zu all diesem Wirrwarr noch hinzu. Sie waren zwar nicht so fremd, dass der Ilt sie nicht ein wenig lesen konnte. Er legte indes keinen Wert darauf; ihre Mentalimpulse waren von sehr viel Schmerz begleitet und zugleich wie benebelt.
Leidende Piraten! Das war doch pure Ironie, oder? Gucky interessierte es aber im Moment nicht, wieso die Druuwen ständig Schmerzen litten und deshalb hauptsächlich brutale, aggressive Gedanken aussendeten. Sie hatten die CREST II überfallen und waren somit klar die Bösen – die unter allen Umständen hinausgeworfen werden mussten.
Bedauerlicherweise waren es zu viele, als dass ein kleiner Ilt sie alle per Teleportation vor die Phygen hätte werfen können.
Und dann war da der Befehl des Sicherheitschefs. Eigentlich scherte sich Gucky nicht sonderlich um Autoritäten und machte normalerweise eher, was er wollte und für richtig hielt. In diesem Fall jedoch fügte er sich. Er war kein ausgebildeter Stratege, und es gab einfach zu viele Gefahren, zu viele Unwägbarkeiten. Vielleicht hätte er Perry und Thora zu retten vermocht, aber Zakhaan Breel würde nach ihnen suchen und das Schiff auseinandernehmen. Womöglich würde der Druuwe sogar töten, um sie durch Erpressung zurückzubekommen.
Und auch zu dritt konnten sie die CRISTOBAL nicht steuern, dafür war sie einfach zu groß.
Im Orbit lauerte zudem die Piratenflotte. Es bräuchte vermutlich nur ein paar Schüsse, und alle an Bord der CREST II waren Geschichte. Solange die Schiffswaffen und Schutzschirme nicht wieder einsatzbereit waren, hatten die Menschen keine Chance. Die CRISTOBAL konnte nicht schnell genug starten und sich entfernen, um nicht unter Beschuss zu geraten.
Ja, Gucky sah ein, dass er der verborgene Trumpf in der Hinterhand bleiben musste, bis Rhodan selbst ihn zum Einsatz rief. Doch es fiel ihm schwer. So unendlich schwer.
Gabrielle Montoya hatte keinen weiteren intensiven Gedanken mehr geschickt. Wahrscheinlich war sie gerade zu sehr anderweitig beansprucht. Solange kein mentaler Aufschrei von ihr kam, waren seine Freunde in Ordnung, davon war Gucky überzeugt.
Einsam und traurig wanderte der Ilt durch den verwaisten Gang in Richtung der Zentrale des Großbeiboots. Er war einfach irgendwo an Bord teleportiert, nicht direkt ins Zentrum, denn er wusste noch nicht, was er als Nächstes tun sollte. In der Zentrale warten, sich ein Versteck suchen oder ...
... oder einen fremden Gedanken in der Nähe auffangen, der eindeutig nicht hierhergehörte! War die CRISTOBAL doch nicht ganz so leer wie angenommen?
Nur ein kleiner Sprung, und jemand fuhr zu Tode erschrocken zusammen, als Gucky wie aus dem Nichts materialisierte und den Ertappten anpfiff: »Was hast du hier zu suchen?«
4.
Widerstand!
John Marshall und Josue Moncadas bildeten ein Team.
»Wir zwei Alten«, bemerkte Moncadas ironisch grinsend.
Marshall konnte darüber ganz und gar nicht lachen. Sie verfügten beide über Parafähigkeiten – jedoch in verglichen mit früher deutlich vermindertem Maße, und ihr Gebrauch erschöpfte sie sehr schnell. Dies lag nicht nur an ihrem Alter, sondern auch an der Schließung der Großen Ruptur und der Isolierung vom Creaversum.
»Wer sonst?«, gab Marshall zurück.
Sie waren auf dem Weg zu einer Nebenzentrale, die als Ausweichleitstand für die Lebenserhaltungssysteme der CREST II diente. Trotz der Umwege über Wartungsgänge und Versorgungsschächte geriet ihr Weg mehr und mehr zur Sackgasse. Viele Hundert gegnerische Diskusroboter schwärmten durch die Korridore, hinzu kamen schwer bewaffnete Druuwen. Wie befürchtet, waren die Invasoren massiv in der Überzahl. Aufseiten der Verteidiger waren nur eine Handvoll Menschen bewaffnet und im Schutzanzug unterwegs. Vielleicht konnten sie wenigstens ein Patt erringen, um Verhandlungen zu erzwingen.
Jedes Team hatte auf kleinen Schwebeplattformen eine Ladung Waffen und Kampfmonturen mitgenommen, um sie in verschiedenen Verstecken zu deponieren und diese mit einem Zeichen zu markieren, einem eingekreisten und durchgestrichenen »V«. Die Druuwen konnten mit diesem Symbol nichts anfangen, aber die Menschen würden darauf aufmerksam werden. Selbst wenn sie das Zeichen nicht kannten, würden sie sich Gedanken darüber machen, wie es an diese Stelle gekommen sein mochte.
Obwohl Yuudai Nakamura davon ausging, dass SENECA noch nicht in der Hand der Druuwen war, hatten sie vereinbart, einander nur im höchsten Notfall auf einer speziellen Sicherheitsfrequenz anzufunken. Sie mussten schnell und lautlos sein, viel Zeit blieb ihnen nicht.
Marshall und Moncadas hatten mittlerweile das Hauptdeck erreicht, das zur Zentrale führte. Neben der Kommandantenunterkunft, den Bereitschaftsräumen, den Quartieren der Führungsoffiziere, einer Messe mit kleinem Arboretum und zwei Konferenzsälen gab es dort hinter Hochsicherheitsschotten Sektionen mit Neben- und Redundanzzentralen für den Fall, dass der Zugang zu SENECA oder zur Hauptzentrale einmal nicht möglich sein sollte.
»Im Grunde sollten wir SENECA komplett ausschalten«, meinte Moncadas. »Nicht nur wegen der Druuwen, das Positroniknetz war schon seit unserer Notlandung auf dem kontaminierten Planeten reichlich zickig. Irgendwas stimmt damit nicht.«
»Du bist Interruptor, kein Emotionaut. Oder Techniker.«
Moncadas zuckte die Achseln. »Ich weiß, das ist sehr unwissenschaftlich, aber ich habe kein gutes Gefühl. Auch wenn ich derzeit nicht aktiv Energie- oder Datenleitungen manipuliere, erspüre ich doch stets die Ströme ringsum ... Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Auf irgendeine Weise bin ich sicher, dass mit SENECA etwas vorgeht. Ich wollte heute mit Perry darüber reden und eine gründliche Überprüfung vorschlagen.«
»Aus diversen Gründen sollten wir deinen Vorschlag nur als letzte Option ins Auge fassen«, erwiderte Marshall. »Denn um SENECA ganz zu desaktivieren, bräuchten wir mindestens Rufus Darnell, besser noch Mentro Kosum. An beide kommen wir aber derzeit nicht ran – Darnell ist in der Maschinensektion, und Kosum konnten wir nicht auftreiben. Deshalb halte ich es für besser, wie geplant ein System nach dem anderen von SENECA abzukoppeln.«
Sie näherten sich der Sektion mit dem Steuerraum für die Innenbordumweltsysteme – und sahen sich einem Roboter gegenüber.
*
Olav Bropkowin versiegelte sein Hauptdepot, damit sich die Druuwen nicht daran vergriffen. Außerdem tarnte er den Zugang mit einer Holoprojektion, die etwas ganz anderes als ein Hochsicherheitsschott vorgaukelte – nämlich eine geschlossene Wand, die sich nahtlos in die echte Wand fügte. Dahinter hatte er ein Energiefeld aktiviert, das zumindest einen ersten Angriff abwehren würde, sollte die holografische Täuschung durchschaut werden. Als dritte Barriere musste ein Eindringling das Schott selbst überwinden. All das würde Zeit in Anspruch nehmen.
Bis dahin, hoffte der Logistikchef, würde die Mannschaft bereits in der Lage sein, das Schiff zurückzuerobern. Andernfalls würden die Piraten wohl alles an Bord ausräumen, was nicht niet- und nagelfest war, und lernen, sich die terranische Technik zunutze zu machen. Sicherlich konnten sie einiges davon verwenden, um beispielsweise ihre eigenen Antriebe aufzupeppen.
Ressourcen waren knapp im Contagiat. Von der CREST II, auf die der Leitende Logistikoffizier überaus stolz war, würde nach der Plünderung also nicht viel übrig bleiben. Oder, noch schlimmer, womöglich würde das mächtige Raumschiff in fremde Dienste gestellt werden.
Bropkowin beabsichtigte, sein Materiallager so entschlossen wie ein Haluter in Drangwäsche zu verteidigen. Er deckte sich mit Waffen ein, schloss seinen Kampfanzug und zog sich in eine Nische hinter vollbepackten Regalen in der Logistikabteilung zurück.
*
Siobhan O'Sullivan, Abhinava Singh Khalsa und Yuudai Nakamura übernahmen den Befehl über jeweils eine aus den übrigen Offizieren gebildete Gruppe. Nakamuras Team wollte in die mittlere Kugelschale vordringen, um dort die Kontrolle über die Lebenserhaltungssysteme zu erlangen und sie von SENECA abzukoppeln. Die anderen beiden Teams würden sich zu den Decks mit den Mannschaftsunterkünften begeben und wollten so viele Besatzungsmitglieder wie möglich herausholen und in sichere Verstecke schaffen.
Von