Die Autorin
Die Schweizer Diakonisse Brigitta Schröder ist 1935 in Winterthur geboren und lebt seit 1971 in Deutschland. Sie ist Supervisorin DGSv, Lebens- und Trauerbegleiterin und Absolventin des Seniorenstudiums in Dortmund mit Schwerpunkt Geragogik und Gerontologie. Sie verbrachte ihre Berufszeit als Krankenschwester im Gesundheitswesen vorwiegend in leitender Position.
In dankbarem Gedenken an Martha Soltek.
Sie hat mir die Tür zu Menschen mit Demenz geöffnet.
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4., aktualisierte Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© 2020 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-037154-5
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-037155-2
epub: ISBN 978-3-17-037156-9
mobi: ISBN 978-3-17-037157-6
Dieses Werk erschien in der 1. Auflage Pfingsten 2010 mit der ISBN 978-3-00-031094-2 unter dem gleichen Titel im Selbstverlag der Autorin (www.demenz-entdecken.de).
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen.
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegensenden,
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse
Geleitworte
Demenz ist eines der zentralen Themen unserer Gesellschaft. Ein extremes Thema. Demenz löscht im schwersten Stadium bei den Betroffenen auf der kognitiven Ebene viele, vielleicht sogar alle anderen Themen aus, ersetzt sie mit »Leere«. Es widerspricht unseren Lebenserfahrungen, einen Menschen als »Leere« wahrzunehmen. Wir suchen auch in der Begegnung mit Menschen mit Demenz nach einem Anknüpfungspunkt für das »Du«. Vielleicht suchen wir auf der falschen, auf der kognitiven Ebene.
Kann man mit kognitiver Leere kommunizieren? Oberflächlich, materialistisch gesehen, wohl kaum, aus emotionaler, spiritueller, mystischer Sicht vielleicht schon. Die Begegnung mit Menschen mit schwerster Demenz wirft uns zurück auf uns selbst.
Der Schweizer Schriftendesigner Adrian Frutiger sagte einmal, bei der Gestaltung einer neuen Schrift achte er weniger auf die schwarzen Flächen der Buchstaben, sondern mehr auf die weiße Leere dazwischen. Die Leere wird zu einem sinnvollen, konstitutiven Teil des Ganzen.
Die Literatur zum Thema Demenz ist unübersichtlich groß. Sie erstreckt sich von Autobiografien im frühen Stadium der Demenz bis zu Publikationen im Bereich der neurobiologischen Grundlagenforschung. Das vorliegende Buch von Brigitta Schröder liegt irgendwo dazwischen. Die Diakonisse, die zur Schwesternschaft des Diakoniewerkes Neumünster gehört, lässt uns teilhaben an ihren reichen Erfahrungen in der Begleitung von Menschen mit Demenz und am Wissen, das sie sich in diesem Zusammenhang erworben hat. Sie bietet praktische Ermunterungen für Angehörige, für zivilgesellschaftlich Engagierte und professionell Betreuende, die mit Menschen mit Demenz zu tun haben. Noch mehr aber regt der Text zum Nachdenken über zentrale Themen des Lebens an und über die Leere zwischen ihnen, die vielleicht doch zum Leben als Ganzem dazugehört.
Neujahr 2010
Dr. Werner Widmer
Direktor der Stiftung Diakoniewerk Neumünster – Schweizerische Pflegerinnenschule, Zollikerberg, Schweiz
Brigitta Schröder hat ihre Erfahrungen, die sie im Umgang mit Menschen mit Demenz über lange Zeit erworben hat, in dieser Schrift zusammengefasst. Der Text atmet, er ist lebendig und man kann eine Menge aus der Lektüre lernen. Im Kern lenkt Brigitta Schröder den Blick auf das, was wichtig ist, wenn man mit der Demenz zu tun hat: Es sind nicht zuerst oder allein die medizinisch-pflegerischen Handlungen, sondern es sind die sozialen, einfühlsamen Aspekte, die zählen. »Jeder Mensch ist wertvoll in seinem Dasein und in jeder Lebensphase« lautet die Devise der Autorin.
Ich wünsche diesem Text »Blickrichtungswechsel« viele Leserinnen und Leser.
Gießen, im Februar 2010
Prof. Dr. Dr. Reimer Gronemeyer
Theologe und Soziologe Universität Gießen
Vorwort
Diese Texte zu schreiben, hat sich nach meiner Teilnahme an einem Workshop mit dem Titel »Ich nehme dich wahr – Sterbebegleitung bei Menschen mit Demenz« ergeben. Gemeinsam mit einer Diplom-Sozialpädagogin, die mich motiviert hat, meine Gedanken und Erfahrungen in Worte zu fassen, sind die ersten Schritte zu diesem Buch entstanden. Unter anderem haben mir Alltagsbegleiter Erfahrungen zur Verfügung gestellt. Die gewählte »Ichform« gibt dem Text Lebendigkeit.
Meine zusammengestellten Aufzeichnungen sind an Begleitende, Angehörige und vielseitig Interessierte gerichtet, die mit Fragen und Herausforderungen der Demenz in Berührung kommen