Roger Scruton

Bekenntnisse eines Häretikers


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Wüstenei verwandeln, wenn man sie gewähren lässt.

      Obwohl ich unser Eingreifen in die uns umgebende Ordnung nicht immer unproblematisch finde, tröstet mich die Tatsache, dass sich hier mittlerweile Arten wieder ansiedeln, die man seinerzeit nicht zu sehen bekam, als wir die Farm vor zwanzig Jahren gekauft haben: Dompfaffe, Bachstelzen, Turmfalken, ein weiterer habichtartiger Raubvogel, Damwild, Hermeline und Grasschlangen. Es gibt viele verschiedene Bienenarten und die Teiche quellen über von Fröschen, Kröten und Libellen. Im Übrigen sind da noch die Nachbarn, und von ihnen geht die bei weitem größte Bedrohung für alle Tiere aus, die auf unserem Land leben. Damit sind nun allerdings nicht unsere in der Landwirtschaft tätigen Nachbarn gemeint, denen es ähnlich wie uns um die Wahrung des ökologischen Gleichgewichts geht. Ich denke vielmehr an jene Zugezogenen, die auf dem Land eine Ruhe genießen möchten, wie sie quasi als Nebenprodukt der landwirtschaftlichen Arbeit anderer abfällt. Die Neuankömmlinge bringen ihre eigene Menagerie mit, vielgeliebte Haustiere, denen bislang alle Vorzüge des Stadtlebens zuteilgeworden sind. Tatsächlich tragen die Hunde und Katzen dieser Leute am meisten zur Störung der empfindlichen Ordnung bei, die wir anderen nach Kräften versuchen, aufrechtzuerhalten. Was ich zum Anlass nehme, mir ein paar Gedanken bezüglich angebrachter und verfehlter Tierliebe zu machen.

      Eine Nachbarin führt ihren Hund auf dem öffentlichen Reitweg spazieren. Dort lässt sie ihn von der Leine und der Hund läuft auf die Felder und in die Hecken, wo er tut, was Hunde eben tun: er versucht, Witterung von Beutetieren aufzunehmen und jagt los, sobald er eine Fährte entdeckt hat. Im Winter suchen Vögel im Laub Schutz, um so gut wie möglich mit ihrer Energie hauszuhalten. Es verbessert nicht eben ihre Überlebenschancen, wenn sie auf diese Weise jeden Tag aus ihrem Unterschlupf aufgescheucht werden. Das Gleiche gilt für Hasen, Kaninchen und Feldmäuse. Selbstverständlich versichert uns die Nachbarin in aller Entschiedenheit, ihr Hund käme im Traum nicht auf die Idee zu töten, was er jagt – er folge einfach nur seiner Natur. Das Gleiche tun sicherlich auch die Fasane, Hermeline und Kaninchen, die er jagt. Im Unterschied zu ihnen kehrt der Hund zurück in ein warmes Haus und zu einem Fressnapf, dessen Inhalt größtenteils aus anderen, zu Dosenfutter zusammengemetzelten Tieren besteht, während die Ziele seines Jagdinstinkts nichts weiter zu verdauen haben als den erlittenen Schock, was sie schwächt, auch hinsichtlich weiterer Zusammentreffen.

      Andere Nachbarn halten zwei Katzen – schöne Tiere, die es verstehen, ihre menschlichen Besitzer mit scheinbarer Zuneigung zu umgarnen, um sie tatsächlich mit der ganzen Unverschämtheit einer überlegenen Spezies im Griff zu haben. Sowohl Hunde wie Katzen sind Raubtiere; Hunden aber kann man beibringen, nicht zu töten, man kann sie darauf abrichten, ihrem Jagdinstinkt nur bei bestimmten Beutetieren zu folgen, oder Rassen züchten, die eben diesen Instinkt in den Dienst anderer menschlicher Belange stellen, etwa als Hüte- oder Apportierhunde. Bei Katzen ist das nicht möglich. Alles in ihrer Natur richtet sich nur auf das eine Ziel, zu töten; und obwohl man sie so verhätscheln kann, dass sie von der Verfolgung dieses Zieles ablassen, entfremdet man sie damit zugleich ihrer wahren Natur. Eine richtige Katze will hinaus und sobald sie draußen ist, will sie töten. Der Unterschied zwischen fairem und unfairem Kampf, zwischen Schädlingen und geschützten Arten, zwischen Freund und Feind – all das spielt für eine Katze keine Rolle, wenn sie sich aufmacht, um Vögel, Feld- und Spitzmäuse und andere harmlose und nützliche Geschöpfe aufzuspüren, ohne irgendetwas anderes im Sinn zu haben, als deren Blut ins Maul zu bekommen. Einer Schätzung zufolge werden in England jedes Jahr etwa hundertachtzig Millionen wilde Vögel und Säugetiere von Katzen erbeutet.1 Von all den fremden Arten, die irgendwann auf unsere Insel kamen, richten Hauskatzen unbestritten den größten Schaden an, und das Schlimmste daran ist, dass es dank der Sentimentalität britischer Tierfreunde als Verbrechen gilt, sie abzuschießen.

      Liebe hat viele Formen und es gibt keinen Grund, meiner Liebe zu Weide- und Wildtieren einen höheren Wert beizumessen als der Liebe unserer Nachbarn zu ihren Hunden und Katzen. Zwei Fragen sollte man jedoch in Bezug auf jede Art von Liebe stellen: kommt sie dem Objekt der Liebe zugute oder dem Subjekt? Ob wir mit Wildes extremer Erklärung: »Der Mensch tötet, was er liebt« einverstanden sind oder nicht, es gibt sicherlich eine Art Liebe, die ihr Objekt zerstört, aus Gründen, wie Blake [in dem Gedicht The Clod and the Pebble] sie anführt:

      Love seeketh only self to please

      To bind another to its delight,

      Joys in another’s loss of ease

      And builds a Hell in Heav’n’s despite.

      [In der Liebe geht es dem Liebenden nur um sich selbst,

      es beglückt ihn, den anderen gebunden zu wissen,

      er weidet sich daran, wie dessen Leben seine Unbeschwertheit verliert,

      Und erschafft eine Hölle anstelle des Himmels.]

      Es gibt eine Liebe, die den anderen versklavt, erstickt, ausbeutet und missbraucht. Und oft genug korrumpiert sich ein Liebender, indem er sich ein verfälschtes, zu schmeichelhaftes Bild seiner selbst macht als eines zugänglichen, liebenswerten Menschen. Liebe ist kein Wert an sich, sie taugt etwas, wenn sie sich einer sittlichen Verantwortung verpflichtet weiß, sie ist wertlos, wenn sie diese Verantwortung missachtet. In diesem Sinn sollten wir mit Aristoteles sagen, dass Liebe, um einen Wert zu bekommen, ein angemessenes Objekt braucht, auf das sie sich aus angebrachtem Anlass und in angebrachtem Maß richtet.2 Zum Erwachsenwerden gehört auch, dass man lernt, wen und wie man lieben kann, und die Fähigkeit entwickelt, seine Liebe zu disziplinieren, um sie nicht zu Sentimentalität oder Herrschsucht gegenüber dem Partner verkommen zu lassen.

      Eine Menge Literatur befasst sich mit der Liebe zwischen Menschen und Tieren, und jeder von uns hat Beispiele vor Augen, anhand derer wir zu verstehen suchen, was eine Liebe über die Artengrenzen hinweg erfreulich oder fragwürdig macht. Für die Zuneigung von Haustieren bin ich genauso empfänglich wie andere Leute auch, und ich erinnere mich, dass ich meinem Hund aus Kindertagen, einem hässlichen Geschöpf, das jegliche Tugenden eines Hundes vermissen ließ, tiefe Gefühle von großer Bedürftigkeit entgegengebrachte. Auch mein Pferd Barney habe ich geliebt; als es mitten auf einer Jagd tot unter mir zusammenbrach, hat mich das eine Zeit lang sehr mitgenommen – bis ich seinem Nachfolger begegnet bin. Katzen fühlen sich zu mir hingezogen, sie schnurren und bedenken mich mit ihrem Milchtritt, ohne zu ahnen, welche Verachtung ich für ihre Spezies hege. Trotz allem möchte ich weiterhin die Frage stellen, inwiefern und in welchem Maß die Liebe zu einem Tier gerechtfertigt ist.

      Zunächst einmal bezieht sich Tierliebe nur in Ausnahmefällen auf ein Tier als Individuum. Ich liebe die Tiere auf unserer Farm, aber nur einigen wenigen bringe ich eine dem Individuum geltende Zuneigung entgegen: ich freue mich an den Dompfaffen, die wir hier haben, und setze mich nach Kräften für ihr Bleiben ein, aber es gibt keinen bestimmten Dompfaff, der mir besonders am Herzen läge. Natürlich habe ich den Impuls, einem in Not geratenen Vogel oder Säugetier zu helfen, ich gehe hin und sehe, was ich tun kann: aber das ist keine Liebe, sondern ganz normale, freundliche Anteilnahme. Zu Pferden habe ich dagegen eine anders geartete Beziehung. Ich kenne ihren jeweiligen Charakter und ihre Eigenheiten, und reite sie in mitunter abenteuerlichen Situationen, in denen wir auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind. Dabei kann eine besondere Bindung entstehen, wie sie zum Beispiel Alexander den Großen dazu brachte, um den tapferen Bukephalos zu trauern und ihm zu Ehren eine Stadt errichten zu lassen. Dennoch bleibt es fraglich, ob Pferde ihrerseits ihre Reiter als Individuen wahrnehmen oder uns und Artgenossen gegenüber Gefühle entwickeln, die den unsrigen vergleichbar wären. Sie unterscheiden einen guten Aufenthaltsort von einem schlechten, erkennen ihre Stallgenossen und stehen in einer Beziehung zu ihnen; und sie wissen, welche Art von Behandlung sie von den verschiedenen Zweibeinern zu erwarten haben, die sich um sie kümmern. Aber ihre Zuneigung ist labil, nicht klar ausgerichtet und wird schnell auf jemand anderen übertragen. Barney hatte für mich gewisse Qualitäten mit Bukephalos gemein: draufgängerisch, wollte er immer der erste im Feld sein, blieb dabei aber auch in gefährlichen Situationen zuverlässig. Eben das begründete meine Zuneigung zu ihm, und nicht etwa, dass er mir ein ausgesprochenes Wohlwollen entgegengebracht oder mir in seinem Leben einen besonderen Platz eingeräumt hätte, wie ich es meinerseits für ihn getan habe.

      Mittlerweile glaube ich, dass man ein Pferd auf