Roger Scruton

Bekenntnisse eines Häretikers


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rührseligen Verklärung von Tieren, die einen Film wie Bambi so schädlich macht – er verleitet dazu, Tiere zu verniedlichen und sie gleichzeitig als Inbegriff des Richtigen und Guten zu sehen, von vornherein und in besonderem Maß begabt mit Moralität. Aber so einfach ist es nicht: entweder befinden sich Tiere außerhalb der Sphäre moralischer Urteile oder nicht. Befinden sie sich außerhalb, kann ihr Verhalten nicht als Beweis für ihre »Unschuld« hergenommen werden. Befinden sie sich innerhalb, können auch sie sich schuldig machen und dafür zur Verantwortung gezogen werden.

      Menschliche Liebe zeigt sich auf unterschiedlichste Weise. In ihrer höchsten Form ist sie ein Geschenk, das einem anderen Menschen freiwillig gewährt wird, verbunden mit der Bereitschaft, Unterstützung und Halt zu geben. Aber eine solche Liebe ist nicht umsonst zu haben. Sie hat ihren Preis, für Subjekt wie Objekt gleichermaßen. Das Objekt kann diese Liebe verraten, indem es sich als ihrer nicht würdig erweist und als unfähig, sie zu erwidern. Diese Erfahrung gehört zum Schlimmsten, was Menschen zu durchleiden haben. Die Liebe fordert ihr Objekt, es muss sich nach Kräften bemühen, das ihm geschenkte Vertrauen zu rechtfertigen. Dieser moralischen Herausforderung durch die Liebe sind wir nicht immer gewachsen, aber zumindest können wir versuchen, bessere Menschen zu werden und unser Leben auf anständigere Art zu führen. Aus diesem Grund sind uns Leute nicht geheuer, die ohne Liebe auskommen – die sie nicht zu geben verstehen und sie daher normalerweise auch von niemandem empfangen. Denn nicht nur bleiben sie ausgeschlossen von der Geborgenheit zwischenmenschlicher Zuneigung, vor allem aber kann der wichtigste Ansporn, menschliche Qualität zu entwickeln, nicht wirksam werden, im Bestreben nämlich, sich den Ansprüchen eines Menschen gewachsen zu zeigen, der einem mehr bedeutet als man sich selbst.

      So haben wir andererseits durchaus Grund, der Liebe aus dem Weg zu gehen. Es bringt uns zwar nicht wirklich etwas ein, und die Tragödie von King Lear4 zeigt uns, dass wir einen Fehler machen, wenn wir versuchen, uns zu drücken. Dennoch gestaltet sich ein Leben ohne zwischenmenschliche Liebe einfacher, weil es auf einem niedrigeren Niveau gelebt werden kann, wo es sich moralischer Beurteilung entzieht. Hierin liegt der ungute Grund für die übertriebene Zuwendung zu Tieren. Wir benutzen sie und ihre Hingabe, um zwischenmenschlichen Gefühlsbindungen zu entkommen, sie werden überflüssig. Natürlich können Menschen von ihrem Leben so geschlagen sein, so bar aller menschlicher Liebe, dass es kein Versagen ihrerseits darstellt, wenn sie sich der Sorge für ein Tier widmen, auf dass wenigstens ein letztes Licht der Liebe mit kleiner Flamme brenne. Die Titelheldin aus Flauberts Un cœur simple tut genau das, weshalb ihre Liebe zu ihrem Papagei auf keinen Fall eine moralische Verfehlung ist. Als letzte Bastion eines echten Gefühls für Moralität bezeigt diese Hingabe vielmehr einen Wert in demjenigen Menschen, der sie an den Tag legt. Damit hat sie sehr wenig gemein mit der ringsum gedeihenden Bambi-Mentalität, in deren Geist man sich gerade anschickt, unsere Beziehungen zu Tieren mittels Recht und Gesetz noch einmal neu festzuschreiben.

      An anderer Stelle habe ich mich bereits gegen die Idee von verbrieften Rechten für Tiere ausgesprochen.5 Meine Argumentation in dieser Sache beruht nicht auf Missachtung gegenüber Tieren, sondern auf Respekt vor moralischer Vernunft und Begriffen wie Recht, Verantwortung, Pflichtgefühl und Anstand, die hier ins Spiel kommen und in jedem Moment von einem Unterscheidungsvermögen abhängen, das sich aus der Bewusstheit seiner selbst ableitet. Den womöglich größten Schaden fügt die Idee von Rechten für Tiere den Tieren selbst zu. Sie werden auf die Ebene moralischer Bewusstheit gehoben, ohne in der Lage zu sein, dem aus der Moralität abgeleiteten Anspruch auf Unterscheidungsvermögen zu genügen. Denn Tiere unterscheiden nicht zwischen Gut und Böse; sie erkennen nicht, wann eine Pflicht ruft oder ob sie durch Verpflichtungen gebunden sind, die sich aus der Moralität ableiten. So beurteilen wir Tiere einfach nur nach ihrem Vermögen, unser häusliches Leben mit uns zu teilen, aus unserer Zuneigung Nutzen zu ziehen und sie gelegentlich in ihrer stummen und abhängigen Art zu erwidern. Damit manipulieren wir die Dinge gehörig zu unseren Gunsten, indem es etwa als kriminelle Handlung gilt, eine Katze abzuschießen, ganz gleich, welchen Schaden sie anrichtet, während belobigt wird, wer eine Maus vergiftet und damit eine Nahrungskette schädigt, in die viele andere Tiere eingebunden sind.

      Es geht nicht darum, unseren Lieblingstieren unsere Zuneigung zu entziehen. In dem Maß, wie sie diese Zuneigung tatsächlich brauchen, sollten wir sie ihnen geben. Wenn wir sie jedoch als Individuen lieben, müssen wir uns über die Bedrohung im Klaren sein, die damit für Tiere verbunden ist, die einer derartigen Zuneigung nicht zugänglich sind. Mit der Liebe zu unseren Hunden und Katzen belasten wir die natürliche Ordnung, und am empfindlichsten alle Lebewesen, »die da unter freiem Himmel, in Feld, Wald und Wiese kreuchen und fleuchen«. Diese Tiere mögen keinerlei Rechte genießen, dennoch haben wir ihnen gegenüber Verpflichtungen – und das umso mehr, je weiter Menschen jeden Tag in ihre Lebensräume vordringen, um sie sich skrupellos anzueignen und gedankenlos zu genießen. Unsere sentimentale Liebe zu unseren Haustieren verstärkt einen Mangel an Verantwortungsgefühl, und allzu gerne feiern wir uns selbst in einer leichtgängigen Tierliebe, die uns nicht wirklich etwas abverlangt. Damit aber unterminieren wir den menschlichen Anstand, von dem der Rest der Welt in so entscheidender Weise abhängig ist.

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