verlegt wurde.«14 (Hervorhebungen durch die Autorin)
Könnte es auch diesmal so sein, dass China lediglich das Land ist, in dem die ersten auffälligen Infektionsereignisse stattfanden – das neuartige SARS-CoV-2 aber von ganz woanders herstammt?
Die fälschlicherweise als »Spanische Grippe« bezeichnete Krankheit grassierte, als der Erste Weltkrieg in vollem Gange war. 2019, also ziemlich genau ein Jahrhundert später, liegen zwei Supermächte im Handelskrieg – die eine ist wirtschaftlich auf dem Vormarsch, die andere will um keinen Preis ihre Vormachtstellung verlieren. Somit ist jedes Narrativ willkommen.
Die Regierungen dieser beiden Supermächte beschuldigen sich gegenseitig, das SARS-CoV-2-Virus, das die Welt derzeit heimsucht, sei dem jeweils anderen Land entsprungen. Die Leitmedien der verschiedenen Länder dienen dabei als Sprachrohr der jeweiligen Lesart – je nachdem, ob sie sich den USA verbunden fühlen oder eher China nahestehen.
Aber hat das alles etwas mit der Wahrheit zu tun? Diese Frage ist überflüssig, denn wo SARS-CoV-2 seinen Ursprung hat, lässt sich momentan noch nicht definitiv beantworten. Man kann sich aber zumindest an die Wahrheit herantasten, indem man sich mit mathematischer Akribie durch das Dickicht von Fakes, schlagzeilenträchtigen Meldungen, wilden Verschwörungstheorien, angeblichen Tatsachen und zurückgezogenen wissenschaftlichen Studien hindurcharbeitet.
Ein Krimi mit moralischen Implikationen
Das Narrativ über den Ursprung von SARS-CoV-2 liest sich wie ein Krimi. In diesem geht es jedoch nicht um die Ermordung einer fiktiven Figur, sondern um ein qualvolles, stunden- oder gar tagelanges Ringen um Luft, um einen unentrinnbaren Todeskampf, wie er sich in dieser oder ähnlicher Form bis heute hunderttausend Male wiederholt hat. Sich dem tatsächlichen Ursprung dieses tödlichen Virus zu nähern – und zwar auf einer streng wissenschaftlichen, nicht interessengeleiteten Basis – ist gewissermaßen eine moralische Pflicht.
Wie oben erwähnt, wird es im Moment oder auch in naher Zukunft niemandem möglich sein, die Wahrheit aufzudecken – zu sehr steht der Handelsstreit zwischen China und den USA im Vordergrund. Sollten die Chinesen herausfinden, dass SARS-CoV-2 ein »amerikanisches Virus« ist, würden sie dies womöglich nicht einmal öffentlich machen, denn dann hätten sie gegen die USA etwas Bedeutsames in der Hand und könnten diese Fakten zu gegebener Zeit zu ihren Gunsten nutzen – ähnlich wie das bei so manchen politischen Abläufen in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen gehandhabt wird.
Nebenbei: Ein politisch versierter Kollege eröffnete mir vor Jahren, dass Untersuchungsausschüsse oft dazu dienen, die Machtverhältnisse zwischen den Parteien zu gestalten – das heißt, wenn die Opposition eine Wahrheit herausfindet, die für die regierende(n) Partei(en) peinlich werden könnte, einigt man sich oft auf einen Kompromiss, bei dem man dem politischen Gegner irgendwelche Konzessionen zugesteht – nach dem Prinzip »eine Hand wäscht die andere«. Was der Öffentlichkeit dann mitgeteilt wird, ist eine andere Version der »faktischen Wahrheit«.
Ob so etwas auch im Falle von COVID-19 geschehen könnte in dem Sinne, dass Regierungen das tatsächliche Endergebnis internationaler Untersuchungen für eigene wirtschaftliche und/oder politische Machtzwecke nutzen könnten und wir, die Öffentlichkeit, nichts darüber erfahren bzw. mit einer »anderen« Version abgespeist werden, ist die große Frage.
China hat im Juli 2020 einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission Zutritt gewährt. Diese sollte sich mit einer Reihe von Hypothesen befassen – den gleichen, die in diesem Kapitel behandelt werden: Wurde das neue Coronavirus im Labor hergestellt und absichtlich verbreitet? Oder ist es aus einem Hochsicherheitslabor entwichen? Und falls ja – wo? Stammt es aus der chinesischen Provinz Hubei? Aus einem Labor in den USA? Wurde es im Oktober 2019 während der Militärweltspiele von US-Soldaten nach Wuhan (China) eingeschleppt? Oder ist SARS-CoV-2 das Resultat einer natürlichen Evolution und konnte sich »dank« des globalen Massentourismus und der Art und Weise, wie wir mit unserem Planeten umgehen, rasant verbreiten?
Um diesen Krimi aufzulösen, gilt es nach dem gleichen Prinzip vorzugehen, wie es auch Kriminalisten tun: Man muss eine Chronologie der Ereignisse aufstellen und die wissenschaftlichen Hypothesen und Studien sowie die Historie der Länder durchforsten, die in diesen Informationskrieg involviert sind. Nur so lässt sich ein Profil des »Täters« erstellen – so es denn überhaupt einen gibt.
Der zeitliche Ursprung – Studien und Fallbeschreibungen
Aufgrund der Informationen der Leitmedien und der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ging man eine Zeit lang davon aus, dass SARS-CoV-2 erstmals im Dezember 2019 im chinesischen Wuhan auftauchte. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen haben inzwischen allerdings ergeben, dass dieses Virus zumindest schon seit November Menschen in der Provinz Hubei infizierte.
Im Februar 2020 wurde im Journal of Medical Virology eine kurze Mitteilung der Università di Milano veröffentlicht: Die phylogenetische Analyse mehrerer italienischer Wissenschaftler hatte ergeben, dass der zeitliche Ursprung von SARS-CoV-2 zwischen Oktober und November 2019 liegt.15
Die Resultate einer weiteren Studie, die im Mai 2020 in der Fachzeitschrift Infection, Genetics and Evolution publiziert wurde, haben dies bestätigt. Diese Untersuchung wurde von Prof. Francois Balloux (University College London) zusammen mit Kollegen von der University of Oxford und der Université de la Réunion durchgeführt. Ihre genetische Analyse des SARS-CoV-2 lässt eindeutig den Schluss zu, dass das neuartige Coronavirus bereits im Herbst 2019 grassierte – in einem Zeitraum zwischen dem 6. Oktober und dem 11. Dezember.16
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie von Dr. Peter Forster, angesehener Genetiker und Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der mit Kollegen der Cambridge University den Ursprung des Virus auf die Periode zwischen Mitte September und Dezember 2019 legt.17 (Ihre Studie wurde bereits über 70-mal in Forschungsarbeiten zitiert.)
Diese wissenschaftlichen Ergebnisse bezüglich des zeitlichen Ursprungs des Virus stimmen auch mit Recherchen von Ärzten überein, die grippeähnliche Erkrankungsfälle vor dem COVID-19-Ausbruch nachträglich untersuchten.
Die Badische Zeitung schreibt dazu im Mai 2020: »Michel Schmitt, Chefarzt am Hôpital Albert Schweitzer in Colmar, ist bei einem nachträglichen Abgleich von Patientendaten auf erste COVID-19-Fälle in der Region schon ab Mitte November vergangenen Jahres gestoßen. Wie das Krankenhaus mitteilte, habe Schmitt 2456 Thorax-Aufnahmen aus der Zeit zwischen dem 1. November 2019 und dem 30. April 2020 verglichen.[…] Erfahrene Radiologen hätten ältere Aufnahmen von Lungen mit solchen verglichen, die nachweislich von positiv auf das Virus getesteten Patienten stammen. Aufgrund der Übereinstimmungen zwischen gesicherten Infektionen und Lungenerkrankungen aus dem Vorjahr sind Schmitt und sein Team zu der Überzeugung gelangt, dass der erste COVID-19-Fall in Colmar bereits am 16. November 2019 in die Klinik eingeliefert worden sei – lange, bevor die Ärzte dort etwas von dem neuen Erreger wissen konnten.«18
Dieses Bild wird durch weitere Fakten erhärtet. Im Deutschen Ärzteblatt erschien im Mai 2020 ein Bericht über Dr. Jean-Ralph Zahar von den Hopitaux d’Ile-de-France. Dieser Mediziner hat »Vor-Corona-Grippefälle« nachträglich auf SARS-CoV-2 überprüft, wofür er u. a. die eingefrorene Speichelprobe eines Patienten verwendete, der am 27. Dezember 2019 mit Lungenentzündung in ein Krankenhaus in der Nähe von Paris eingeliefert worden war. Die PCR-Analyse dieser Speichelprobe ergab, dass sie mit SARS-CoV-2 infiziert war. Dieses Ergebnis ist ein weiterer eindeutiger Beweis dafür, dass SARS-CoV-2 bereits seit Ende 2019 und somit lange vor den offiziellen ersten Fällen in Frankreich vorhanden war.19
Desgleichen auch in Italien: Der Epidemiologe Adriano Decarli von der Università di Milano geht davon aus, dass SARS-CoV-2 bereits ab Oktober/November 2019 in der Lombardei um sich griff. Eine diesbezügliche Studie dürfte in den nächsten Monaten Klarheit bringen.20
Gleicher Auffassung ist Giuseppe Remuzzi, Direktor des anerkannten Instituts für Pharmakologische Forschung Mario Negri in Mailand.21
Der Philosophieprofessor