Todes gestorben sein soll. Ich weiß auch, daß sie auf Empfehlung von Professor Schwerdt angestellt wurde, den man ja als ihren Mörder bezeichnet.«
»Eine entsetzliche Geschichte! Ich kannte sie nur als Krankenschwester Bess Melvin, weil sie meinen kranken Vater pflegte. Sie hat es so raffiniert gedreht, daß Maxi glaubte, ich hätte zu ihr eine intime Beziehung gehabt. Ein schlimmer Verdacht, den sie sich nicht ausreden ließ, aber sie war so gutgläubig, leider auch in negativer Beziehung. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie es mich erklären lassen.«
»Ich möchte wirklich wissen, was tatsächlich geschehen ist. Als Ärztin hat sie sich keine Sympathie verschafft, vielleicht war sie auch eine unzuverlässige Krankenschwester, die bei der Pflege Ihres Vaters Fehler machte?«
Er sah sie irritiert an. »Daran habe ich noch nicht gedacht, aber man hätte ihr doch wohl Fehler nachweisen können.«
»Wenn man ihr solche hätte nachweisen können, Mr. Gambill, aber wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.«
Jetzt suchte er nach Worten und schien sich damit schwer zu tun, denn er wußte nicht, wie er das Gespräch fortführen sollte.
»Als ich durch Zufall erfuhr, daß sich Bess in München aufhält, kam mir der quälende Gedanke, daß sie Maxi weitere Lügen unterbreiten könnte. Deshalb bin ich gekommen, um mit Maxi eine Aussprache herbeizuführen, aber ich weiß nicht, wo sie ist und setze meine letzte Hoffnung auf Sie, da Sie eine so kluge, lebenserfahrene Frau sind. Ich weiß auch, daß Sie ein Vorbild für Maxi sind. Bitte, sagen Sie mir, wo ich meine Frau und meinen Sohn finde, damit ich Klarheit schaffen kann.«
Wie raffiniert er ist, dachte Fee. Jetzt, da Bess Melvin tot ist, meinte er, seine Chance bei Maxi zu bekommen. Für wie dumm hält er sie eigentlich?
»Es tut mir leid, Mr. Gambill«, erklärte sie, sich nur mühsam beherrschend, »aber ich weiß wirklich nicht, wo sich Maxi aufhält, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß sie es sich leichtgemacht hat, sich von Ihnen zu trennen. Sie hat Ihnen bedingungslos vertraut, davon bin ich überzeugt. Es hat wohl doch einiger Beweise bedurft, die endgültige Trennung zu rechtfertigen. Sie sollten darüber nachdenken.«
»Sie wollen mich auch als Ehebrecher hinstellen!« empörte er sich.
»Das will ich nicht, aber ich denke, daß bei dem Scheidungsrichter Beweise ausschlaggebend waren.«
»Immerhin gibt es Beweise, daß Bess Melvin eine Betrügerin war, die vor nichts zurückschreckte.«
»Und ich frage mich, was sie beabsichtigte, daß sie sich ausgerechnet München als Schauplatz aussuchte.«
»Woher soll ich das wissen?« stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Ich verabschiede mich, Frau Dr. Norden. Ich werde Maxi auch ohne Ihre Hilfe finden.« Das klang in Fees Ohren drohend. Sie hatte auch ein unbehagliches Gefühl und atmete erst auf, als er aus dem Haus war. Lenni lehnte kreidebleich an der Küchentür, eine volle Wasserflasche in der Hand.
»Was wollte dieser Mann?« fragte sie. »Er hatte etwas Böses an sich.«
»Sie haben einen guten Instinkt, Lenni«, sagte Fee mit einem erleichterten Lächeln. »Sie fallen nicht auf diesen Charmeur herein. Wollten Sie etwa mit der Wasserflasche auf ihn losgehen?«
»Ich habe nichts anderes zur Hand gehabt, die ist aber ganz schön schwer«, meinte Lenni. »Ich hätte schon aufgepaßt, daß er Ihnen nichts tut.«
»Das hätte er wohl doch nicht gewagt, aber Sie haben recht, man muß sich vor ihm in acht nehmen.«
»Noch dazu, wo heute der Dreizehnte ist.«
»Du lieber Himmel, das hätte ich ja beinahe vergessen!« rief Fee aus. »Heute nachmittag muß ich in die Behnisch-Klinik. Ein Arzt stellt sich vor.«
Und hoffentlich ist der Dreizehnte nicht ein schlechtes Omen, dachte sie für sich.
*
Dr. Torsten Werling war es egal, welches Datum dieser Tag hatte, er hoffte nur, daß er endlich eine Stellung und somit einen Neuanfang finden würde.
Überwunden hatte er den Tod seiner Frau und seiner kleinen Tochter nicht, aber das Leben war trotzdem weitergegangen. Nutzlos wollte er es nicht verbringen, wenn es ihm schon bestimmt war zu leben.
Er konnte sich nicht an den Hergang des Unfalls erinnern. Er hatte lange im Koma gelegen und war nach dem Erwachen wochenlang mit starken schmerzlindernden Medikamenten behandelt worden, die sein Denkvermögen betäubten. Erst eine lange Therapie weckte wieder das Bewußtsein in ihm, was er selbst während seines Berufslebens als Arzt so oft zu den Patienten gesagt hatte, nämlich daß man niemals aufgeben dürfe. Aber es hatte Zeit gebraucht, bis er fähig war, sich zum Weitermachen durchzuringen. Immer und immer wieder hatten ihn die Gedanken gequält, daß er Patienten sterben sehen würde, durch Unfälle Schwerverletzte, denen nicht mehr zu helfen war.
Er hatte mehrmals Bewerbungen geschrieben, aber sie im letzten Augenblick doch nicht weggeschickt, bis er die Annonce von der Behnisch-Klinik gelesen hatte. Da hatte er den Mut dazu gehabt.
Es war drei Wochen her, daß er sich wieder hinter das Steuer eines Autos gesetzt hatte. Es war ein unauffälliger Wagen, den er von einem Gebrauchtwagenhändler gekauft hatte, aber er war gut in Schuß. Angst um sein Leben hatte er nicht, diese Angst verlor man wohl, wenn man dem Tod schon so nahe gewesen war. Es war auch nicht Geldmangel, was ihn zwang, eine Stellung anzunehmen. Er hatte von der Versicherung große Beträge bekommen, die ihm einen Lebensstandard ohne Sorgen gesichert hätten, aber es war für ihn bedrückend, daß der Tod seiner Frau ihm auch ein Vermögen brachte.
Seine Schwiegereltern hatten ihm das ziemlich taktlos vorgeworfen, aber sie waren selbst so vermögend, daß sie keine Hilfe brauchten, und ihr Verhalten hatten sie völlig entfremdet. Es waren auch die seelischen Schmerzen, die ihn oft peinigten, seine Eltern, die genug unter den Ereignissen gelitten hatten, wollte er nicht zusätzlich belasten. Er hatte keinen Menschen, mit dem er darüber reden konnte. Enge Freunde hatte er nicht mehr gehabt, weil seine Frau Susanne sehr eifersüchtig gewesen war und er neben seinem Beruf auch jede freie Minute mit ihr und dem Kind verbrachte.
Als er jetzt vor der Behnisch-Klinik aus dem Auto stieg und das helle, freundliche Gebäude betrachtete, hatte er nur noch den Wunsch, die Stellung zu bekommen. Hier würde er sich wohl fühlen können.
Auch Jenny Behnisch und Michael Graef blickten dem ersten Gespräch erwartungsvoll entgegen.
Sie warteten aber auch auf Fee Norden, die ebenfalls anwesend sein wollte, die aber ihrem Mann soviel zu erzählen gehabt hatte von Gambills Auftritt, daß sie sich verspätete.
Sie kam erst, als sich Torsten Werling vorgestellt hatte. So wirkte ihr Erscheinen fast zufällig, und Torsten dachte im ersten Augenblick, daß sie sich auch um die Stellung beworben hätte. Er rechnete sich schon keine Chance mehr aus, daß man ihn nehmen würde und war erleichtert, als Dr. Graef sie als Frau Dr. Norden vorstellte, denn der Name Norden war ihm bekannt.
»Wir hatten meine Freundin gebeten, uns bei der Auswahl der Bewerber behilflich zu sein«, gab Jenny Behnisch freimütig zu, und Fee übernahm es, ihm zu erklären, warum sie so vorsichtig geworden waren und sich nicht auf großartige Referenzen verlassen wollten.
Torsten machte in seiner zurückhaltenden Art einen sehr guten Eindruck auf alle drei, und gerade weil er ein so schweres Schicksal bewältigen mußte, war die Entscheidung schon auf ihn gefallen, bevor sie sich noch besprachen.
Torstens schmales, ernstes Gesicht entspannte sich, als Fee sagte, daß sie jetzt wohl gehen könne, damit Jenny und Michael sich mit ihrem zukünftigen Kollegen unterhalten und ihm die Klinik zeigen konnten.
»Ich danke Ihnen für das Vertrauen, daß Sie mir entgegenbringen und werde mich sehr bemühen, Sie nicht zu enttäuschen«, sagte er.
»Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit«, erklärte Michael
Graef, nachdem er schnell einen vielsagenden Blick mit Jenny getauscht hatte.
Neugierig, aber dezent musterten die Schwestern