sie, diese Gedanken weiter zu spinnen, aber was sie dann hörte, regte sie erst recht an und auf. Ihr Gesprächspartner von der Auskunft hatte schnell und gut recherchiert. Die Londoner Nummer gehörte tatsächlich Ray Gambill, jedoch erst seit wenigen Tagen. Ob ihr damit gedient sei, fragte der Mann höflich.
»Ja, Sie haben mir sehr geholfen, und ich danke Ihnen herzlich.«
»Wenn Sie wieder ein Anliegen haben, wenden Sie sich gleich an mich, mein Name ist Jens Klarwein.«
»Das werde ich gern tun, Herr Klarwein, nochmals vielen Dank.«
»Da hast du anscheinend eine drahtlose Eroberung gemacht«, wurde sie von ihrem Mann geneckt. Aber deine Stimme ist halt faszinierend, das habe ich dir auch schon mal gesagt.«
»Er hatte auch eine sehr sympathische Stimme«, sagte Fee mit einem hintergründigen Lächeln.
»Und du hast erfahren, was du wolltest. Jetzt sollten wir uns den nächsten Schritt überlegen. Ich denke, ich werde morgen Fechner anrufen.«
Den Kriminalkommissar Fechner kannten sie schon lange. Sie hatten ihn bereits kennengelernt, als er noch ein junger Inspektor gewesen war. Er war ein sehr kluger und besonnener Beamter, der ihnen schon öfter geholfen hatte. Sie konnten sich darauf verlassen, daß er sehr diskret vorging.
»Und ich werde mir überlegen, wie man am besten an Schwerdt herankommt.«
Sie konnte nicht wissen, daß die Mellet Professor Schwerdt inzwischen mit ihrem Anruf bei ihm in Angst und Schrecken versetzt hatte. Er lief unruhig in seiner Wohnung herum und überlegte, wie er sich schnell aus dieser drohenden Gefahr befreien könnte. Ihm wurde bewußt, daß man gar nicht vorsichtig genug sein konnte, wenn man sich aufs Glatteis begab, aber er hatte nicht einen Moment gedacht, daß dieses Doppelspiel so schnell durchschaut werden könnte. Jetzt, da er endlich gemeint hatte, eine sichere Stellung zu haben, wurde ihm ein dummer Fehler in der Vergangenheit zum Verhängnis, weil er eine Krankenschwester unterschätzt hatte.
Nach einem doppelten Whisky sah er klarer. Man konnte aber auch denken, daß er meinte, einen Ausweg gefunden zu haben, wenn er jetzt Bess unter Druck setzte.
*
Professor Turner rief Daniel nach neun Uhr noch einmal an. Er hatte ihm bei ihrem ersten Gespräch nur sagen können, daß er nie mit einer Ärztin Bridget Mellet zu tun gehabt hatte. Inzwischen hatte er über Robert Schwerdt nachgedacht, der damals nur einer von denen gewesen war, die sich profilieren wollten. Er hatte kurze Zeit am Elisabethen-Hospital gearbeitet, bis ihn eine Patientin beschuldigte, sie sexuell belästigt zu haben. Aber eine Krankenschwester hatte für ihn ausgesagt und erklärt, immer im Zimmer gewesen zu sein, wenn er bei der Patientin war und ihr nachgesagt, daß sie diejenige gewesen sei, die dem Arzt eindeutige Avancen machte. Da es sich um eine sehr labile Patientin handelte, die gerade einen Nervenzusammenbruch gehabt hatte, weil ihr Mann die Scheidung eingereicht hatte, wurden die Vorwürfe gegen Schwerdt zurückgenommen. Er verließ die Klinik auf eigenen Wunsch. Die Krankenschwester, die ihn entlastet hatte, hieß Bess Melvin.
Fee hörte, wie Daniel sagte: »Und jetzt ist sie als Bridget Mellet Ärztin an der Behnisch-Klinik mit den besten Referenzen von Professor Schwerdt.«
Die Erregung stand ihm noch im Gesicht geschrieben, als er sich wieder zu Fee setzte.
»Das ist wahrlich ein starkes Stück!« stieß er hervor. »Wer von den beiden ist schlimmer, Fee? Steven sagt auch, daß ich sofort etwas gegen Schwerdt unternehmen muß. Er ist eine Schande für unseren Beruf.«
»Und diese Melvin kann sonst was anrichten, was Jenny und der Klinik schadet. Es ist schrecklich, was Jenny durchmachen muß.«
»Jedenfalls wird die Mellet morgen die Klinik nicht mehr betreten, dafür werde ich sorgen. Es ist zwar schon spät, aber ich versuche, Fechner noch zu erreichen.«
»Sagen wir doch lieber erst Jenny Bescheid. Sie ist ja nicht allein. Michael Graef ist der Mellet gewachsen. Was soll Fechner denn jetzt gleich unternehmen? Wir können jetzt doch nicht mit dem Kopf durch die Wand.«
Fee war vernünftig, und Daniel sah auch ein, daß sie recht hatte. »Rufst du Jenny an, oder soll ich es machen?«
»Das Beste wird sein, wir fahren zu ihr. Du erzählst ihr, was Steven in Erfahrung gebracht hat, und wir überlegen, wie sie sich verhalten soll, wenn die Mellet morgen früh ihren Dienst antreten will. Es ist ja nicht abzuschätzen, wozu diese Frau fähig ist, wenn sie sich durchschaut fühlen muß.«
»Der Dekan muß über Schwerdt informiert werden«, sagte Daniel heiser. Fee wußte, wie es ihn aufregte, wenn die Berufsehre ins Zwielicht geriet. Schließlich hatte sich Schwerdt nicht nur selbst geschadet, sondern auch Jenny Behnisch und den Ruf ihrer Klinik gefährdet.
Danny und Felix schliefen noch nicht. Fee sagte ihnen, daß sie noch mal zu Jenny fahren müßten.
»Ist was faul mit dieser Ärztin?« fragte Danny.
»Ihr erfahrt es morgen. Jenny braucht Hilfe.«
»Warum mußte Dieter auch so früh sterben«, sagte Felix traurig. »Es ist schwer für Jenny.«
Er hatte ein sehr mitfühlendes Gemüt. Danny war realistischer.
»Jenny ist eine gute Ärztin und macht ihre Sache auch gut. Es ist eine Gemeinheit, wenn falsches Spiel mit ihr getrieben wird. Aber ihr werdet es schon in Ordnung bringen«, meinte er zuversichtlich.
»Er setzt großes Vertrauen in uns«, sagte Fee mit einem tiefen Seufzer.
»Und wir werden unsere Kinder nicht enttäuschen und Jenny auch nicht«, fügte Daniel hinzu.
*
Jenny war wider Erwarten sehr gefaßt, aber auch dankbar, daß sich Daniel und Fee so für ihre Interessen engagierten.
»Ich habe mit Michael schon besprochen, daß wir eingehende Erkundigungen über die Mellet einziehen«, erklärte sie.
»Das ist nicht mehr nötig, Steven Turner hat mich schon eingehend informiert, und es ist so, wie wir vermutet haben. Bess Melvin, das ist der Name, unter dem sie als Krankenschwester im Elisabethen-Hospital tätig war, konnte Schwerdt mit dieser alten Geschichte erpressen. Vielleicht hatte sie selbst mit ihm eine Affäre. Was Männer anbetrifft, scheint sie ja keine Skrupel zu haben und vor nichts zurückzuschrecken. Jetzt bleibt nur die Frage, was sie möglicherweise gegen Maxi im Schilde führte.«
»Und wie konnte sich Schwerdt nur so die Hände schmutzig machen?« sagte Jenny tonlos.
»Es sind nicht die Hände, es ist ehrlos und erbärmlich, wie er sich verhalten hat und unentschuldbar«, sagte Daniel hart. »Er hat sich damit als Arzt disqualifiziert.«
»Was will sie hier?« Jennys Stimme bebte, sie war tatsächlich den Tränen nahe, aber Daniel und Fee wußten, daß sie nicht um ihr Leben bangte, sondern um den Ruf und die Existenz der Klinik. Sie hatte ihrem Mann Dieter auf dem Totenbett versprochen, sein Lebenswerk zu erhalten und nach seinen Prinzipien zu leiten. Jenny hatte nicht nur zu früh ihren geliebten Mann verloren, der ihr alles bedeutete, Daniel und Fee und Schorsch Leitner hatten einen echten langjährigen Freund verloren und geschworen, seiner Frau zu helfen. Sie hielten ihr Wort.
Fee nahm Jenny in den Arm. »Wir bringen das schon in Ordnung, Jenny. Du mußt das nicht allein durchstehen. Schwerdt wird dafür büßen, daß er dir das angetan hat. Ja, warum ist sie ausgerechnet hier? Vielleicht wegen Maxi. Gambill könnte das geplant haben. Vielleicht ist Patrick der Grund, aber aus Vaterliebe will er das Kind sicher nicht haben. Maxi hat aber Angst davor. Es könnte auch sein, daß die Melvin wegen Schwerdt nach München gekommen ist. Wir werden es in den nächsten Tagen erfahren, davon bin ich überzeugt. Sie wird reden, wenn sie von Fechner in die Zange genommen wird.«
Es sollte stimmen, daß sie am nächsten Tag mehr wissen würden, aber nicht das, was sie erhofft hatten, denn Bess Melvin, alias Bridget Mellet, war verschwunden. Sie schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
In die Zange genommen wurde allerdings Robert Schwerdt. Daniel Norden hatte Kommissar Fechner nicht umsonst