Erich Schneider

Kleine Geschichte Unterfrankens


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       Unterfranken vor den Franken

      Die Vorgeschichte des unterfränkischen Raumes lässt sich weit bis in die Anfänge menschlicher Kultur zurückverfolgen. Funde vom Schalksberg in Würzburg belegen, dass entlang des Maines schon vor 300.000 Jahren der „Homo erectus heidelbergensis“ gelebt hat. Fruchtbare Böden und reiche Jagdgründe haben in der Altsteinzeit vor über 10.000 Jahren Jäger und Sammler hierhergeführt. Ältester Beleg dürfte ein Faustkeil sein, der bei Dornheim nahe Iphofen entdeckt wurde. Ackerbau und Viehzucht hat die Menschen sesshaft werden lassen. Schwanfeld bei Schweinfurt gilt wegen seiner um 7500 v. Chr. zu datierenden Funde als ältestes Dorf in Deutschland. Etwas jünger sind Fragmente figürlicher Plastik, die kultisch-religiöse Bedeutung gehabt haben dürften. In diesen Kontext gehört eine 8.000 Jahre alte Kette aus Zähnen von Menschenopfern im Würzburger Museum für Franken, die bei Zeuzleben gefunden worden ist. Damals gab es auch eine befestigte Siedlung auf dem Judenhügel bei Kleinbardorf.

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       An den Hängen des Steigerwaldes nahe Castell wächst ein vorzüglicher Wein.

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       Kette aus den Zähnen geopferter Menschen aus Zeuzleben, 6000 v. Chr.

      Die Keramik der Mittelsteinzeit bis hin zur Glockenbecherkultur vom Ende der Steinzeit mit ihren reich verzierten, im Umriss an Glocken erinnernden Gefäßen ist ebenso belegt. Eine große Besonderheit bilden die hölzernen Kreisgrabenanlagen zur Bestimmung des Sonnenstandes und damit des Kalenders. Sie lassen sich in Ippesheim und Hopferstadt knapp jenseits der Grenze zu Mittelfranken nachweisen. Beide Orte dürften von kultischer Bedeutung gewesen sein und haben Sichtkontakt zum Bullenheimer Berg. Dort wurde 1973 eine bronzezeitliche Höhensiedlung entdeckt. Die hier gefundenen bronzenen Radnaben im Museum für Franken Würzburg lassen einen von Pferden gezogenen Kultwagen rekonstruieren.

       Der Kultwagen von Acholshausen

       Bedeutendstes Objekt dieser Zeit ist der Kultwagen von Acholshausen im Museum für Franken in Würzburg (um 1000 v. Chr.). Das aus Bronze gegossene Gefährt war Teil des reichen Grabes einer hochgestellten Persönlichkeit, die wohl kultische Handlungen vollzog. Vermutlich sind solche Kultwagen mit Regenzeremonien in Dürrezeiten in Verbindung zu bringen. Hinweise darauf sind die im Grab gefundenen beiden bronzenen Zierscheiben, die als Sonnensymbole gelten.

      Die Bronzezeit (ca. 2200–800 v. Chr.) steht für einen Höhepunkt in der frühen Kultur Unterfrankens. Damals löste das Metall Bronze Werkzeuge und Schmuckstücke aus Stein ab. Für diesen Technologiesprung bedurfte es eines regen Handelsaustauschs. Das Leben vieler Menschen in dörflichen Gemeinschaften und der Schutz der Handelswege förderten die Anfänge hierarchisch geordneter Gesellschaften. Am Ende der Epoche steht die Urnenfelderzeit, in der die Toten verbrannt und in Urnen bestattet wurden.

      In der Hallstattzeit von etwa 700 bis 450 v. Chr. lassen sich die Kelten in Unterfranken fassen. Damals gelang es erstmals, Eisen zu verhütten und zu schmieden: ein weiterer technologischer Fortschritt mit großen Folgen! Ihre Siedlungen lagen meist auf Bergen. Ein Herrschaftszentrum war der Marienberg in Würzburg. Dort gefundene attische Importkeramik lässt auf luxuriöse Trinkgelage der vom Berg aus regierenden Fürsten sowie auf weitgespannte Handelskontakte und Reichtum schließen. Davon zeugen ferner Fürstengräber in riesigen Grabhügeln, wie jenes auf dem Laushügel oberhalb von Biebelried. Die Bergfestungen wurden in der bis in die Zeit von Christi Geburt währenden Latènezeit weiter ausgebaut. Auf dem Schwanberg oberhalb von Iphofen bildete sich im 2. Jh. v. Chr. eine stadtartige Siedlung (oppidum) heraus. Die spätkeltische Befestigung war zeitweilig ein politisches Zentrum der Region.

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      Spätbronzezeitlicher Kultwagen aus Acholshausen (LKr. Würzburg), Bronze, um 1000 v. Chr.

      Die Kelten begannen im 4. Jh. v. Chr., in der Ebene zu siedeln. Im 1. Jh. v. Chr. drangen germanische Stämme aus dem Raum Elbe und Saale nach Unterfranken ein. Bei Gerolzhofen wurde ein germanisches Wohnstallhaus aus der Zeit um Christi Geburt ausgegraben. In Mitteleuropa suchten damals über rund fünf Jahrhunderte hinweg ständig neue Völkerschaften Fuß zu fassen. Wegen Kontinuität der Siedlungen spricht man eher von Migration als von gewaltsamen Eroberungszügen.

      Zahlreiche neuere Funde belegen, dass das Land am mittleren Main einen Schwerpunkt der Besiedlung in der römischen Kaiserzeit im 1. bis 5. Jh. n. Chr. erfahren hat. Dafür stehen Orte wie Klein- und Großlangheim, Alitzheim, Ober- und Unterspiesheim, Eßleben oder Tückelhausen. 1985 wurde oberhalb von Marktbreit ein römisches Legionslager entdeckt, das die Vorstellung von der Anwesenheit der Römer in Franken verändert hat. Das zwischen 10 v. Chr. und 9 n. Chr. erbaute Lager für zwei Legionen war Teil einer Großoffensive zur weiteren Unterwerfung Germaniens. Trotz anfänglicher Erfolge erzwang die für Rom verheerende Varusschlacht 9 n. Chr. die Aufgabe des Lagers bei Marktbreit.

      Um 90 n. Chr. drangen die Römer von Süden in den Raum Weißenburg i. Bay. und Gunzenhausen vor und erbauten im Rahmen des Limes weitere Grenzbefestigungen. Man muss sich diesen Limes als bewachte, aber für den Handel offene Grenze vorstellen. Daneben gab es den Main als sogenannten „nassen“ Limes zwischen Großkrotzenburg und Bürgstadt. Weitgehend frei vom militärischen Druck der Römer ließen sich im 2. und 3. Jh. n. Chr. die Germanen von Rhein und Weser her im heutigen Unterfranken nieder. Römische Luxusgüter gelangten auf diese Weise in die Region. Dazu gehören die kleine bronzene römische Merkurstatuette aus Iphofen-Possenheim (Prähistorische Staatssammlung München) oder die Bronzeapplike eines Gottes Okeanos (Privatbesitz).

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       Kessel, Schalen und Kasserollen aus Bronze von einem römischen Hortfund bei Höchberg, 2./3. Jh. n. Chr.

      259/60 überrannten die Alamannen den Limes und die Römer zogen sich über den Rhein zurück. Die Folge waren germanische Raubzüge in ehemals römischem Gebiet. Hiervon zeugt ein unlängst bei Höchberg geborgener Hortfund mit Kesseln, Schalen und Kasserollen, die der Verein „Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte“ für das Museum für Franken erwerben konnte.

      Während des 5. Jhs. drangen die Alamannen aus Thüringen in das Maingebiet vor. Ihre Hauptorte (civitates) waren Würzburg und Aschaffenburg (Mainaschaff?). Dennoch konnten sie sich nicht lange halten und wurden von Rheinfranken und Weserfranken in mehreren Schlachten besiegt. 496 schälte sich in der Schlacht von Zülpich Chlodwig I. († 511) aus dem Geschlecht der Merowinger als starker Mann heraus. Er soll der Überlieferung zufolge nach diesem Sieg in Reims durch Gregor von Tours getauft worden sein. Im Jahr 506 besiegelte die Schlacht bei Straßburg den Untergang der Alamannen. Der Untermain wurde Teil des Fränkischen Reiches und Ausgangspunkt für ihr weiteres Vordringen entlang des Mains nach Osten. Der militärische Erfolg der Franken verdankt sich auch ihrer wichtigsten Waffe, der „Franziska“. Es handelt sich um ein Wurfbeil, das zugleich als Hiebwaffe benutzt werden konnte.

       Frühe Zeugnisse des Christentums

       Die Franken brachten wohl erstmals die Kenntnis vom Christentum mit in die Region. Hinweise darauf bieten einige Funde in Kleinlangheim: Zu nennen sind eine durchbrochene Zierscheibe aus der Mitte des 6. Jhs., eine Fibel mit Kreuzmotiv (um 600) oder ein zweischneidiges Schwert aus Grab 25, eine sogenannte Spatha, mit Kreuzverzierung am Knauf (Museum für Franken, Würzburg). Um 640 soll außerdem in der villa carloburgo, dem heutigen Stadtteil Karlburg von Karlstadt, ein Marienkloster gewesen sein. Fakt ist