

      Nachdem ich noch die St. Nicolaus-Kirche, die sich durch die Höhe