Michelle Stern

Perry Rhodan 3096: Das Meisterstück


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möglichst wenigen weiteren Komplikationen. Vor allem wollen sie das Herz ihres Reiches schützen: das Sternenrad. Ich schätze das Treffen auf Aithuriad von daher als echte Chance ein.«

      »Eine Chance, zum Ziel eines Attentats zu werden?«, unkte Gucky.

      »Eine Chance auf echten Frieden.«

      Rhodan nickte. »Wir schwenken in den Orbit um Aithuriad ein!«

      *

      Zemina Paath hörte den Gesprächen in der Zentrale zu. Die angespannte Stimmung hatte sie schon vor Stunden erfasst und ließ sie nicht mehr los. Sie fürchtete sich, traute den Cairanern jedes Übel zu. Dabei hatte sie erfahren, dass die Cairaner ihre Gehirnfragmente gar nicht geraubt hatten.

      Zemina starrte auf die cairanischen Augenraumer im Orbit, die der RAS TSCHUBAI und ihren Begleitschiffen einen Korridor zum Planeten öffneten. Die Waffengeschütze könnten jederzeit feuern. Dann wäre es vorbei mit der RAS TSCHUBAI und den vielen Fragen, die Zemina bewegten. Sie wünschte sich, Monkey wäre da. Seine ruhige, unerschütterliche Art wäre der Fels gewesen, nach dem Zemina sich sehnte.

      Sie selbst hatte also ihre Gehirnfragmente hergegeben. Freiwillig. Dieses Wissen erschütterte sie, und sie war wütend, weil sie nicht mehr wusste, weshalb sie das getan hatte. Ja, sie verstand zwar mittlerweile, wie sie damals auf die RAS TSCHUBAI gekommen war. Aber sich selbst verstand sie immer weniger. Wie hatte sie das tun können? Warum? Gab es in ihr einen Selbsthass, den sie verdrängt hatte? Verloren, wie so viele Erinnerungen? Hatte sie sich bestrafen wollen? Jemand, der sich selbst liebte, konnte sich das nicht antun. Es musste einen Grund gegeben haben, weshalb sie sich verstümmelt und zum mentalen Krüppel gemacht hatte.

      ANANSIS Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Im Grunde ist es eine besondere Ehre, von Ataidse Sturu persönlich eingeladen zu werden. Durch Daten, die wir aus dem Panarchiv und aus dem System haben, kenne ich die Gebräuche der Cairaner inzwischen besser.« Die Semitronik verstummte, und Sichu Dorksteiger übernahm.

      »Was wir bisher erlebt haben, war eine Art Vorgeplänkel«, sagte die Ator. »Die Cairaner bewerten persönliche Gespräche anders als Holoverhandlungen. Auf der Konsulatswelt gibt es einen ganz besonderen Ort: den Konsulatsgarten. Dort zu verhandeln bedeutet eine große Ehre, aber auch bestimmte Regeln. Wobei wir berücksichtigen müssen, dass weder die Konsulin noch der Legat teilnehmen werden. Du wirst es neben Ataidse Sturu mit völlig neuen Verhandlungspartnern zu tun bekommen, Perry, auf die du nicht eingestellt bist. Es werden hochrangige Cairaner dieser Welt sein, die bisher im Hintergrund geblieben sind.«

      »Das ist korrekt«, bestätigte ANANSI. Sie lächelte so liebenswürdig, dass Zemina beinahe vergessen hätte, dass sie es mit einer Semitronik zu tun hatte und nicht mit einer echten Frau. »Aithuriad ist die maßgebliche Welt der Cairaner. Wir steuern das Herz des cairanischen Imperiums innerhalb der Milchstraße an. Der Tradition zufolge wirst du auf eine Art Triumvirat treffen. Da Ataidse Sturu der Einzige aus dem eigentlichen Triumvirat ist, wird er zwei Begleiter als Delegation wählen. Einer erfüllt die Funktion Tavali, der andere ist Quari. Sturu selbst wird Mero Kezaz sein, die Fünfte Hand.«

      »Die fünfte Hand am Sternenrad oder die fünfte Hand am Wagen?«, ulkte Gucky.

      »Nein, keineswegs.« Sichu Dorksteiger runzelte die Stirn, dass sich die goldenen Muster darauf verzogen. »Die Fünfte Hand ist nichts Überflüssiges, sondern in der Vorstellung der Cairaner etwas Erhöhtes. Es heißt, die Fünfte Hand müsste es richten. Sie ist die ideale Hand. Die Wimper an der Waage.«

      »Das Zünglein«, verbesserte Gucky und präsentierte seinen Nagezahn. »Glaub mir, du wirst noch Jahrhunderte brauchen, all diese Redewendungen richtig zu lernen.«

      Sichu winkte ab. »Ihr wisst, was ich meine. Ataidse Sturu wird ein ausschlaggebender Faktor sein. Der Faktor. Du musst einen Draht zu ihm finden, Perry.« Sie sah Gucky bei dem Wort Draht herausfordernd an, und der Ilt nickte gutmütig.

      »Vielleicht muss ich mehr als das tun.« Rhodan klang nachdenklich. »Die Cairaner lieben Spiegel. Wir sollten es spiegeln. Auch ich werde zwei Begleiter mitnehmen. Markul agh Fermi und ...«

      »Mich!«, rief Zemina, ehe ein anderer ihr dazwischenfunken konnte. »Ich will wieder auf den Planeten. Es muss mehr Informationen geben. Weitere Hinweise auf meine Vergangenheit.«

      »... Gucky«, endete Rhodan. »Ich nehme Gucky mit. Zemina, ich verstehe dein Anliegen, wirklich. Aber diese Verhandlungen sind hochsensibel. Sie dürfen nicht unnötig gestört oder belastet werden. Sobald sich abzeichnet, dass mit den Cairanern eine Einigung erzielt werden kann, können wir uns um deine Vergangenheit kümmern und den Konsul darauf ansprechen. Du hast eine Ewigkeit gewartet. Kommt es nun wirklich auf einen Tag mehr oder weniger an? Oder auf eine Woche?«

      Zemina wollte »Ja«, antworten, aber sie schwieg. Wie sollte Perry Rhodan verstehen, wie es in ihr aussah? Jahrelang hatte sie geglaubt, es würde alles gut werden, wenn sie nur herausfand, was geschehen war. Wenn sie wüsste, was die Cairaner ihr angetan hätten. Nun hatte sie es herausgefunden, und es war überhaupt nichts gut. Noch vor wenigen Tagen hatte sie wenigstens einen Feind gehabt. Jemanden, der ihr böse mitgespielt hatte. Nun schien es, als wäre sie selbst ihre größte Feindin.

      Sie hatte im Panarchiv auf Aithuriad erfahren, dass sie ihre fehlenden Gehirnfragmente angeblich gespendet hatte. Gespendet. Was für ein absurder Gedanke! Es musste eine Lüge sein. Man hatte ihr die Erinnerung entrissen. Sie manipuliert.

      Zemina atmete tief ein. Ja, die Cairaner hatten sie manipuliert, aber das änderte nichts daran, dass sie ihre Gehirnfragmente wohl wirklich freiwillig hergegeben hatte. Warum reichten ihr diese Antworten nicht? Was wollte sie noch wissen? Sie war eine Lasha und hatte die Ankunft der RAS TSCHUBAI vorausgesagt. Deshalb war sie damals auf dem Schiff gewesen. Wieso hatte sie noch immer das Gefühl, etwas im Sternenrad tun zu müssen, eine Aufgabe zu haben?

      In ihr schrie etwas stummen Protest: Das konnte nicht alles gewesen sein. Das durfte es nicht.

      »Bitte«, sagte sie. »Ich will euch begleiten!«

      »Nein.« Rhodan klang freundlich, doch in dieser Freundlichkeit lag eine Härte aus Arkonstahl. »Du bleibst an Bord der RAS TSCHUBAI. Vorerst. Sollten wir etwas erfahren, das dich betrifft, nehme ich mit dir Verbindung auf.«

      Zemina schluckte. Sie dachte an Jasmyne da Ariga. Zu gerne hätte sie die andere getroffen, die als Enkelin Atlans angetreten war und die in Wahrheit ihre Schwester sein sollte. Doch ein solcher Kontakt war derzeit nicht möglich. Die kopierte THORA war mitsamt der Bioreplikate an Bord unter dem Befehl des falschen Atlan geflohen. Sie hatte das Holobild Arigas studiert – und dabei nichts gefühlt. Kein Erkennen. Keine Erinnerung.

      »Du meldest dich wirklich? Egal, wie unbedeutend es dir vorkommt?«

      »Ja«, versprach Rhodan.

      Zemina glaubte ihm.

      3.

      Erstumlauf

      im Orbit um Aithuriad

      Farye Sepheroa-Rhodan ließ es sich nicht nehmen, Perry Rhodan und Gucky zum Planeten zu fliegen. Die Welt ähnelte Terra und erinnerte Rhodan vom All aus daran, wie zerbrechlich die momentane Waffenruhe war. Würde das Sternenrad entfesselt, waren unzählige Welten wie diese in Gefahr. An Tschirmayn hatten die Cairaner ein furchtbares Exempel statuiert und gezeigt, wozu sie in der Lage waren.

      Rhodan stand in der Zentrale neben Gucky. Augenraumer mit glosenden, roten Mittelteilen umgaben die BJO BREISKOLL, lauerten, lagen in Stellung. Jede Bewegung des Schlachtkreuzers der MARS-Klasse wurde peinlich genau überwacht. Auch die Bedrohung durch die Galaktiker war ungebrochen.

      Rhodan hätte sich angespannt fühlen sollen, nervös, doch das Gegenteil war der Fall. Er vertraute seiner Intuition.

      Ataidse Sturu wollte verhandeln. Der Cairaner suchte zum ersten Mal seit vielen Jahren wirklich nach einer friedlichen Einigung zwischen sich und den Galaktikern, ohne Hintergedanken. Die Cairaner hatten Pläne in Plänen in Plänen verborgen – und dennoch war mehr schiefgegangen, als ihnen derzeit