So fand die Produktion ausschließlich in den klassischen Anbauländern wie Marokko, Afghanistan und Pakistan statt. Moderne Errungenschaften, die heute ein selbstverständlicher Teil der oft legalen Cannabis-Extraktion sind, waren den ersten Hanf-Veredlern im Rif, in der Bekaa-Ebene oder im Hindukush fremd.
In den Coffeeshops der Niederlande gab es zwar Haschisch aus allen Teilen der Welt. Doch alle anderen Extrakte, die man im Volksmund Hasch- oder Cannabisöl nennt, gelten in den Niederlanden als »harte Drogen« und sind dort noch heute genauso verboten wie Heroin oder Kokain. Deshalb hat das liberale Land im Norden Europas zwar viel zur weltweiten Verbreitung von Cannabiskultur und Cannabisanbau beigetragen. Doch in Sachen Extraktionstechniken ist man in den Niederlanden nicht besonders weit. Nicht einmal Bedrocan, Europas einziger und größter Hersteller von medizinischem Cannabis, darf Cannabisöl produzieren. Das Cannabisöl in deutschen Apotheken stammt deshalb auch immer von Produzenten außerhalb der Niederlande.
Auf Spurensuche
Ich bin 1991 das erste Mal nach Marokko gereist, um ein wenig mehr über die Herkunft der Substanz in Erfahrung zu bringen, die in meiner Heimat immer noch als gesellschaftsgefährdend galt. Damals war ich überrascht, wie hochpotent das Haschisch war, das die Bauern im Rif mit einfachsten Mitteln produzierten. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Die beste Qualität, die in Europa fälschlicherweise »Zero« oder »ZeroZero« genannt wird, trat zu dieser Zeit sehr selten den Weg übers Mittelmeer an. Das Beste, was man in einem Amsterdamer Coffeeshop erstehen konnte, war Haschisch der ersten oder zweiten Siebung, wie ich während meines ersten Marokko-Aufenhalts erfahren sollte.
»Zero« oder »ZeroZero« sind eigentlich reine Legenden. Bei deren Herstellung wird gar nicht gesiebt, denn es handelt sich um die nullte Siebung, wie der Name sagt. Das heißt, der Bauer klopft oder rollt die getrocknete Pflanze ganz sanft über den Rand einer Schüssel. Die wenigen Trichome (Harzdrüsen), die dabei herabrieseln, sind die nullte Siebung und decken nicht einmal den Eigenbedarf des Bauern. Die beste Qualität, die in den Verkauf gelangt, ist allenfalls die erste Siebung. Auch die zweite oder dritte Siebung ist noch sehr potent. Doch der Großteil der Exportware wurde aus der vierten, fünften oder gar sechsten Siebung gewonnen und hatte so einen sehr hohen Pflanzenanteil. War das Haschisch des fünften oder sechsten Durchgangs so wenig potent, dass es aufgrund des niedrigen Trichom-Anteils nicht mehr zusammenkleben wollte, mischte der Bauer eine kleine Menge gutes Haschischpulver unter. So wurden dann die für den Export bestimmten Platten gepresst.
Nachdem man in Europa Mitte der 1990er Jahre angefangen hatte, selbst Cannabis zu produzieren, brach der Markt für minderwertiges Haschisch aus Marokko langsam aber sicher ein. Die marokkanischen Bauern fingen daraufhin an, sich neben der Quantität ihrer Ernte auch wieder mit deren Qualität zu beschäftigen, und Rucksackreisende trugen dazu bei, indem sie die Rif-Bauern mit Saatgut aus Spanien oder den Niederlanden versorgten. So findet man im Rif-Gebirge, aus dem immer noch über 90 Prozent des in Europa konsumierten Haschischs stammen, heute wieder viel besseres Haschisch als vor 30 Jahren.
Mein erstes Mal
Nach meiner ersten Reise nach Marokko hatte ich mir vorgenommen, mehr über die Techniken der Cannabis-Veredelung in Erfahrung zu bringen. 1998 nahm ich dann bei einem deutschen Auswanderer eine Schnapsdestille in Marokko in Betrieb. Die hatte ich beim Bauern meines Vertrauens aufgebaut, um selbst mein erstes eigenes Haschöl zu machen. Mein marokkanischer Freund hatte zu meiner Freude irgendwie Hexan als Lösungsmittel aufgetrieben. Dieser langkettige Kohlenwasserstoff löst die Cannabinoide perfekt von Stängeln und Blättern und verdampft ähnlich gut und schnell wie das heute oft genutzte Butangas oder Dimethylether. Normalerweise benutzte man damals Alkohol oder Aceton als Lösungsmittel; die Extraktion mit Butan oder CO2 waren zu dieser Zeit noch unbekannt.
Der Aufbau der Destille und des Magnetrührers für das Sieden des Hexans waren kompliziert und umständlich, doch das Ergebnis war umwerfend: eine fast farblose Flüssigkeit mit ganz leichtem Bernstein-Teint, die auch bei den erfahrenen und mit einer hohen Toleranz ausgestatteten Rif-Bauern Erstaunen sowie tiefrote Augen verursachte.
Ich staune bis heute immer wieder darüber, mit welch primitiven Mitteln es die Rif-Bauern schaffen, hochqualitative Extrakte zu produzieren, die von Natur aus einen sehr hohen CBD-Anteil haben (siehe Kapitel Haschisch sieben). Auf der anderen Seite bewundere ich die technische Entwicklung, die sich dank einer in Teilen legal agierenden Cannabis-Industrie im vergangenen Jahrzehnt so rasant entwickelt hat wie kaum ein Sektor innerhalb dieser gerade erst entstehenden Branche.
Patientenkollektive aus Kanada und den USA hatten das medizinische Potenzial von Cannabis-Extrakten schon Anfang des Jahrtausends erkannt. Aufgrund des legalen oder zumindest tolerierten Status war es dort möglich, Cannabis zu medizinischen Zwecken anzubauen und zu veredeln. So ist zum Beispiel die erste simple Vorrichtung zur Butan-Extraktion von Cannabis, der Honey Bee Extractor, ein Kind dieser Zeit. Im Laufe der Jahre professionalisierten sich einige dieser Kollektive und wurden aufgrund der Legalisierung an der gesamten US-Westküste sowie in Kanada zu Hauptakteuren eines neuen Marktes. In Kanada stiegen ab 2012 Investoren ein und gaben der Entwicklung nochmals einen enormen Schub.
Heute gibt es viele verschiedene Techniken zur Cannabis-Extraktion: Die Wirkstoffe werden wahlweise mittels Butan, CO2, Dimethylether, Alkohol, durch Sieben, Wärmezufuhr oder eine Schwimm-Sink-Trennung vom Pflanzenmaterial getrennt. Der Rechtsstatus der Extrakte ist je nach Produktionsstätte sehr unterschiedlich: Es gibt legal produzierte zum Freizeitkonsum (Kanada), legal produzierte zum medizinischen Konsum (Deutschland, Kanada, Uruguay sowie eine stetig wachsende Zahl weiterer Länder), nach regionalem Recht legal produzierte zum Freizeitkonsum (Teile der USA, Spanien) und natürlich komplett illegale (Rest der Welt).
So habe ich mich nach fast 25 Jahren weltweiter Recherche dazu entschlossen, die aufgrund des Cannabisverbots unübersichtliche Welt der Hanf-Extraktion in diesem Buch ein wenig genauer zu beleuchten und auch interessierten Laien ein wenig näherzubringen. Das Wichtigste dabei ist, den Sicherheitsaspekt nie aus den Augen zu verlieren. Denn anders als bei naturbelassenem Cannabis können Fehler bei der unprofessionellen Herstellung von Cannabis-Extrakten fatal sein und im schlimmsten Falle gar tödlich enden.
Aufgrund der historischen Entwicklung der Cannabis-Extraktion stelle ich die traditionellen Techniken am Anfang des Buches vor, um mich später den innovativen Techniken zu widmen, mit denen heutzutage medizinische Standards erreicht werden. Ganz zum Schluss gibt es noch ein paar Tipps, wie man die meist mit viel Liebe und Aufwand hergestellten Konzentrate am sinnvollsten und effektivsten verwenden kann.
Viel Spaß beim Lesen!
Micha
Ein großes Dankeschön an Bobby, Oli, Chris, Stef, Krümel, Markus, Marker, Enno, Schmiddie, Yavuz, Melinda, Mino, Tara, Thea, Ben, Basti und Max & Max für die Unterstützung. Ohne Euch hätte ich es nie geschafft! Ich bin Euch tief verbunden.
Einführung in die Welt der Extrakte
Markus Berger und Michael Knodt
Lösungsmittel, komplizierte Extraktionsverfahren, Hightech-Auszüge: Häufig assoziieren Hanffreunde mit Extrakten ihres Lieblingsgewächses ein aufwendiges chemisches Verfahren, das wissenschaftlich Gebildeten vorbehalten ist und nur unter Laborbedingungen durchgeführt werden kann. Dies ist allerdings ein Irrglaube. Mit einer kurzen Einführung in die Welt der Extrakte aus Pflanzen und Pflanzenteilen sind solche Auszüge in der Regel weder schwierig herzustellen, noch bleibt deren Produktion Chemikern und Fachleuten vorbehalten.
Wir müssen wissen: Extrakte aus der Hanfpflanze oder auch aus den diversen Cannabis-Produkten sind in vielen unterschiedlichen Ausformungen möglich – auch in solchen, die für den Laien ganz einfach nachvollziehbar und gefahrlos in Eigenregie herzustellen sind. Es sind keine technischen Finessen