aber Fee erzählte ihrem Mann später, daß Torsten Werling ein interessanter Mann sei.
Sie sprachen über sein Schicksal, denn sie hatten sich genau über ihn informiert.
»Arbeit wird für ihn die beste Medizin sein«, meinte Daniel.
»Aber auch eine Bewährungsprobe, wenn er es mit schweren Fällen zu tun hat«, stellte Fee fest. »Er ist sensibel und leidet noch.«
»Das spricht aber auch für ihn. Hoffen wir, daß Jenny endlich wieder ruhig schlafen kann.«
»Und daß Maxi Gambill nie mehr in ihrem Leben begegnen muß. Er ist abgebrüht und ohne jeden Skrupel. Er würde sein eigenes Kind entführen, um Lösegeld zu erpressen.«
Als sie es ausgesprochen hatte, wurde ihr erst bewußt, daß dies tatsächlich sein Plan sein könnte und wurde unruhig.
»Das könnte es sein«, fügte sie heiser hinzu. Ihre Stimme wollte ihr plötzlich nicht mehr gehorchen.
»Das traust du ihm zu?« Daniel war bestürzt. »Du warst mal sehr angetan von ihm.«
»Wie jeder andere auch, und wenn ich inzwischen nicht wüßte, was Maxi mitgemacht hat, wäre ich ihm wieder auf den Leim gegangen. Du hast ja nicht erlebt, wie kaltschnäuzig er all seinen Charme eingesetzt hat.«
»Maxi ist geheilt, davon bin ich überzeugt.«
»Aber wenn er an Patrick herankommen sollte… ich wage nicht daran zu denken, wie dieser kleine Junge auf diesen Schauspieler reagieren würde.«
Daniel schwieg, ohne sich dazu zu äußern. »Jedenfalls muß sie gewarnt werden«, sagte Fee mit ernstem Nachdruck.
»Nicht, solange sie auf der Insel ist. Wir werden sie doch nicht in Panik versetzen und ihre Genesung in Frage stellen.«
»Ich werde morgen Frau Dannenberg einen Besuch machen«, erklärte Fee. »Sie muß auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Ich glaube nicht, daß er aufgibt, ohne etwas erreicht zu haben, und die Polizei scheint an ihm nicht interessiert zu sein.«
Darin irrte er sich aber. Ray Gambill wurde im Auge behalten, da sein zweiter Paß von seiner Botschaft nicht anerkannt wurde. Es ging alles nur ein bißchen langsamer, wenn man mit einer anderen Nation zu tun hatte, die auch andere Gesetze hatte. Ein Gewaltverbrechen, das von Interpol geahndet wurde, war ihm nicht nachzuweisen. Seine Beziehung zu Bess Melvin war kein Verbrechen, da Schwerdt als ihr Mörder nicht angezweifelt werden konnte.
*
Fee rief am nächsten Morgen Monika Dannenberg an, die sich sehr über die Ankündigung ihres Besuches freute.
Fee wollte gleich nach fünfzehn Uhr bei ihr sein. Sie war vorsichtig und parkte neben einem anderen Grundstück, um sich zu überzeugen, ob Gambill ihr nachspionierte, aber sie konnte kein verdächtiges Auto bemerken, das dem ähnlich war, mit dem er bei ihr gewesen war. Es konnte immerhin möglich sein, daß er den Mietwagen wechselte.
Sie wurde aber unruhig, als Monika Dannenberg ihr nicht auf ihr Läuten die Tür öffnete. Sie wählte auf ihrem Handy die Telefonnummer, die sie glücklicherweise in ihrem Notizbuch notiert hatte.
Sie war ein Mensch, der nie gleich das Schlimmste vermutete, aber in diesem Fall geriet sie fast in Panik, weil Monika eine sehr zuverlässige Frau war, die die Verabredung bestimmt nicht vergessen hatte. Fee mußte an Ray Gambill denken, den sie erst gestern gesehen hatte mit diesem gefährlichen Blick, der Böses hinter der lächelnden Miene ahnen ließ.
Aber wie sollte sie ins Haus kommen, und vielleicht lauerte er darin?
Sie hielt das Handy in der Hand. Es hatte sich ausgeschaltet, aber sie wählte die Nummer erneut, hoffend, daß Monika die nicht lauten Ruftöne überhört hätte. Diesmal hörte sie ein Knistern, dann ein Ächzen und schließlich einen Laut von einer versagenden Stimme.
»Monika Dannenberg, was ist mit Ihnen, hier ist Fee Norden.«
»Hilfe«, sagte die heisere Stimme, dann herrschte Schweigen.
Fee zögerte nicht mehr, sie wählte den Notruf, nannte ihren Namen und sagte, daß in diesem Haus etwas Schlimmes passiert sein müsse, sie könne nicht hinein und hege aber den Verdacht, daß die Besitzerin verletzt worden sei.
Es folgten dann endlos scheinende Minuten, bis die Funkstreife und ein Notarztwagen eintrafen. Der Name Norden hatte ihr wieder einmal geholfen, obgleich ein Polizist sagte, sie würden leider öfter mal an der Nase herumgeführt mit falschen Hilferufen.
Fee war mehr als nervös, voller Angst. Ihr war es schwindelig, so daß sie nicht mehr klar sehen und denken konnte. Aber dann, als die Tür gewaltsam geöffnet worden war, fand sie ihren angstvollen Verdacht bestätigt. Monika lag bewußtlos in einer Blutlache auf den Keramikfliesen der Diele.
»Sie muß schnellstens in die Klinik«, sagte der Notarzt, der nur Erste Hilfe leisten konnte und die Bewußtlosen notdürftig versorgte.
»Bitte gleich in die Behnisch-Klinik. Ich werde Frau Dr. Behnisch anrufen. Sie kennt Frau Dannenberg.«
Der noch junge Notarzt schien froh, von der Verantwortung bald entbunden zu werden. Fee mußte alle Kraft zusammennehmen, um sich wieder ans Steuer setzen zu können. Der Funkstreifenbeamte forderte Verstärkung an, die das Haus untersuchen und auch bewachen sollte. Fee schickte Stoßgebete zum Himmel, daß die Hilfe für Monika noch rechtzeitig kam.
Sie fuhr zur Behnisch-Klinik. Das Blut hämmerte in ihren Schläfen, aber jetzt war sie dennoch konzentriert. Sie hatte schon oft genug ihre Geistesgegenwart bewiesen, aber dann huschte auch der Gedanke durch ihren Kopf, daß ihre Verabredung mit Monika ihr das Leben gerettet haben könnte.
Sie hatte nicht viel von den Verletzungen gesehen, vermutete aber, daß der Überfall nicht lange vor ihrem Kommen erfolgt sein mußte.
Sie konnte nur mit Michael
Graef sprechen, da Jenny bei einem Frischoperierten war. Er war natürlich entsetzt über das, was sie ihm sagte.
Zehn Minuten später hatte sie die Klinik erreicht und noch Zeit, auch mit Jenny zu sprechen, bevor der Notarztwagen mit Monika eintraf.
Sie war mit einem Notverband und mit Sauerstoff versorgt worden. Wenngleich ihr Puls auch schwach war, sie lebte, und nun konnten alle lebensrettenden Maßnahmen ergriffen werden.
Während Jenny die Kopfwunde behandelte, stellte Dr. Graef fest, daß sich Monika heftig gewehrt haben müßte, da er unter ihren Fingernägeln Hautpartikel fand, die diese Vermutung bestätigten.
»Es muß Gambill gewesen sein«, murmelte Fee. »Aber sie ist doch eine so vorsichtige Frau. Wie könnte er nur ins Haus gelangt sein?«
»Jedenfalls bist du noch zur rechten Zeit gekommen, Fee«, stellte Jenny fest. »Sie wird leben und kann uns erzählen, was geschehen ist.«
»Er kann nicht gewußt haben, daß ich sie besuchen will«, überlegte Fee. »Es ist ein Zufall, daß er sich diesen Tag ausgesucht hat. Gestern war er bei mir.«
»Er war bei dir«, fragte Jenny staunend. »Du hast mit ihm geredet?«
»Ich war neugierig zu hören, was er mit seinem Erscheinen bezweckte. Seine Dreistigkeit ist kaum zu überbieten. Er hält sich immer noch für unwiderstehlich.«
»Und ist er es noch?« fragte Jenny ironisch.
»Wir wissen, wie er wirklich ist, aber andere, die es nicht wissen, fallen sicher auf ihn herein.«
»Erschreckt es dich nicht, daß er zu solchen Brutalitäten fähig ist, Fee?«
»Natürlich erschreckt es mich, aber vor allem bereitet mir Sorgen, in welcher Gefahr Maxi immer noch ist und erst recht Patrick.«
»Er würde doch seinem Sohn nichts antun!« Jennys Stimme klang sehr gepreßt.
»Nicht, solange er Aussicht auf einige Millionen hat, aber wenn er die nicht bekäme! Für ihn ist es ein Nervenkitzel und auch ein Vergnügen, andere in Angst zu versetzen.«